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29. November 2017 | MSc.-Met. Sebastian Schappert

Briefe des Himmels

Briefe des Himmels

Datum 29.11.2017

Im Winter nimmt man ihn meist nur als weiße Masse wahr. Schaut man sich den Schnee jedoch genauer an, erkennt man, dass jede einzelne Schneeflocke auf ihre eigene Art und Weise einzigartig ist. Aber wie entstehen ihre schönen, filigranen Strukturen?

Die Bewohner in den gemäßigten und kühleren Klimazonen, also in den mittleren und höheren Breiten bekommen sie im Winter regelmäßig zu Gesicht. Und beim genauen Hinsehen fallen ihre faszinierenden Strukturen ins Auge, die immer wieder aufs Neue begeistern. Bereits im 17. Jahrhundert beschrieb Astronom und Mathematiker Johannes Kepler verschiedene Formen von Schneeflocken, der große Denker und Naturwissenschaftler Rene Decartes beobachtete und skizzierte sie. Viele weitere Wissenschaftler veröffentlichten seither Zeichnungen und Fotografien von den schönen Eiskristallen.


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Die vielleicht bekannteste Veröffentlichung stellt wohl das Buch "Snow Crystals" der Herren Bentley und Humphreys im Jahr 1931 dar. Darin ist das Lebenswerk Bentleys in Form von über 2400 Fotografien natürlicher Schneekristalle abgebildet (siehe Grafik). Dabei war Wilson Alwyn Bentley, der als "The Snowflake Man" in die Geschichte eingehen sollte, keineswegs ein Wissenschaftler, sondern ein einfacher Landwirt. Trotzdem schaffte er es mit seiner Arbeit, viele weitere Menschen zu inspirieren, unter anderem auch den Physiker Ukichiro Nakaya an der Hokkaido Universität in Sapporo. Dieser machte im Rahmen seiner Forschungsarbeiten im Gebirge von Hokkaido mehr als 3000 Aufnahmen von natürlichen Schneekristallen und unterteile diese im Anschluss anhand ihrer Morphologie, also anhand ihrer äußeren Gestalt, in etwa 40 Kategorien. Außerdem gelang es ihm darüber hinaus als einer der Ersten, künstliche Kristalle unterschiedlicher Formen im Labor zu erzeugen. Seine Ergebnisse konnten daraufhin in grafischer Form zusammengestellt werden, was in der Fachliteratur auch heute noch als "Nakaya-Diagramm" bekannt ist.

Nakaya verdanken wir übrigens auch die Entdeckung, dass gewisse Beziehungen zwischen der Gestalt der Schneekristalle und den bei ihrer Entstehung vorherrschenden atmosphärischen Bedingungen existieren. Entsprechend kann man aufgrund des Aussehens der Schneeflocken auf das ungefähre Wetter in höheren Schichten der Atmosphäre schließen. Dies verleitete Nakaya wohl auch zu seinem berühmten Zitat, Schneeflocken seien "vom Himmel gesandte Briefe".

Die wichtigsten Parameter bei der Entstehung der Flocken stellen Temperatur und Feuchtegehalt der Atmosphäre dar. Nach Nakaya lassen sich die Kristalle anhand der Temperatur in zwei verschiedene Grundformen einteilen: Bis -4 Grad Celsius sowie zwischen -11 und -22 Grad liegen sie als Plättchen vor, sonst nehmen sie eine prismenförmige Gestalt an.

Die Feuchtigkeit, also der Wasserdampf, spielt ebenfalls eine grundlegende Rolle. In Abhängigkeit von Temperatur und Druck kann ein Luftpaket nur eine bestimmte Menge an Wasserdampf aufnehmen. Erreicht der Wasserdampf in der Luft die maximale Menge, nennt man es gesättigt. Nimmt die Luft darüber hinaus noch mehr Wasserdampf auf, spricht man von Übersättigung und es kommt zum Phasenübergang, das heißt Kondensation (von gasförmig zu flüssig) oder Resublimation (von gasförmig zu fest) setzt ein und es bilden sich Tröpfchen oder Eiskristalle. Nakaya erkannte, dass mit steigendem Wasserdampfgehalt der Luft die Komplexität der Struktur der Kristalle zunimmt und diese somit filigranere Strukturen ausbilden.

Allerdings existieren viele Misch- oder Übergangsformen. Denn die Schneekristalle können durchaus in einer bestimmten Form zu wachsen beginnen. Auf ihrem Weg zum Boden durchqueren sie jedoch verschiedenste atmosphärische Bedingungen. Ändern sich diese dann nur minimal, können die Schneeflocken bereits in einer anderen Form weiter wachsen, mal mehr in die Breite, mal filigraner an den Spitzen der Kristalle. Dadurch erhält jede einzelne Schneeflocke ihren individuellen Charakter.

In den kommenden Tagen kann man Schneeflocken tagsüber besonders in mittleren und höheren Lagen oberhalb von etwa 300 Meter bestaunen, in tieferen Lagen wird man sie dann wohl nur vereinzelt bei kräftigeren Schneeschauern kurzzeitig zu Gesicht bekommen. In den Nächten dagegen sinkt die Schneefallgrenze bis in tiefe Lagen ab, sodass man ausgangs der Nacht mit etwas Glück bei einem schwachen Schauer auch im Flachland eine "angezuckerte", mit Schneekristallen überzogene Landschaft erleben darf.



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