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26. März 2012 | Dipl.-Met. Jens Hoffmann

Hoch HARRY - erst Freund, dann Feind?

Wetter/Luftdruck 26.03.2012
Wetter/Luftdruck 26.03.2012


Riskiert man zu Beginn der neuen Woche einen Blick auf die aktuellen
Wetterkarten, so fällt - sofern man sich auf Mitteleuropa und nähere
Umgebung kapriziert - ein Druckgebilde ins Auge, das in den genannten
Gebieten klar den atmosphärischen Taktstock schwingt. Gemeint ist
kein Geringerer als HARRY, der sich als überaus korpulentes Exemplar
der Spezies Hochdruckgebiet entpuppt und bereits in der vergangenen
Woche für weitgehend frühlingslastige Schlagzeilen gesorgt hat. Die
gute Nachricht für alle Anhänger von frühlingshaftem Ambiente: HARRY
bleibt uns zunächst noch treu und sorgt bis auf Weiteres verbreitet
für reichlich Sonnenschein und vor allem am Nachmittag thermisch
angenehme Bedingungen, die zu Müßiggang, Dolce vita, Gartenarbeit
oder sportlicher Betätigung einladen, je nach Gusto.

Okay, bedingt durch die Tatsache, dass HARRY seinen trägen Corpus im
Bereich Nordsee/Großbritannien zu liegen hat, kann es durchaus
passieren (wie z.B. am Sonntag oder auch am heutigen Montag), dass
auf seiner Ostflanke etwas feuchtere Luft von der Nord- und Ostsee in
Teile Nord- und Ostdeutschlands einströmt und dort besonders in der
ersten Tageshälfte für Nebel oder Hochnebel sorgt. Zudem sorgt der
auflandige Wind an vielen Küstenabschnitten und auf den Inseln für
eine arg limitierte Ausbeute bei der Temperaturentwicklung, was im
Frühjahr aber ganz normal und logisch ist. Das Meerwasser ist einfach
noch zu kalt, was sich natürlich auch auf die darüber liegende
Luftschicht auswirkt. Entsprechend reicht es bei der Höchsttemperatur
oft nur zu einstelligen Werten - trotz reichlich Einstrahlung und
hoher Sonnenscheindauer. Gleichwohl, hat man erst mal ein
windgeschütztes Plätzchen im Strandkorb oder im Straßencafe gefunden,
kann man es sich auch an der Küste sehr gut gehen lassen, allerdings
mit hoher Sonnenbrandgefahr, was aber auch auf den großen Rest des
Landes zutrifft. Im Südwesten übrigens sorgt der andauernde
Sonnenschein für die landesweit höchsten Tagestemperaturen mit 20
Grad oder sogar noch etwas mehr. Und das, obwohl der Tagestart
vielerorts noch ziemlich frisch vonstatten geht mit Frühwerten, die
zum Teil nur wenig über dem Gefrierpunkt liegen und auf dem Fahrrad
durchaus noch Handschuhe und Mützchen erfordern. Unter dem Strich
kommen dabei Tagesgänge der Temperatur (gemeint ist der Unterschied
zwischen dem Minimum am Morgen und dem Maximum am Nachmittag) von
nahe 20 Grad heraus, was sehr üppig ist, in der Übergangsjahreszeit
von Winter zu Sommer aber keine Besonderheit darstellt. Wie auch
immer, trotz einiger Schönheitsfehler entpuppt sich HARRY für die
meisten Mitbürger und Mitbürgerinnen sicherlich als persona grata,
wenn er denn eine Person wäre.

Schauen wir nun in die nähere Zukunft, dann wird sich an diesem
Status zunächst auch nicht viel ändern. Sowohl der Dienstag als auch
der Mittwoch verlaufen - abgesehen von etwas Nebel oder Hochnebel -
sehr strahlungsreich und trocken, was aber auch seine Schattenseiten
hat (Waldbrandgefahr, Pollenflug, Wassermangel in Garten und
Landwirtschaft), auf die an dieser Stelle aber nicht näher
eingegangen werden soll (siehe dazu u.a. Thema des Tages von Sonntag,
25.03.2012). Dazu frischt der Wind im Nordosten merklich auf. Am
Donnerstag dann beginnt sich, wenn auch ganz allmählich, etwas zu tun
in der Atmosphäre. Einerseits zieht sich Old HARRY auf den
Ostatlantik zurück (man nennt das im Fachterminus retrograde, von Ost
nach West ablaufende Entwicklung, Gegenteil: progressiv),
andererseits verstärkt sich die Tiefdrucktätigkeit über Nord- und
Nordosteuropa. Als Folge ziehen dichtere Wolken in die nördlichen und
östlichen Landesteile, aus denen es zeitweise etwas regnen kann. Nach
Süden und Westen hin bleibt es zunächst aber noch trocken und trotz
einiger Wolkenfelder scheint auch noch häufig die Sonne.

Zum Wochenende kommt es dann aber ziemlich dicke, wenn nämlich
weitere Kaltfronten von Norden her auf unser Gebiet übergreifen und
auf ziemlich direkten Wege Kaltluft arktischen Ursprungs bis zu den
Alpen lenken. Daran sind dann übrigens nicht nur die nord- und
nordosteuropäischen Tiefs mit ihren Fronten schuld, nein, auch Hoch
HARRY liefert seinen Beitrag vom Atlantik aus, indem es nämlich die
kalte nördliche Strömung stützt. Oder anders ausgedrückt, die
Gesamtkonstellation Hoch/Tiefs induziert praktisch die
Kaltluftzufuhr, indem die Luft genau dazwischen zu uns strömt.
Expressis verbis bedeutet das zum Wochenende einen deutlich spürbaren
Temperaturrückgang auf Höchstwerte, die nur noch zwischen 7 und 13
Grad liegen, wobei es im Norden und Osten am kältesten wird.
Lediglich nach Südwesten hin kann es noch einen Tick milder werden,
die zuvor erreichten 20 Grad sind dann aber auch Geschichte.
Insbesondere in den Nächten zu Sonntag und Montag besteht die Gefahr
von leichtem Nachtfrost, was im Detail aber von der
Bewölkungsentwicklung abhängt, die heute noch einige Unschärfen
aufweist. Auf alle Fälle kommen bei wechselnder bis starker Bewölkung
noch zeitweilige Niederschläge dazu, die von Norden her im Bergland
in Schnee übergehen und mitunter von einem ruppigen Nordwestwind
begleitet werden. Bevorzugt im Norden und Osten kann es auch mal
einen Schnee-, Schneeregen- oder Graupelschauer bis in tiefe Lagen
geben, ohne dass das "Zeug" aber lange liegen bleibt.

Nach dem Wochenende übrigens versucht HARRY, sich bei uns wieder
einzuschmeicheln, indem er seinen Einfluss von Westen her auf das
europäische Festland ausdehnt. Ob letztlich alle etwas davon haben
oder - wie aktuell von einigen Wettervorhersagemodellen angedeutet -
hauptsächlich der Westen und Süden, lässt sich aus heutiger Sicht
noch nicht belastbar prognostizieren. Fakt ist aber, dass wir uns
vorher auf ein zwischenzeitliches spätwinterlich geprägtes Intermezzo
einstellen müssen, was - der Verfasser wiederholt sich da gern - Ende
März/Anfang April meteorologisch nichts Außergewöhnliches darstellt.




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