ERIN hatte sich am Samstagabend zwischenzeitlich zu einem Hurrikan der höchsten Kategorie 5 entwickelt (siehe Thema des Tages vom 17.08.2025). Der Hurrikan befindet sich in leicht abgeschwächter Form aktuell mit seinem Zentrum nördlich der Dominikanischen Republik und wird in den kommenden Tagen zunächst seinen nordwestlichen bis nördlichen Kurs beibehalten. Dabei bleibt seine Intensität zunächst nahezu unverändert. Glücklicherweise wird er aber über dem Meer bleiben und dabei nur einzelne Inselgruppen am Rande beeinflussen. Südöstlich von Neufundland wird ERIN voraussichtlich zu Beginn des kommenden Wochenendes die Transformation von einem tropischen Wirbelsturm in eine extratropische Zyklone vollziehen.


Grund dafür sind vor allem die deutlich geringeren Wassertemperaturen des nördlichen Nordatlantiks. Während die Meeresoberflächentemperaturen im tropischen Nordatlantik teils bei über 28 Grad liegen, sind es auf dem nördlichen Nordatlantik südöstlich von Neufundland lediglich noch um oder knapp über 20 Grad. Damit wird dem Hurrikan die Hauptenergiequelle mehr und mehr entzogen. Gleichzeitig gelangt der Sturm in eine Umgebung mit einer erhöhten vertikalen Windscherung. Dies zerstört die symmetrische Struktur des Wirbelsturms und führt zu einer Kappung der Energieflüsse vom Ozean. Dadurch wird sich Erin zum kommenden Wochenende hin nicht nur abschwächen, sondern er wird auch sein Aussehen auf dem Satellitenbild deutlich verändern.
Erreicht der Hurrikan den nördlichen Nordatlantik wird er in die Westwindzone integriert. Dabei findet eine Interaktion mit dem Jetstream statt. In einem Wirbelsturm werden große Mengen an latenter Wärme freigesetzt. Diese Wärmeenergie kann östlich des ehemaligen Hurrikans die großräumige Strömungskonfiguration beeinflussen und gegebenenfalls über Europa einen Höhenrücken verstärken. Damit wird ERIN auch Einfluss auf unser Wettergeschehen nehmen. Allerdings sind die Wechselwirkungen wissenschaftlich noch nicht vollständig verstanden, sodass sich die Wettervorhersage für den mittelfristigen Zeitraum als sehr schwierig gestaltet.
Außerdem könnte sich Ex Hurrikan ERIN nach einer kurzen Abschwächung und der Aufnahme in die Westwindzone wieder intensivieren und als außertropisches Sturmtief oder gar Orkantief Westeuropa beeinflussen. Dabei müsste ERIN in eine günstige Position auf die Vorderseite eines Höhentroges gelangen. Da allerdings auch die Zugbahn von tropischen Wirbelstürmen mit Unsicherheiten verbunden ist, kann das aus heutiger Sicht noch nicht vorhergesagt werden. Es ist aber durchaus möglich, dass sich ERIN als Ex-Hurrikan zu Beginn der kommenden Woche in Westeuropa durch Sturm und kräftige Regenfälle bemerkbar macht. Gerade das Potenzial für kräftige Regenfälle ist in einem ehemaligen Hurrikan kurz nach der Transformation zu einem außertropischen Tief aufgrund seiner immer noch vorhandenen Luftmasse tropischen Ursprungs im Vergleich zu normalen winterlichen Sturmtiefs erhöht.
Dieser mögliche Ex-Hurrikan ist allerdings nicht mehr vergleichbar mit einem ausgewachsenen starken Hurrikan. Ex Hurrikan ERIN wäre durch deutlich geringe Windgeschwindigkeiten gekennzeichnet. Außerdem hätte er im Vergleich zu einem durchschnittlichen Hurrikan eine deutlich größere Ausdehnung und würde klar definierte Frontensysteme aufweisen.
Zudem wäre es ebenfalls möglich, dass ERIN bei seiner Transformation zu einem außertropischen Tief durch den Übertrag von Wärme- und Bewegungsenergie stromabwärts Rossbywellen nicht nur modifizieren, sondern diese auch brechen kann. Dies könnte über Europa blockierenden Wetterlagen führen.
Die mittelfristige Wetterentwicklung auf dem europäischen Kontinent gestaltet also äußerst spannend. Die zunehmende Unsicherheit der Modellwelt zeigt sich auch in der mittelfristigen Ensemblevorhersage des ECMWF. Während die Vorhersage bis einschließlich des kommenden Wochenendes recht sicher ist, divergieren zu Beginn der kommenden Woche die einzelnen Modellösungen stark. Somit ist die wechselhafte und zum Wochenende auch deutlich kühlere Wetterphase so gut wie eingetütet, während die Vorhersage ab der kommenden Woche noch sehr unsicher ist!

