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17. Januar 2015 | Dipl.-Met. Adrian Leyser

Das "Berliner Phänomen"

Viele Menschen in Deutschland wünschen sich einen Winter, der seinem Namen gerecht wird und mit mehrheitlich kalten und schneereichen Tagen aufwartet.

Doch gerade in den maritim geprägten Regionen Europas bleibt dieser Wunsch oft ungehört. Zwischen tiefem Luftdruck im Norden und hohem Luftdruck im Süden stellt sich über die Wintermonate immer wieder eine Westströmung ein, mit der Tiefdruckausläufer mit Regen und vornehmlich milde Luftmassen herangeführt werden. "Wann wird es denn endlich wieder richtig Winter?" - so oder so ähnlich treten während dieser milden Westwindwetterlagen viele Menschen an uns Meteorologen heran. Manchmal heißt es aber auch einfach nur "macht mal besseres Wetter", auch wenn diese Aufforderung in den meisten Fällen natürlich keine wirklich ernst gemeinte ist.


Ob uns der Wunsch nach Winterwetter nun als ernst gemeinte Frage oder
doch eher als schnippische Aufforderung erreicht, wir machen uns in
jedem Fall Gedanken darüber. Allerdings stehen die Meteorologen vor
einem Dilemma. Mal abgesehen davon, dass wir weit davon entfernt
sind, das "Wetter machen" zu können, sind unsere Wettermodelle für
eine längerfristige Wettervorhersage nur bedingt zu gebrauchen. Mit
zunehmendem Vorhersagezeitraum wird die Trefferquote einer Vorhersage
immer schlechter. So sehr wir also einen Wintereinbruch verkünden
wollen, sofern sich dieser nicht kurz- oder mittelfristig in den
Wettermodellen ankündigt, bleibt uns keine Wahl, als die
"Winterliebhaber" zu vertrösten. Nicht ganz ...

Es gibt durchaus noch andere Hilfsmittel, um über den seriösen
Vorhersagezeitraum der Wettermodelle hinaus noch gewisse
Trendaussagen über den weiteren Wetterverlauf machen zu können. Eines
dieser Hilfsmittel versteckt sich unter dem Begriff "Berliner
Phänomen". Es beschreibt plötzliche thermische und dynamische
Veränderungen in der Stratosphäre (im Mittel ca. 10 bis 50 km Höhe)
über den polaren Breiten der Nordhemisphäre während der Wintermonate.
Richard Scherhag dokumentierte das Phänomen erstmals im Januar 1952
über Berlin, daher auch der Name.

Im Winter kühlt sich die Stratosphäre aufgrund der maximal nur sehr
flach einfallenden und kaum "wärmenden" Sonnenstrahlung stetig ab. In
etwa 20 Kilometer Höhe beträgt die durchschnittliche Temperatur dann
nur noch rund -70 Grad Celsius. Als Folge dessen bildet sich ein
Polarwirbel aus, sozusagen ein "kaltes Tiefdruckgebiet", an dessen
Südflanken starke Westwinde auftreten.

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In unregelmäßigen Abständen ereignet sich aber eine plötzliche
Erwärmung von zum Teil mehr als 50 Grad in einigen Bereichen der
Stratosphäre (ein Beispiel vom Januar 2013 finden Sie nebenstehend
). Die Ursache sind
komplizierte und auch noch nicht vollends verstandene physikalische
Prozesse, die ihren Ursprung in der Troposphäre haben und sich bis in
die Stratosphäre auswirken können. Die Erwärmung führt zu
Veränderungen in der Druck- und Strömungsverteilung in der polaren
Stratosphäre, bis hin zu einem Zusammenbrechen des Polarwirbels.
Dabei können die Winde an dessen Südflanke vorübergehend von
westlichen auf östliche Richtungen drehen.

Diese Veränderungen in der Stratosphäre wirken sich wiederum auf die
Troposphäre aus. Zwar sind die genauen Wechselwirkungen noch nicht
zufriedenstellend erforscht, jedoch zeigen die langjährigen
Beobachtungen, dass eine stratosphärische Erwärmung mit gewisser
Verzögerung auch eine Umstellung der Wetterlage begünstigen kann. In
vielen Fällen erfolgte eine Umstellung von einer zonal (entlang der
Breitengrade) orientierten hin zu einer eher meridional (entlang der
Längengrade) orientierten Zirkulation. Häufig stellte sich dadurch
winterliches Wetter in Mitteleuropa mit dem Vordringen kalter
Festlandsluft ein.

Zu unterscheiden ist noch ein nur etwa alle zwei Jahre auftretendes
"Major Warming" (sehr starke Stratosphärenerwärmung) und ein mehrfach
in jedem Winter auftretendes "Minor Warming" (schwächere
Stratosphärenerwärmung). Letzteres beeinflusst die Druck- und
Strömungsverhältnisse in der Stratosphäre in deutlich geringerem Maße
und führt demnach auch nicht direkt zu einer großräumigen Umstellung
in der Troposphäre. Als "Final Warming" bezeichnet man die
nachhaltige Erwärmung der Stratosphäre am Ende des Winters, zwischen
März und Mai. Der Polarwirbel bricht unwiderruflich zusammen und
entsteht erst wieder zu Beginn des nächsten Winters.

Zurück zum Dilemma der Meteorologen: Zeigen unsere Wettermodelle also
vorerst keine Umstellung zu einer winterlichen Wetterlage, bleibt uns
zum Beispiel noch der Blick in die Stratosphäre. Auf der Seite der
Freien Universität Berlin werden verschiedenste Stratosphärenkarten
sogar für jedermann angeboten (http://www.geo.fu-berlin.de/en/met/ag/strat/produkte/winterdiagnosti
cs/). Selbst in einer scheinbar ausweglos unwinterlichen Wetterphase
zeigen sich hier mitunter dünne "Strohhalme", an denen sich alle
Winterfans festhalten können*


© Deutscher Wetterdienst

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