01:48 MESZ | 19.09.2025 Profi-Wetter| Mobile Seite| Kontakt| Impressum| Datenschutz
Facebook Twitter
Drucken
03. Juli 2024 | M.Sc. (Meteorologe) Sebastian Altnau

Wenn Druckgradienten die arktische Meereisbedeckung beeinflussen

Wenn Druckgradienten die arktische Meereisbedeckung beeinflussen

Datum 03.07.2024

Mit dem Fortschreiten des Sommerhalbjahres zieht sich das Meereis in den arktischen Breiten saisonal zurück. Welche Rolle spielen Luftdruckmuster bei einem durchaus ungleichverteilten Rückzug des Eises? Und wie entwickelt sich das Meereis in der winterlichen Antarktis nach dem Rekordminimum im vergangenen Jahr? Antworten liefern wir im heutigen Thema des Tages.

Der letzte Blick auf die Meeresbedeckung rund um die Polregionen liegt an dieser Stelle schon etwas zurück. Zeitlich gesehen näher wir uns Anfang Juli schon langsam der Mitte des nordhemisphärischen Sommer- und südhemisphärischen Winterhalbjahres an.

Zunächst schauen wir auf die Entwicklung in Arktis in den letzten Monaten. Am 13. März 2024 erreichte das arktische Meereis mit 15,12 Millionen Quadratkilometern seine maximale winterliche Ausdehnung in diesem Jahr. Dieser Wert war der vierzehntniedrigste seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen im Jahr 1979. Nach dem Höchststand der Meereisausdehnung trat das Eis in der zweiten Märzhälfte zunächst nur langsam den Rückzug an. Verantwortlich dafür zeichnete sich das vorherrschende atmosphärische Zirkulationsmuster im März 2024. Dieses war gekennzeichnet durch einen starken Druckgradienten (hoher Druck bei Grönland steht niedrigem Druck über West- und Nordosteuropa gegenüber) über der Framstraße östlich von Grönland (siehe Abbildung 1). Aus dieser Konstellation resultierten starke Winde aus nördlichen Richtungen, womit ein reger Meereisexport aus der Arktis nach Süden begünstig wurde, sodass eine relativ hohe Flächenausdehnung über den arktischen Gewässern erhalten blieb.


Druckanomalie auf Meeresspiegelniveau und mittlere Windvektoren in der Arktis im März 2024 (Quelle www.meereisportal.de (Datenquelle: NOAA/ESRL) )
Druckanomalie auf Meeresspiegelniveau und mittlere Windvektoren in der Arktis im März 2024 (Quelle www.meereisportal.de (Datenquelle: NOAA/ESRL) )


Die Meereisverluste im April und Mai lagen insgesamt im Bereich des langjährigen Durchschnitts, wobei die größten Verluste im April im Beringmeer und im Ochotskischen Meer zu verzeichnen waren. Der Mai war vor allem durch eine ungewöhnlich frühe Öffnung der östlichen Hudson Bay gekennzeichnet. Ursächlich dafür dürfte die Luftdruckverteilung im Mai gewesen sein. Hoher Druck über dem kanadischen Archipel stand niedrigerem Druck südlich davon gegenüber. Dies bedingte vermehrt östliche Winde über der Hudson Bay, die das Meereis nach Westen drückten (siehe Abbildung 2).


Druckanomalie auf Meeresspiegelniveau und mittlere Windvektoren in der Arktis im Mai 2024 (Quelle www.meereisportal.de (Datenquelle: NOAA/ESRL) )
Druckanomalie auf Meeresspiegelniveau und mittlere Windvektoren in der Arktis im Mai 2024 (Quelle www.meereisportal.de (Datenquelle: NOAA/ESRL) )


Einschließlich des Mai 2024 beträgt der lineare Abwärtstrend der arktischen Meereisausdehnung für den Monat Mai 31.000 Quadratkilometer pro Jahr bzw. 2,3 Prozent pro Jahrzehnt im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 1981 bis 2010. Basierend auf dem linearen Trend seit 1979 hat der Mai 1,61 Millionen Quadratkilometer an Meereis eingebüßt, was in etwa der Größe von Alaska entspricht. Im Juni 2024 war vor allem in der ersten und dritten Dekade eine Beschleunigung des Meereisrückganges zu verzeichnen, während in der Monatsmitte der Eisverlust etwas langsamer von statten ging. Zum aktuellen Zeitpunkt beträgt die Meereisausdehnung 9,62 Millionen Quadratkilometer (01.07.2024). Visuell zeigt die folgende Animation den Meereisrückgang seit dem jahreszeitlichen Maximum Mitte März.


