25. April 2014 | Dipl.-Met. Adrian Leyser
"Jetzt muss die rote Karte gezogen werden"
Ein feuchter und warmer Apriltag in Deutschland: Es herrscht eine gewisse Anspannung in den Vorhersage- und Regionalzentralen des Deutschen Wetterdienstes. Die diensthabenden Meteorologen erwarten für den Nachmittag kräftige Gewitter.


Nach Durchsicht der Wettermodelle schließt man auf ein recht hohes Potenzial für unwetterartige Gewitter mit Starkregen und Hagel im Vorhersagegebiet. Mehr als eine Wahrscheinlichkeitsangabe für das Eintreffen dieser Gewitter kann den Meteorologen nicht entlockt werden. Unklar ist auch, ob eine Unwetterwarnung wirklich vonnöten sein wird. In den frühen Nachmittagsstunden bilden sich schließlich die ersten Gewitter mit zunehmender Intensität. "Jetzt muss die rote Karte gezogen werden" schallt es wenig später vom Arbeitsplatz, an dem der für den Warndienst zuständige Meteorologe die Wetterlage überwacht. Wenige Minuten darauf erscheint ein rot eingefärbtes Gebiet in der Warnkarte des DWD - eine Unwetterwarnung vor schweren Gewittern wurde herausgegeben.
Warum hält es der Meteorologe für notwendig, eine Unwetterwarnung
herauszugeben? Welche Hilfsmittel nutzt er, um seine
Entscheidungsfindung voranzutreiben?
Bevor der Meteorologe den Schichtdienst von seinem Vorgänger
übernimmt, arbeitet er sich in die Wetterlage ein, interpretiert die
Prognosen der Wettermodelle, vor allem hinsichtlich möglicher,
warnrelevanter Wetterereignisse. In Teamarbeit wird dann eine Art
"Fahrplan" erstellt, wie wahrscheinlich warnwürdige Ereignisse in
naher Zukunft erscheinen. Den Fahrplan findet man in den
Warnlageberichten wieder. Wann, wo und in welcher Ausprägung solche
Ereignisse auftreten, ist insbesondere bei Gewittern häufig nur sehr
zeitnah zu entscheiden. Dieser kurze, meist nur 1 bis 3 Stunden lange
Vorhersagebereich wird auch als "Nowcasting" bezeichnet. Zunächst
richtet der Meteorologe seinen Blick auf das ständig aktualisierte
Satellitenbild. Von diesem aus dem Weltraum aufgenommenen Bild
erkennt er, wo beispielsweise Quellwolken in die Höhe schießen. Ein
erstes wichtiges Indiz für ein mögliches Gewitter. Ein weiteres
Hilfsmittel bei der zeitnahen Vorhersage von Gewittern ist das
Niederschlagsradar. Hier kann der Meteorologe abschätzen, ob und wie
viel Niederschlag bereits aus den Wolken fällt und wohin sich das
Niederschlagsfeld verlagert. Schauer und Gewitter fallen zum Beispiel
durch punktuell sehr hohe Niederschlagsintensitäten auf. Aus dem
Bild, was das Niederschlagsradar liefert, lassen sich aber noch eine
Vielzahl weiterer Informationen ableiten, was den Rahmen dieses
Artikels allerdings sprengen würde.
Das entscheidende Werkzeug bei der Detektion von Gewittern ist jedoch
die Blitzortung. Kommt es in der Atmosphäre zu elektrischen
Entladungen, also zu Blitzen, dann werden sie dem Meteorologen in
einer Karte in Sekundenschnelle dargestellt. Spätestens dann, im
Idealfall aber schon vorher, ist mindestens eine "gelbe Warnung" vor
Gewittern notwendig.
Die Hinweise, die sich der Meteorologe mit Hilfe der zuvor erwähnten
Werkzeuge erarbeitet, stellen zusammen mit einer Vielfalt an
verschiedenen Wettermeldungen, Messungen und den Erkenntnissen aus
den Wettermodellen eine gewaltige Ansammlung an Informationen dar.
Für die Bewältigung dieser Informationsflut ist es von Vorteil, dass
der Meteorologe eine hohe fachliche Kompetenz und ein großes Maß an
Erfahrung mitbringt. In unserem Beispiel muss nun auf Grundlage all
dieser Informationen in kurzer Zeit entschieden werden, ob eine
Unwetterwarnung aufgrund eines zu erwartenden schweren Gewitters
notwendig wird. Ist der Meteorologe der Auffassung, dass mindestens
eine der begleitenden Wettererscheinungen (Starkregen, Hagel oder
Sturmböen) das entsprechende Unwetterkriterium des DWD erfüllt, dann
veröffentlicht er eine individuelle, zu dem Ereignis passende
Unwetterwarnung: es wird "die rote Karte gezogen".
© Deutscher Wetterdienst
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