In Deutschland hält derzeit der Herbst Einzug. Während es in den Nächten und am Vormittag teils neblig-trüb ist, bleibt der Himmel tagsüber meist grau und hier und da fällt etwas Regen oder Sprühregen. Darüber hinaus signalisiert auch die Temperatur: Es geht wieder in Richtung Winter. Kein Wunder, dass man kurzerhand einen Flug in die Mittelmeerregion bucht, um den Sommer vielleicht noch etwas zu verlängern. Immerhin zeigt sich dort um diese Jahreszeit bei sommerlichen Höchstwerten meist noch vielfach die Sonne.
Wer jedoch dem grauen Herbstwetter in Deutschland entfliehen wollte, erlebt derzeit an der spanischen Ostküste und auf den Balearen eine böse Überraschung. Ein sogenannter "Kaltlufttropfen" - also ein Tiefdruckgebiet in höheren Luftschichten, das mit kalter Luft angereichert ist - zieht derzeit über das westliche Mittelmeer. Aufgrund des großen Temperaturunterschieds zwischen dem noch warmen Mittelmeer mit Wassertemperaturen um 23 °C und der höhenkalten Luft in rund 5500 Metern Höhe mit Temperaturen um -14 °C kommt es zu einer Labilisierung der Atmosphäre. Das heißt, bodennahe, warme und feuchte Mittelmeerluft steigt auf und kommt in Regionen mit vergleichsweise kälterer Umgebungsluft. Dadurch erfährt die warme Luft einen zusätzlichen Auftrieb und steigt weiter auf. So bilden sich teils kräftige Gewitter, die in der sehr feuchten Mittelmeerluft mit kräftigen Regenfällen einhergehen können. Aufgrund der zu erwartenden Auswirkungen wurde das Tief bereits im Vorfeld von EUMETNET, einem europäischen Netzwerk aus verschiedenen nationalen Wetterdiensten, auf den Namen "Alice" getauft.


Bereits am vergangenen Freitag, den 10. Oktober 2025, bildeten sich im Osten und Südosten Spaniens, besonders in den Provinzen Murcia, Valencia und Alicante wiederholt kräftige Gewitter, die mit sintflutartigen Regenfällen einhergingen. So kam die Wetterstation in Cartagena in der Provinz Murcia auf 156,2 Liter pro Quadratmeter (kurz: l/m²) in nur 24 Stunden. Das entspricht etwas mehr als der Hälfte des Jahresniederschlags der Region.
Am Samstag zog das Tief dann etwas weiter nordostwärts, wodurch nun auch die Balearen in den Fokus rückten. So registrierte die Station in der größten Stadt Ibizas Sant Antoni de Portmany 119,7 l/m² innerhalb eines Tages. Zudem wurde der Südosten Kataloniens von kräftigen Gewittern heimgesucht und dabei Niederschlagsmengen bis 92 l/m² aufgefangen. In der Provinz Valencia gab es keine Beruhigung. Dort fielen erneut gebietsweise zwischen 80 und 100 l/m², an der Station Carcaixent wurden sogar 132,8 l/m² gemessen. Besonders sticht hier die Station Miramar hervor. Dort wurden von Freitagabend bis Sonntagfrüh rund 240 l/m² in drei Tagen gemessen.


Dass diese Wetterkapriolen nicht spurlos vorübergehen, ist angesichts der gemessenen Niederschlagssummen klar. So kam und kommt es vielerorts zu Überschwemmungen, die Erinnerungen an die schwere Flutkatastrophe vom Oktober vergangenen Jahres wach werden lassen. Damals sorgte Dauerregen im Osten und Süden Spaniens für verheerende Schäden und forderte auch Menschenleben.
Auf den Balearen mussten aufgrund der Starkregenfälle zahlreiche Flüge gestrichen werden, der Flughafen auf Ibiza kämpfte sogar innerhalb des Terminals mit den Wassermassen. Auf Ibiza, Mallorca und Formentera kam sogar das sogenannte Cell-Broadcast-System zum Einsatz, womit Warnmeldungen direkt auf die Mobilfunkgeräte der Bevölkerung gesendet werden können. Dabei wurden die Leute ausdrücklich davor gewarnt, sich nicht in der Nähe von überschwemmungsgefährdeten Regionen oder Flüssen aufzuhalten. In einigen Regionen fiel darüber hinaus der Strom aus, sodass mehrere Hundert Haushalte zeitweise ohne Strom waren.


Am heutigen Sonntag (12. Oktober 2025) warnt der spanische Wetterdienst AEMET in den Küstenregionen von der Provinz Valencia bis nach Katalonien vor weiteren kräftigen Gewittern und heftigen Starkregenfällen. Insbesondere im südlichen Katalonien und im nördlichen Castellón wird vor Mengen mit bis zu 140 l/m² gewarnt. Auch auf den Balearen gibt es keine Entwarnung. Dort fallen die Niederschlagsmengen zwar geringer aus, der spanische Wetterdienst warnt jedoch weiterhin mit der Warnstufe Gelb und Orange vor Gewittern und Starkregen.
Tief "Alice" soll sich in den Folgetagen unter Abschwächung ins zentrale Mittelmeer verlagern. Allerdings ist bereits der nächste Kaltlufttropfen vom Atlantik auf dem Weg ins westliche Mittelmeer. Dieser zieht am Montag über die Region Valencia, in der Nacht zum Dienstag dann über die Balearen hinweg. So muss insbesondere im Osten und Nordosten Spaniens mit weiteren Gewittern und Starkregenfällen gerechnet werden. Auch die Balearen könnten dann zumindest teilweise von weiteren kräftigen Gewittern heimgesucht werden.


Der Kaltlufttropfen zieht im Laufe der Woche weiter nach Osten ins zentrale Mittelmeer und beeinflusst ab Mittwoch den Süden Italiens, wo ebenfalls Unwetter erwartet werden. Damit bleibt das Wetter im westlichen und zunehmend auch im zentralen Mittelmeerraum vorerst wechselhaft – der Herbst hält also im Süden Europas ebenfalls Einzug.