29. März 2012 | Dipl.-Met. Peter Hartmann
Reise durch Europa und die Jahreszeiten
Angesichts der milden Temperaturen, die wir in den vergangenen Wochen
in Deutschland meist erleben durften, ist der Winter schon fast
wieder vergessen. Lediglich die kalten Meere erinnern die
Küstenbewohner noch daran, denn dort steigen auch bei strahlendem
Sonnenschein die Lufttemperaturen oftmals kaum auf 10 Grad. Ganz hat
sich der Winter aus Europa aber noch nicht verabschiedet, allerdings
muss man sich ins Gebirge oder weit in den Nordosten Europas begeben,
um noch Schnee und Dauerfrost anzutreffen.
Auf gerade mal -6,8 Grad stieg gestern die Temperatur am Kap
Mikulkin. Dieser den meisten Mitteleuropäern wohl unbekannte Ort
liegt etwas nördlich des Polarkreises auf der in die Barentssee
ragenden Kanin-Halbinsel. Das Meer ist allerdings, wie gewöhnlich in
dieser Jahreszeit, von Eis bedeckt. Um auf Dauerfrost zu treffen,
musste man aber gestern gar nicht ganz so weit fahren. Von
Nordnorwegen über den Nordosten Finnlands und Karelien und weiter
entlang des 40. östlichen Längengrades zog sich gestern die
Nullgradgrenze der Höchsttemperatur. In Moskau musste man sich mit
+1,8 Grad begnügen.
Noch deutlich weiter im Südwesten befindet sich derzeit die
Schneegrenze. Praktisch ganz Russland (mit Ausnahme des Südens) ist
derzeit noch schneebedeckt, auch in Finnland sind nur die
südwestlichen Küstengebiete schneefrei, am Flughafen Helsinki lagen
am Donnerstagmorgen immerhin noch 24 cm. Das ist allerdings nichts
gegen den Norden des Landes: In Rovaniemi, der Hauptstadt des
finnischen Lapplands türmt sich der Schnee derzeit noch 93 cm hoch.
Im Vergleich zu den Schneehöhen in den Bergen erscheint dagegen
dieser knappe Meter dagegen kaum erwähnenswert. Einen Meter Schnee
finden Sie derzeit in den Alpen auch noch in einigen Hochtälern. Den
Spitzenreiter unter den von den Wetterdiensten international
ausgetauschten Schneehöhen können Sie sogar von Deutschland aus
sehen, gute Fernsicht vorausgesetzt. Der Säntis, südlich des
Bodensees in der Schweiz gelegen, hat derzeit 560 cm Schnee zu
bieten, allerdings in 2500 m Höhe.
Nur etwa 170 km Luftlinie südöstlich davon lag gestern einer der
wärmsten Orte Europas. 26,3 Grad wurden gestern in Bozen gemessen.
Damit war die Hauptstadt Südtirols Spitzenreiter Italiens und nur 0,1
Grad kühler als Europas sommerlichster Ort, das portugiesische Ovar,
am Atlantik südlich von Porto gelegen. Sommertage mit 25 Grad und
mehr gab es gestern auch in weiteren Regionen der Iberischen
Halbinsel und Italiens, sowie in Südfrankreich. Auf bis zu 20 Grad
stieg das Quecksilber gestern sogar in Schottland, z.B. auf 20,9 Grad
am Strathallen Airfield nördlich von Edinburgh. So hohe
Frühjahrstemperaturen sind im von kühlen Meeren umgebenen Norden
Großbritanniens nur bei windschwachen Wetterlagen möglich. Im Süden
der Insel hatte London als Höchstwert 22,8 Grad zu bieten und
übertraf damit sogar Wolfach im Schwarzwald, den wärmsten Ort
Deutschlands, wo "nur" 22,4 Grad registriert wurden.
Von solchen Temperaturen müssen wir uns in Deutschland erst einmal
verabschieden, denn mit nordwestlicher Strömung gelangt langsam
kühlere Luft zu uns. Diesem Trend folgen auch die meisten anderen
Regionen Europas. Im Nordosten breiten sich am Wochenende Schnee und
Frost wieder aus, im Süden und Südwesten wird es wohl ab Sonntag auch
nirgendwo mehr einen Sommertag geben. Solche Einbrüche kälterer
polarer Luftmassen gehören aber zu dieser Jahreszeit. Sie
verlangsamen das Vordringen des Frühlings vom Südwesten in den
Nordosten, aufhalten können sie ihn aber nicht.
© Deutscher Wetterdienst
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