Facebook Twitter
Drucken
17. Juni 2021 | Dipl.-Met. Marcus Beyer

Von negativen Energien und Kochtopfdeckeln

Von negativen Energien und Kochtopfdeckeln

Datum 17.06.2021

Nicht selten ist viel Energie in der Atmosphäre vorhanden und trotzdem entstehen keine Gewitter oder nur punktuell über dem Bergland. Warum ist das so?

In diesen Tagen ist der Hochsommer in Deutschland angekommen. Bei Spitzenwerten bis 37 Grad herrscht vielerorts eine starke Wärmebelastung. Wenn es heiß ist, kommt vielen Menschen auch direkt die Frage nach möglichen Gewittern in den Sinn. Wie wir an die Gewittervorhersage im DWD mit Hilfe der sogenannten Zutatenmethode herangehen, wurde bereits im Thema des Tages vom 09.05.2021 erläutert (https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/5/9.html). Heute soll es ganz konkret um die Frage der Gewitterauslöse gehen.


Zum Vergrößern bitte klicken
Zum Vergrößern bitte klicken


Beginnen wir mit einer Sache, die sich jeder gut vorstellen kann: Ob bei Geburtstagen, Hochzeiten oder Geschäftseröffnungen. Mit Helium gefüllte Luftballons sind da ein gern genommenes Utensil. Lässt man die Ballons los, dann steigen sie nach oben, weil Helium eine geringere Dichte als Luft hat und somit leichter ist.

Die Dichte der Luft selbst ist nicht überall gleich. Die Luftdichte hängt von der Temperatur und vom Gehalt an Wasserdampf ab. So ist trockene Luft schwerer als feuchte Luft oder kalte schwerer als warme Luft.

Kommen wir zurück zu unserem Ballon und füllen diesen mit Luft die eine Temperatur und Feuchte wie am Boden aufweist. Der Einfachheit halber nennen wir den Ballon "Luftpaket". Dann muss man noch wissen, dass sich die Temperatur in der Atmosphäre ändert. In aller Regel nimmt die Temperatur mal mehr, mal weniger stark mit der Höhe ab. Geben wir ihr den Namen "Umgebungsluft".

Wenn wir das Luftpaket nun starten lassen, dann ändern sich die Eigenschaften der Umgebungsluft. Für ein weiteres (fortwährendes) Aufsteigen des Pakets ist es erforderlich, dass es leichter ist, also eine geringere Dichte aufweist. Das kann man vereinfacht mit der Temperatur betrachten. Ist das Luftpaket wärmer als die Umgebungsluft, kann es weiter aufsteigen. Beim Aufstieg nimmt seine Temperatur fortwährend mit einer bestimmten Abkühlungsrate ab. Diese Rate wird definiert über die Temperaturgradienten. Trockene Luft kühlt dabei schneller als feuchte Luft ab. Die Umgebungsluft ist hingegen nicht an eine bestimmte Abkühlungsrate gebunden. Sie definiert sich über die Bedingungen der vorhandenen Luftmasse.

Warum muss man das jetzt alles wissen? Damit sich (Gewitter-)Wolken und Niederschlag bilden ist es erforderlich, dass es diese aufsteigenden Luftpakete gibt. Ein Paket steigt auf und kühlt sich dabei ab. Solange es aber weiter wärmer als seine Umgebung ist, setzt sich sein Aufstieg beschleunigend fort. Die resultierende Stärke dieses Aufwindes definieren wir mit einer Energie, dem CAPE (convective available potential energy). Je höher diese Energie ist, desto kräftiger können die Aufwinde und damit auch die Gewitter ausfallen.

Im Namen steckt aber auch schon das Wort "Potential". Das heißt es handelt sich um eine Energie, die "potentiell" verfügbar ist. Es kann somit also auch sein, dass die Gewitter diese Energie gar nicht nutzen können. Zurück zu unserem Luftpaket. Es kann ja durchaus passieren, dass dieses gerade im unteren Atmosphärenbereich kälter als die Umgebungsluft ist. Dann ist es auch schwerer und kann folglich nicht bis zu dem Bereich aufsteigen, wo die "schöne" für die Gewitter relevante Energie liegt. Auch dafür lässt sich eine Energie definieren, das sogenannte CIN (convective inhibition). Dabei steht inhibition für "Hemmung". Es handelt sich also definitionsgemäß um eine negative Energie. Bildlich kann man sich dies als den Deckel auf dem "Gewitterkochtopf" vorstellen, der erst einmal gebrochen bzw. entfernt werden muss, bevor sich die Gewitter entwickeln und das Potential nutzen können.

Aber wie kann der Deckel eigentlich gebrochen werden? Dafür brauchen wir die Zutat Hebung. Wie im vergangenen Thema des Tages beschrieben, können das zum Beispiel Fronten oder Windkonvergenzen sein, oder wenn nichts vorhanden ist, auch die Orografie. Wichtig ist dabei nur, dass der Deckel nicht all zu festsitzt, denn sonst kann auch die Hebung nicht mehr helfen.

Auch heute stehen wir vor der Problematik, dass im Westen zwar viel CAPE da ist, aber eben auch etwas CIN. Gleichzeitig mangelt es aber an Hebung um den Deckel zu durchbrechen. Folglich kann die Energie kaum genutzt werden. Ganz vereinzelt ist es aber nicht ausgeschlossen, dass sich am späten Nachmittag und Abend mal ein Gewitter entwickelt, dass dann auch kräftig ausfallen kann. Morgen kommt die gedeckelte, energiereiche Luftmasse weiter ostwärts voran. Dann sind Signale für Hebung auch besser vorhanden. Die Luftpakete können also häufiger den Deckel durchbrechen und es muss in einigen Regionen mit Schwergewittern gerechnet werden. Alle Details dazu können Sie über unsere sozialen Kanäle und den Internetauftritt sowie mit der WarnwetterApp verfolgen.



© Deutscher Wetterdienst