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01. September 2015 | M.Sc.-Met. Anna Wieczorek

Medicanes - die Hurrikane des Mittelmeeres?

Medicanes - die Hurrikane des Mittelmeeres?

Datum 01.09.2015

Wie die Überschrift vermuten lässt, können im Mittelmeer Wirbelstürme entstehen. Doch wie entstehen sie? Weisen sie die gleichen Merkmale wie tropische Wirbelstürme auf oder gibt es doch gravierende Unterschiede?

Wie im gestrigen Thema des Tages (31.08.2015) angesprochen, "steppt vor allem im Herbst der Bär im Mittelmeer". Besonders dann treten im Mittelmeerraum Tiefdruckgebiete auf, die mit heftigen Starkniederschlägen ein hohes Schadenspotential aufweisen (High Impact Weather). Einige wenige dieser Tiefdruckgebiete sind sogenannte Medicanes (pl., Wortschöpfung aus dem Englischen: medi(terranean) und (Hurri)cane), die ähnliche Strukturen wie ein tropischer Wirbelsturm bzw. Hurrikan besitzen.


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Diese Art von Tiefdruckgebieten entsteht meist dann, wenn kalte Luft aus den gemäßigten Breiten in Richtung Äquator fließt. Zeitgleich lässt sich in der mittleren und oberen Troposphäre über dem Mittelmeer die Entstehung eines sogenannten "Cut-Off"-Tiefs beobachten (weitere Informationen hierzu unter http://www.dwd.de/lexikon).

Ähnlich wie bei der Entstehung von Hurrikans über dem Atlantik sind die warmen Wassertemperaturen des Mittelmeeres (> 24°C) auch noch im Herbst ein "optimaler" Energielieferant. Fließt nun die kalte Luft über das warme Mittelmeer, wird die Entwicklung hochreichender Quellwolken durch die verstärkte Temperaturabnahme mit der Höhe begünstigt und organisierte, teils sehr kräftige Gewittersysteme können entstehen. Die Gewitter werden dann häufig von Starkregen begleitet, die durchaus, aber selten Niederschlagsmengen bis 500 l/qm an einem Tag bringen.

Da in den unteren Schichten ständig warme Luft aufsteigt, entsteht am Boden ein Druckminimum und es muss Luft aus der Umgebung "nachgeführt" werden, die um das Tief bekanntermaßen gegen den Uhrzeigersinn fließt. Wenn der Luftdruck stark genug fällt und somit die Rotationsgeschwindigkeit zunimmt, lässt sich manchmal ein wolkenfreies "Auge" im Tiefkern erkennen, dass durch die dort absinkenden Luftmassen verursacht wird. Des Weiteren weist das "Auge" durch das dortige Absinken, wie bei Hurrikans auch, einen warmen Kern auf.

Die Medicanes werden, angelehnt an die Saffir-Simpson-Skala für tropische Wirbelstürme, wie folgt kategorisiert: "Mediterranean Tropical Depression" (unter 63 km/h), "Mediterranean Tropical Storm" (64 bis 111 km/h) und "Medicane" oder "mediterraner Hurrikan" (ab 112 km/h). Die mittleren Windgeschwindigkeiten von mehr als 119 km/h (Hurrikankriterium) werden aber selten erreicht.

Zwar ähneln sich Medicanes und Hurrikans in vielen Gesichtspunkten, aber es gibt auch gravierende Unterschiede. In der Entwicklung von Medicanes spielt der dynamische Antrieb die wichtigste Rolle, erst bei der Intensivierung wird zunehmend die Meerestemperatur entscheidend. Auch die Eigenschaften bzw. Merkmalen eines Medicanes unterscheiden sich teilweise von denen eines Hurrikans. Beispielsweise erreichen die Medicanes meist nur einen Durchmesser von maximal 300 km und besitzen eine geringere Lebensdauer von ca. 48 Stunden. Außerdem ist der warme Kern bei Medicanes meist nur in der unteren Troposphäre ausgeprägt und wird manchmal sogar von einem kalten Kern überlagert. Auch das Auftreten der Windmaxima unterscheidet sich stark: Während bei tropischen Wirbelstürmen die höchsten Windgeschwindigkeiten in der Nähe des "Auges" auftreten, werden bei Medicanes diese weiter entfernt in den spiralförmig angeordneten Gewittersystemen registriert.

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Der letzte Medicane wurde am 7. November 2014 südlich von Sizilien registriert. Oben zeigt ein Satellitenbild von EUMETSAT (12 UTC) das "Auge" von Medicane Qendresa. Wann der nächste Medicane entsteht, lässt sich bisher noch nicht vorhersagen. Zwar kommt es bis zum Wochenende zu einem Kaltluftvorstoß bis zum Mittelmeer, die kalte Luft gelangt aber nur geradeso bis zum Ligurischen Meer und zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich auch keine Entstehung eines Cut-Off Tiefs erkennen. Bleibt also abzuwarten, was der Herbst noch so im Mittelmeer bringt.



© Deutscher Wetterdienst

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