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11. August 2025 | M.Sc. Meteorologe Nico Bauer

Wolkenimpfung zur Hagelabwehr - Methode und Nutzen

Wolkenimpfung zur Hagelabwehr - Methode und Nutzen

Datum 11.08.2025

Versuchte Wetterbeeinflussung gibt es schon seit Menschheitsgedenken. Während bereits in früheren Zeiten Gewitter mit Hagelkanonen vertrieben werden sollten, ist heute die Impfung von hochreichenden Gewitterwolken mit Silberjodid ein Thema. Doch gibt es für die Wirksamkeit dieser Methode wissenschaftliche Belege?

Nach einer wechselhaften und häufig kühlen Wetterphase hat sich seit vergangener Woche in Deutschland zunehmend ruhiges und verbreitet störungsfreies Hochsommerwetter eingestellt. Reichlich Sonnenschein und Höchsttemperaturen um 30 Grad bescherten uns häufig lupenreines Badewetter. Dieses freundliche Hochsommerwetter hält auch in dieser Woche vorerst noch an. Zur Wochenmitte strömt allerdings von Südwesten zunehmend heiße und im weiteren Verlauf auch feuchtere Luft heran. Damit steigt die Gewittergefahr und in der zweiten Wochenhälfte sind dann stellenweise kräftige Gewitter möglich. Diese können örtlich mit Starkregen, Sturmböen und auch Hagel einhergehen!

Dann werden in einigen Landkreisen im Bundesgebiet wieder Hagelflieger aufsteigen und versuchen, die Gefährdung durch größeren Hagel zu minimieren. Das Ziel dabei ist es, künstliche Kondensationskerne in die hochreichenden Gewitterwolken einzubringen, damit sich anstatt von großem Hagel nur sehr viele kleine Hagelkörner bilden.

Hagel kann sich in hochreichenden Gewitterwolken bei Temperaturen unter 0 Grad entwickeln. In diesen Höhen gibt es neben wenigen Eiskeimen auch eine hohe Anzahl an unterkühlten Wassertröpfchen. Diese kommen in der Atmosphäre bei Temperaturen bis -38 Grad vor. Die Eiskeime wachsen durch Anfrieren von Wassertröpfchen und der Anlagerungen von Eisteilchen. Dadurch entsteht ein kleines Hagelkorn. Damit größere Hagelkörner sich entwickeln können, müssen sich im weiteren Verlauf zusätzlich unterkühlte Wassertröpfchen anlagern. Dies ist möglich, wenn ein sehr starker Aufwind in der Gewitterwolke vorhanden ist. Sehr große Hagelkörner werden fast ausschließlich bei Superzellengewitter beobachtet, da diese Gewitter neben starken Aufwinden auch eine längere Lebensdauer haben. Damit bleibt für die Bildung von großem Hagel genügend Zeit.


Diese Grafik zeigt die Entstehung von Hagelkörnern. (Quelle: Kunz 2014)
Diese Grafik zeigt die Entstehung von Hagelkörnern. (Quelle: Kunz 2014)


Durch das Hinzufügen von künstlichen Kondensationskeimen sollen sich nach der Theorie nun anstatt von großen Hagelkörnern viele kleine und damit weniger schadensträchtige Hagelkörner bilden und zu Boden fallen. Dabei wird aus dem Flugzeug bei Erreichen des Aufwindbereiches der heranwachsenden Gewitterzelle ein Silberjodid-Aceton-Gemisch in die Wolken geimpft.

Die Wirksamkeit dieser Methode ist allerdings wissenschaftlich nicht bewiesen. Studien darüber gestalten sich aber auch schwierig, da man für einen Beweis der Wirksamkeit zwei identische Gewitterzellen bräuchte. Außerdem gibt es beim Einsatz von Hagelfliegern auch logistische Probleme. Hagelgewitter bilden sich oftmals extrem schnell. Am Rande einer bestehende Gewitterzelle kann sich innerhalb von kurzer Zeit eine neue Zelle mit Hagel ausbilden. Um einen signifikanten Effekt zu erreichen, müssen die Wolken aber möglichst früh geimpft werden. Dies stellt den Hagelfliegerpiloten vor großen Herausforderungen.

Auch Analysen von Radar-, Schadens- und Versicherungsdaten zeigen in den Gebieten, in denen die Hagelflieger unterwegs sind, keinen signifikanten Effekt. Sowohl in der Landwirtschaft als auch bei Gebäudedaten konnte nicht beobachtet werden, dass die Schäden aufgrund der Hagelflieger geringer ausfallen.

Das logistische Problem könnte in Zukunft durch den Einsatz von Drohnen und technischen Verbesserungen bei den Fernerkundungsverfahren gelöst werden. Allerdings sind die mikrophysikalischen und dynamischen Prozesse in einer hochreichenden Gewitterwolke noch nicht vollständig verstanden. Daher kann nicht eindeutig geklärt werden, warum sich eine Gewitterzelle nach der Impfung abschwächt. Dies zeigt, dass in diesem Bereich noch einiges an Forschungsbedarf besteht.

Letztendlich besteht auch die Möglichkeit, dass durch die Impfung andere Gefährdungen wie etwa Starkregen und Sturzfluten zunehmen können. Deshalb ist ohne wissenschaftliche Belege für dessen Wirksamkeit und gleichzeitig für die Auswirkungen auf die Bevölkerung die Wolkenimpfung zur Hagelabwehr als sehr kritisch zu betrachten!



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