23:35 MESZ | 06.06.2025 Profi-Wetter| Mobile Seite| Kontakt| Impressum| Datenschutz
Facebook Twitter
Drucken
05. Juni 2025 | MSc.-Meteorologe Sebastian Schappert

Schwere Gewitter in Süddeutschland - Ein Rückblick

Schwere Gewitter in Süddeutschland - Ein Rückblick

Datum 05.06.2025

In den heutigen Online-Medien kann man die Auswirkungen des gestrigen Unwettertags nachlesen. Aber sind die Unwetter auch wie vorhergesagt aufgetreten? Wir schauen zurück auf die gestrigen Schwergewitter.

Für die Meteorologinnen und Meteorologen in der Wettervorhersage des Deutschen Wetterdienstes bedeutete der gestrige Mittwoch (04. Juni 2025) in jedem Fall viel Arbeit, denn die Wetterlage war nicht nur komplex. Insbesondere in Süddeutschland deutete sich auch eine Schwergewitterlage an. Aber der Reihe nach…

Wie gestaltete sich die Wetterlage?

Auf der Vorderseite eines umfangreichen Tiefdruckgebiets auf dem Nordostatlantik zwischen Island und Schottland wurde feucht-warme und energiereiche Luft in die Südosthälfte Deutschlands geführt. Im Grenzbereich zu dieser Subtropikluft und der von Westen einströmenden mäßig-warmen Atlantikluft bildete sich eine markante Luftmassengrenze aus, die durch Hebungsimpulse aktiviert und verstärkte wurde. Gleichzeitig sollte sich im östlichen Alpenvorland ein sogenanntes Leetief entwickeln, an dessen Nordflanke nochmal feuchtere und damit besonders energiegeladene Luft aus Osten nach Südbayern geführt werden würde. Insgesamt waren dort sowie in den angrenzenden Gebieten die Bedingungen für eine sogenannte "dynamische Gewitterlage" mit besonders starken und langlebigen Gewittersystemen gegeben. Denn die energiegeladene Luft wurde von starker Windscherung überlagert, also einer raschen Änderung von Windrichtung und -geschwindigkeit mit der Höhe.


Abb 1: DWD-Vorhersagekarte für den Bodendruck und die Luftmassengrenzen für Mittwoch, den 04. Juni 2025 (Quelle DWD - Deutscher Wetterdienst)
Abb 1: DWD-Vorhersagekarte für den Bodendruck und die Luftmassengrenzen für Mittwoch, den 04. Juni 2025 (Quelle DWD - Deutscher Wetterdienst)



Was simulierten die Wettermodelle?

Die Wettermodelle simulierten im Vorfeld am Montag und Dienstag zwei Gewitterschwerpunkte: Zum einen ein markanter Streifen von teils gewittrigen Starkregenfällen, der sich am Mittwochmorgen entlang der Luftmassengrenze von Frankreich ins Saarland und nach Rheinland-Pfalz schieben sollte. Im Verlauf wurde dieser durch die Hebungsimpulse verstärkt und produzierte schließlich kräftige, gut organisierte Gewitterzellen. Dabei waren durchaus auch unwetterartige Entwicklungen mit heftigem Starkregen und Hagel bis 3 Zentimeter möglich.

Zum anderen waren die Gewitterzutaten im Süden für eine ausgewachsene Schwergewitterlage gegeben. In der energiereichsten Luft in Süd- und Südostbayern sollten sich am Nachmittag zunächst isolierte Superzellen, also kleinräumige, aber sehr starke und langlebige Gewitterzellen bilden. In einige Modellberechnungen passten alle meteorologischen Parameter zusammen und das Potenzial der Gewitterlage wurde voll umgesetzt. In extrem stark rotierenden Superzellen war demnach Großhagel bis 5 oder gar 8 cm zu befürchten. Im weiteren Nachmittagsverlauf rechneten die Modelle einen nachfolgenden größeren Gewitterkomplex, teils sogar in Form einer ausgeprägten Gewitterlinie. Dabei sollten mit einer markanten Winddrehung von Ost auf West teilweise Böen bis Orkanstärke und heftiger Starkregen zwischen 20 und 40 Liter pro Quadratmeter in kürzester Zeit auftreten.


