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07. November 2018 | Dipl.-Met. Julia Fruntke

"Der Leuchtturm von Catatumbo"

"Der Leuchtturm von Catatumbo"

Datum 07.11.2018

An über 200 Tagen bzw. Nächten im Jahr entstehen über dem Maracaibo See in Venezuela Gewitter. Ein Traum für Gewitterliebhaber, halten diese doch über mehrere Stunden an. Spezielle meteorologische Bedingungen führen dazu, dass sich genau dort diese hochreichende Konvektion abspielt. Genaueres erfahren Sie heute im Thema des Tages.

Gewitter und ihre elektrischen Entladungen ziehen viele von uns Vorhersagemeteorologen in der Zentrale des Deutschen Wetterdienstes in ihren Bann. Hier im Rhein-Main-Gebiet treten solch blitzintensive und ansehnliche Gewitter, wie auf dem Bild zu sehen (Quelle: Ingo Bertram Photography), eher selten auf. Im Unterschied dazu gibt es Orte auf der Welt, an denen es an über 200 Nächten im Jahr gewittert. Eine dieser Regionen liegt südwestlich des Maracaibo Sees in Venezuela. Dort bilden sich häufig sehr beständige Gewitter, wodurch ebenda die weltweit höchste Blitzrate verzeichnet wird. Das Phänomen wird u.a. als "Leuchturm von Catatumbo" bezeichnet. Der Catatumbo ist ein Zufluss des Maracaibo Sees, der in dieser gewitterträchtigen Region liegt. Es ranken sich zahlreiche Geschichten um den "Leuchtturm von Catatumbo", blitzt es im Zuge der Gewitter doch zum Teil über neun Stunden lang. Aber welche meteorologischen Bedingungen liegen diesem Phänomen zugrunde?


Zum Vergrößern bitte klicken
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Der Maracaibo See befindet sich im Nordwesten von Venezuela in einem Tal, eingebettet zwischen den nördlichsten Ausläufern der Anden. Fast das gesamte Jahr über herrschen im See relativ hohe Wassertemperaturen zwischen 28 und 31 Grad mit einem Maximum im September. Das warme Wasser stellt eine exzellente Quelle von Wärme und Feuchte für Konvektion dar. Zudem liegt der See in der ITCZ, der Innertropischen Konvergenzzone. Also jener Tiefdruckrinne in der Nähe des Äquators, die sich durch ein stetiges Aufsteigen von Luftmassen auszeichnet. Dadurch bilden sich in dieser Region besonders am Nachmittag häufig Schauer und Gewitter. Des Weiteren sorgen spezielle Effekte wie Berg-Tal-Winde oder Land-See-Winde für ein Zusammenströmen der Luft über dem Maracaibo See bzw. in seiner Umgebung. All diese Zutaten machen den See zu einem idealen Ort für die Gewitterentwicklung, wobei die Entstehung tags wie nachts möglich ist. Ein Maximum gibt es jedoch zwischen 19 Uhr abends und 4 Uhr früh mit einer Blitzrate von durchschnittlich 28 Blitzen pro Minute. Tagsüber erwärmt sich das Land durch die Sonneneinstrahlung stärker als das Wasser im See, wodurch eine Land-See-Windzirkulation angefacht wird. Über dem Land steigt die Luft auf, während sie über dem See absinkt. Darüber hinaus erwärmen sich die Berghänge schneller als das Tal, wodurch sich ein Talwind mit Absinken in den Tälern einstellt. Beides bremst die Konvektion über dem See, was nicht bedeutet, dass es tagsüber keine Schauer oder Gewitter gibt. Die meisten Gewitter, die am Tage entstehen, bilden sich aufgrund zusammenströmender Luft in der Nähe des Ufers (sog. "Küstenkonvergenz"). Das Maximum an Gewittern gibt es aber tatsächlich in den Nachtstunden. Denn während der Nacht kühlt sich die Luft über dem Land stärker ab als die Luft über dem See. Gleichzeitig kühlen sich die Berghänge im Vergleich zu den Tälern schneller ab, wodurch die Luft von den Hängen hinunter zum See fließt. Jetzt strömen also die Luftmassen über der warmen und feuchten Umgebung des Sees zusammen: Das perfekte Setting für die Bildung nächtlicher Gewitter ist gegeben.

Wird die Gewitterhäufigkeit im Jahresverlauf betrachtet, treten von September bis Oktober sowie von Mai bis Juli die meisten Gewitter am Maracaibo See auf. Dies geht einher mit dem sich abschwächenden Karibischen Low-Level-Jet, einem Starkwindband in den untersten zwei bis drei Kilometern der Atmosphäre. Dieses zeichnet sich durch vorherrschende östliche Winde mit einem Windgeschwindigkeitsmaximum über dem Karibischen Meer aus. Durch sein Vorhandensein erhöht sich die vertikale Scherung (Änderung von Windgeschwindigkeit und -richtung mit der Höhe) deutlich, was dazu führt, dass die Konvektion in den Sommermonaten (Juni, Juli) und in den Wintermonaten bis in den März hinein gedämpft wird. Andererseits ist dieser Low-Level-Jet in den Monaten September bis November und im Mai schwächer, wodurch die Gewitteraktivität verstärkt wird, denn mit nachlassender vertikaler Scherung können sich mehr Luftmassengewitter über dem See bilden.

Die ausschlaggebende Voraussetzung für dieses großartige nächtliche Schauspiel am Maracaibo See ist das Zusammenspiel einzigartiger Topografie mit der Entstehung von Windsystemen und der beständig feucht-warmen Umgebung des Sees. Diese Zutaten bieten den Gewittern am Catatumbo das beste Futter und lassen den "Leuchtturm von Catatumbo" noch lange Zeit strahlen.



© Deutscher Wetterdienst

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