Animation der Meereiskonzentration in der Arktis seit dem 13.03.2024 (Quelle www.meereisportal.de )
Animation der Meereiskonzentration in der Arktis seit dem 13.03.2024 (Quelle www.meereisportal.de )


Von der Arktis legen wir nun gedanklich eine weite Strecke zur Antarktis zurück. Dort schreitet das Wachstum mit dem australischen Winter voran. Im Mai und Juni war die Wachstumsrate im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 1981 bis 2010 zwar langsam, aber immer noch viel schneller als im zurückliegenden negativen Rekordjahr 2023. Am 1. Juli betrug die antarktische Meereisausdehnung 13,12 Millionen Quadratkilometer, was 1,75 Millionen Quadratkilometer unter dem Durchschnitt der Jahre 1981 bis 2010 aber deutlich über der für den 01. Juli 2023 gemessenen Ausdehnung von 12,57 Millionen Quadratkilometern liegt.


Tagesaktuelle Meereiskonzentration in der Antarktis vom 01.07.2024. (Quelle www.meereisportal.de )
Tagesaktuelle Meereiskonzentration in der Antarktis vom 01.07.2024. (Quelle www.meereisportal.de )


Die Eiskante im Mai und Juni lag viel weiter südlich (unter der durchschnittlichen Ausdehnung) im östlichen Rossmeer-Sektor und der Amundsen-See sowie nördlich von Dronning Maud Land. Im Weddellmeer und unmittelbar westlich des Rossmeeres war die Ausdehnung höher (weiter nördlich) als im Durchschnitt. Dies hat zu einem ungewöhnlich asymmetrischen Ausdehnungsmuster um den antarktischen Kontinent geführt.

Das Negativrekordjahr 2023 beschäftigt derweil weiterhin die Wissenschaft. Eine kürzlich veröffentlichte Studie untersuchte das extrem niedrige antarktische Wintermaximum des vergangenen Jahres anhand von Modelldaten. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass ein solches Ereignis ohne Klimaerwärmung äußerst unwahrscheinlich ist. Wird der Treibhausgasantrieb mit einbezogen, wird das Ereignis wahrscheinlicher, ist aber immer noch selten. Die Modelle deuten darauf hin, dass es nach einem solchen extremen Tiefpunkt zu einer gewissen Erholung kommt, die in der Regel im folgenden Jahrzehnt eintritt, aber zu einer neuen, niedrigeren langfristigen durchschnittlichen Ausdehnung führt.



© Deutscher Wetterdienst

Themenarchiv:

18.09. - Tornadoforschung in Deutschland - Früher und heute

17.09. - Der Okeechobee-Hurrikan 1928

16.09. - Düsen und Leitplanken

15.09. - Vom Frühherbst zum Spätsommer

14.09. - Ungewöhnlich ruhiger tropischer Atlantik!

13.09. - Vorbereitung ist die halbe Miete

12.09. - Pilz-Saison erreicht ihren Höhepunkt

11.09. - Das Erntejahr 2025 und seine meteorologischen Hintergründe

10.09. - Rückblick auf die teils extremen Niederschläge im Westen Deutschlands

09.09. - Bundesweiter Warntag

08.09. - Intensive Regenfälle über dem Westen Deutschlands

07.09. - Golf von Panama: Saisonale Meeresströmung fast vollständig ausgeblieben

06.09. - Der Spätsommer am Wochenende auf Stippvisite, ab der neuen Woche droht wieder meteorologisches Unheil.

05.09. - Unwetter gestern Abend

04.09. - Schwere Gewitter und Starkregen im Anmarsch

03.09. - Deutschlandwetter im Sommer 2025

02.09. - Deutschlandwetter im August 2025

01.09. - Der September - ein verkappter Sommermonat?

31.08. - Übergang in den Herbst?

30.08. - Fliegende Instrumente

29.08. - Eine Reise in die Great Plains

28.08. - Tropisch oder nicht, das ist hier die Frage! - Teil 2

27.08. - Erst sommerlich, dann regnerisch

26.08. - Tropisch oder nicht, das ist hier die Frage! - Teil 1

25.08. - Der Landgang eines Tropensturms

24.08. - Ein letztes Aufbäumen des Hochsommers

23.08. - Hoch "Mareike" sorgt für ruhiges Wetter

22.08. - Die Gänseblümchenwelt - Teil 2

21.08. - Der Gänseblümchenplanet - Teil 1

20.08. - Akklimatisierung - der Schlüssel beim Höhenbergsteigen