Abb 2: Grafische und schriftliche Vorhersage der schweren Gewitter am Mittwoch (Quelle DWD - Deutscher Wetterdienst)
Abb 2: Grafische und schriftliche Vorhersage der schweren Gewitter am Mittwoch (Quelle DWD - Deutscher Wetterdienst)



Was machte die Atmosphäre am Mittwoch schließlich daraus?

Im Laufe der Nacht zum Mittwoch griff bereits der schauerartige Regen auf den Südwesten und Westen über, blieb aber zumindest in Bezug auf die Gewittertätigkeit etwas hinter den Erwartungen zurück. Darüber hinaus zog im Laufe des Vormittags dichtere Bewölkung in den Süden Deutschlands ausgehend von Gewitterresten über der Schweiz. Dies behinderte die Sonneneinstrahlung. Die für den Aufbau hoher Energiewerte benötigte ungehinderte Einstrahlung blieb also aus bzw. setzte erst später ein. Damit konnte sich auch das Leetief nicht in der vorhergesagten Stärke entwickeln, sodass sich kaum Ostwind im Süden Bayerns durchsetzen konnte bzw. die Winddrehung auf West schon vor den Gewittern einsetzte. Das nahm der Gewitterlage, insbesondere der abends gerechneten Gewitterlinie mächtig Wind aus den Segeln. So ruderten die Wettermodell am Mittwoch im Tagesverlauf ein wenig zurück, die Prognosen wurden etwas abgemildert.


Abb 3: Vergleich des ICON-D2-Modelllaufs von Dienstagmittag und Mittagmittag zeigt, dass die Gewitterzellen im Vorlauf im Osten und Südosten deutlich stärker simuliert wurden (Quelle DWD - Deutscher Wetterdienst)
Abb 3: Vergleich des ICON-D2-Modelllaufs von Dienstagmittag und Mittagmittag zeigt, dass die Gewitterzellen im Vorlauf im Osten und Südosten deutlich stärker simuliert wurden (Quelle DWD - Deutscher Wetterdienst)



Dennoch bildeten sich am Nachmittag über der Schweiz und Ostfrankreich teils kräftige Gewitterzellen, die in der Folge auf den Südwesten übergriffen und sich zu einer Gewitterlinie formierten. Gleichzeitig entwickelten sich in deren Vorfeld über Bayern ebenfalls einzelne kräftigere Zellen. Letztere verbrauchten die ohnehin nicht in der befürchten Ausprägung vorhandene Energie, sodass der Gewitterlinie auf dem Weg nach Ostbayern schließlich "die Luft" bzw. die Energie ausging. In der Folge verclusterten die Gewitterlinie und die Gewitterzellen auf ihrem Weg nach Tschechien.


Abb 4: Animation der Radar-Reflektivität von Mittwoch, den 04. Juni 2025 zwischen 16 bis 23 Uhr MESZ (Quelle DWD - Deutscher Wetterdienst)
Abb 4: Animation der Radar-Reflektivität von Mittwoch, den 04. Juni 2025 zwischen 16 bis 23 Uhr MESZ (Quelle DWD - Deutscher Wetterdienst)



Welche Auswirkungen hatten die Unwetter?

Zwar blieb der vorhergesagte Großhagel von 8 Zentimeter aus, in Essenbach in Niederbayern wurden am Abend immerhin noch knapp 5 Zentimeter registriert. Auch anderorts ist die Rede von golfballgroßen Hagelkörnern. Knapp verpasst wurde hingegen der Osten Deutschlands. Dort bildeten sich am Abend im Zittauer Gebirge kräftige Gewitter, die aber rasch auf polnischen Boden abzogen. In der Folge wurden in Polen Hagelkörner mit Korngrößen von bis zu 6 Zentimeter registriert. Einigermaßen glimpflich ging es dagegen in München ab. Kurz nach 20 Uhr zog ein Gewitter mit Hagel von 1 bis 2 Zentimeter über die Allianz Arena hinweg, sodass das Aufwärmtraining des Nations-League-Halbfinales zwischen Deutschland und Portugal unterbrochen werden musste. Der Anpfiff verzögerte sich dadurch um zehn Minuten. Während das Fußballspiel also stattfand, wurde das Campusfest in Regensburg mit 12000 Besuchern am Nachmittag hingegen vorsorglich abgebrochen.

Starkregen wurde lokal eng begrenzt ebenfalls gemessen. In den radarbasierten Niederschlagsprodukten konnten durchaus auch unwetterartige Mengen über 25 Liter pro Quadratmeter detektiert werden. Zudem meldeten einige Feuerwehren Einsätze aufgrund vollgelaufener Keller oder überfluteter Unterführungen.

