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30. Juli 2021 | Dipl.-Met. Christian Herold

Superzelle legt über 700 km zurück

Superzelle legt über 700 km zurück

Datum 30.07.2021

Der Süden Bayerns wurde in der vergangenen Woche von heftigen Unwettern heimgesucht. Einige dieser kräftigen Gewitter waren Superzellen. Am Mittwoch zog eine dieser Superzellen von Oberbayern bis in die Hohe Tatra und richtete auf ihrem Weg größeren Schaden an.

Die Region nördlich des Alpenrands wurde in der letzten Woche von zahlreichen Unwettern geplagt. Die meisten dieser Unwetter gingen dabei auf einen speziellen Gewittertyp, die Superzelle zurück. Das besondere an Superzellen ist ihr beständig rotierender Aufwindbereich, der bei normalen Einzel- oder Multizellen so nicht zu finden ist. Darin liegt auch ihre besondere Heftigkeit und ihre Langlebigkeit begründet. Denn ein Gewitter benötigt einen warmen und möglichst feuchten Aufwind. Da wärmere Luft leichter ist (eine geringere Dichte hat) als kalte Luft, steigt in diesem Aufwindbereich warme Luft nach dem Archimedisches Prinzip auf und erhält das Gewitter am "Leben". Irgendwann im Reifestadium des Gewitters produziert es Regen oder auch Hagel, der zunehmend zum Problem für das Gewitter wird. Der ausfallende Regen oder Hagel kühlt die Luft in seiner Umgebung durch Verdunstung bzw. Schmelzen ab, sodass auf der Rückseite des Gewitters ein kalter Abwind entsteht. Die kalte Luft breitet sich dann am Boden aus und kappt den für das Gewitter notwendigen warmen Aufwind. Bei einer Superzelle bleiben durch die Rotation des Gewitters Auf- und Abwindbereich ständig getrennt, sodass der Zustrom von warmer Luft, der die Gewitterzelle mit Energie versorgt, nahezu durchgängig aufrechterhalten wird. Dies erklärt die Langlebigkeit und die Heftigkeit von Superzellen. So sind Orkanböen durch kräftige Fallwinde und heftiger Starkregen keine Seltenheit. Nahezu alle großen Hagelereignisse stehen im Zusammenhang mit Superzellen. Des Weiteren bildet die Rotation die Grundlage für Tornados. Mehr zur Dynamik und Struktur von Superzellen finden Sie im Thema des Tages vom 14.07.2019 (https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2019/7/14.html). Typische Zugbahnen von Gewitterzellen am Alpenrand sind im Thema des Tages vom 27.06.2021 beschrieben (https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/6/27.html). Am Mittwoch den 28.07. entstand erneut eine Superzelle im Alpenvorland, doch dieses Mal nördlich von Rosenheim. Sie zog rasch ostwärts und richtete teils schwere Schäden im Chiemgau an. Orkanböen deckten Dächer ab, Bäume wurden entwurzelt, durch heftigen Starkregen liefen Keller voll und örtlich gab es Ansammlungen von Hagelmassen.


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Die Zelle zog weiter nach Oberösterreich, wo sie sich nochmals verstärkte, Dächer und Häuser beschädigte und große Agrarflächen zerstörte. Danach zog sie nach Wien und erreichte am Abend die Slowakei. Erst in der Nacht löste sie sich östlich der Hohen Tatra auf. In 13 Stunden legte sie dabei eine Strecke von über 700 km zurück und gehört somit zu den langlebigsten Sperrzellen der vergangenen Jahre. Die Abbildung zeigt die Blitzspur von Mittwoch 09:00 bis Donnerstag 01:00 UTC. Deutlich lässt sich die Zugbahn erkennen. Der Grund für die lange Lebensdauer waren die guten Bedingungen, die die Zelle vorgefunden hat. Neben schwülwarmer und energiereicher Mittelmeerluft, gab es in den betroffenen Regionen eine sehr große Windscherung. Als Windscherung bezeichnet man die Änderung der Windgeschwindigkeit mit der Höhe. Diese ist maßgeblich für die Rotation in Superzellen verantwortlich.

Dieses Jahr treten Superzellen vom Alpenrand über Nordösterreich bzw. in Südtschechien ungewöhnlich häufig auf. Ursache dafür war eine besondere Wetterlage, bei der Tiefdruckgebiete immer wieder nach Westeuropa zogen. Mitteleuropa lag dabei am Rand dieser Tiefdruckgebiete auf der Vorderseite, wobei die betroffenen Regionen mit sehr warmer und besonders feuchter Mittelmeerluft versorgt wurden. Gleichzeitig stellten diese Tiefs die benötige Windscherung bereit. Der Alpenrand ist für die Entstehung von Superzellen besonders prädestiniert, da sich dort durch Überströmung der Alpen oft ein Leetief bildet. Dadurch dreht der Bodenwind, wie auch am Mittwoch geschehen, nochmals auf Ost, während in der Höhe Südwestwind vorherrscht. Somit wird die Windscherung deutlich erhöht. Wie geht es mit den Gewittern bei uns weiter? In der Nacht zum Samstag gibt es im Süden nochmal lokale Unwetter. Dann ändert sich die Wetterlage. Der Tiefschwerpunkt verlagert sich nach Skandinavien, wobei auch im Süden kühlere Luft einfließt. Was Schwergewitter angeht, stellt sich zunächst ein etwas ruhigerer Witterungsabschnitt ein.



© Deutscher Wetterdienst

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