Auch die Böen blieben etwas hinter den Erwartungen zurück, wenngleich die Auswirkungen sicherlich ein etwas anderes Bild sprechen. Knapp südlich der Donau wurde im oberbayerischen Burgheim um 21 Uhr MESZ eine orkanartige Böe mit 104 km/h (Windstärke 11) gemessen. Zudem meldeten Feuerwehren mehrere Einsätze wegen umgestürzter Bäume. Auch ein Passagierflugzeug, das sich auf dem Weg von Berlin nach Mailand befand, kam aufgrund des Unwetters in Turbulenzen und musste kurzerhand außerplanmäßig in Memmingen eine Sicherheitslandung einleiten. An Bord wurden 8 Passagiere und ein Crew-Mitglied verletzt.

Auch in Erbach an der Donau und Donaustetten hinterließen die Gewitter deutliche Spuren. Dort wurden die Dächer mehrerer Reihenhäuser abgedeckt, sodass diese nicht mehr bewohnbar sind. Zudem wurde eine Straßenlaterne abgeknickt, ein Foto zeigt zurückgebliebene Stämme von Birken entlang einer Straße, deren komplette Baumkrone abgerissen wurde. Die Schäden zeigen bereits, welch extreme Böen hier am Werk waren. Aktuell wird vermutet, dass es sich dort um kleinräumig besonders starke Fallböen gehandelt haben könnte. Allerdings kann derzeit zumindest ein kurzlebiger Tornado auch nicht ausgeschlossen werden. Einzig eine Schadensanalyse vor Ort wird Aufschluss darüber geben können. Die Begutachtung und die abschließende Einschätzung werden wahrscheinlich in den nächsten Tagen erfolgen.

Als Fazit kann man festhalten, dass die Gewitterlage nicht ihr volles Potenzial ausschöpfen konnte, weil sich kurzfristig einzelne Parameter zu Ungunsten extremer Unwetter veränderten. Dennoch kam es lokal zu größeren Auswirkungen und Schäden, sodass die Warnungen im Vorfeld durchaus berechtigt waren, wenngleich das "Worst-Case-Szenario" mit 8 Zentimeter Großhagel glücklicherweise ausblieb.



© Deutscher Wetterdienst

Themenarchiv:

06.06. - Wie entsteht großer Hagel?

05.06. - Schwere Gewitter in Süddeutschland - Ein Rückblick

04.06. - Schwere Gewitterlage

03.06. - Deutschlandwetter im Frühjahr 2025

02.06. - Deutschlandwetter im Mai 2025

01.06. - Gewitternachlese

31.05. - Der Bergsturz von Blatten – Wenn die Alpen ins Rutschen geraten

30.05. - Starkregen, Hagel und einzelne Tornados: Ein Rückblick auf letzten Mittwoch

29.05. - Unwettergefahr am Wochenende

28.05. - Ausflug ins Weltraumwetter – Der aktuelle Sonnenzyklus 25

27.05. - Der Himmel ist bunt – Der Regenbogen

26.05. - Früher Monsun in Indien

25.05. - Vater(Männer)tag in Regenjacke?

24.05. - Unbeständige Witterungsphase

23.05. - Klimadiagramme

22.05. - Eröffnung eines Infopavillons am Meteorologischen Observatorium Hohenpeißenberg

21.05. - Der Wetterhahn

20.05. - Vor 12 Jahren: EF5-Tornado in Moore - der letzte seit mehr als einem Jahrzehnt

19.05. - Wetterwechsel ante portas

18.05. - Hitzesommer der Vergangenheit

17.05. - Im "Auge" des Tornados

16.05. - Regen - was war das nochmal?

15.05. - Anhaltende Trockenheit – Update und klimatologische Einordnung

14.05. - Aufgaben der Vorhersage- und Beratungszentrale – Teil 2

13.05. - Vor 10 Jahren: Zweiter Tornadoausbruch im "Unwetter-Mai" von 2015

12.05. - Was haben Eichenprozessionsspinner mit dem DWD zu tun?

11.05. - Viel Sonnenschein am Muttertag und zum Beginn der Eisheiligen

10.05. - Aufgaben der Vorhersage- und Beratungszentrale – Teil 1

09.05. - Persistente Hochdrucklage

08.05. - Sonne als Medizin