17. Januar 2012 | Dipl.-Met. Marcus Beyer
Die nächtliche Abkühlung
Heute früh lagen die Temperaturwerte abgesehen vom Norden und
Nordosten vielerorts im negativen Bereich. Südlich der Donau gab es
auch wieder strengen Frost. Am kältesten war es dabei in Reit im
Winkel mit -18.8 °C.
Welche Faktoren beeinflussen das nächtliche Auskühlen? Diese
Fragestellung wird im Folgenden durch die Betrachtung des
Strahlungshaushaltes der Erde näher erläutert.
Beginnen wir mit der Sonne. Ihre auf der Erde einfallende Strahlung
wird als sichtbares Licht vom Menschen wahrgenommen. Man bezeichnet
sie auch als kurzwellige Strahlung. Durch Wassertröpfchen und andere
Hindernisse in der Atmosphäre wird das Licht gestreut oder
reflektiert, also zum Beispiel durch Wolken. Ein Teil davon geht
wieder zurück in die Atmosphäre, ein anderer Teil erreicht aber
schließlich die Erde.
Die an der Erdoberfläche ankommende Strahlung wird zum Teil
reflektiert und zum Teil aufgenommen (absorbiert). Wie viel Strahlung
aufgenommen wird hängt von der Art des Untergrundes ab (Albedo).
Helle Flächen reflektieren mehr als dunkle Flächen und können sich
daher auch tagsüber nicht so schnell erwärmen. Ein Extrembeispiel ist
die frisch gefallene und damit tadellos weiße Schneedecke. Diese
reflektiert fast das gesamte kurzwellige Sonnenlicht.
Die von der Erdoberfläche aufgenommene kurzwellige Strahlung erwärmt
den Boden durch die Umwandlung in langwellige Strahlung. Diese trägt
auch den Namen thermische Strahlung oder Wärmestrahlung.
Der Boden gibt die Wärme nun in Form von langwelliger Strahlung
wieder ab. Ist der Himmel wolkenlos, dann kann die Wärmestrahlung
ungehindert in den Weltraum entweichen. Gibt es hingegen viele
Wolken, dann wirken diese wie ein Blockade und die wärmere Luft
sammelt sich in der unteren Atmosphäre an.
Der Boden gibt die Wärmestrahlung nicht nur tagsüber ab, sondern auch
während der Nacht. Da dann aber keine Sonne scheint, ergibt sich ein
Strahlungsdefizit. Das kann man sich in etwas wie bei einem
Heizkörper vorstellen. Wenn man diesen abstellt, wird er irgendwann
kalt, weil keine Wärme mehr nachgeliefert wird.
Ist der Himmel in der Nacht bedeckt, ist dies kein Problem, denn die
Wolken verhindern wie bereits angesprochen, dass die Wärmestrahlung
entweicht. Ist der Himmel aber klar, dann wird die Wärme abgestrahlt
und die Erdatmosphäre kühlt sich ab. In diesem Fall spricht man im
Fachjargon von einer "Strahlungsnacht".
Neben wenigen Wolken spielen auch noch weitere Faktoren eine wichtig
Rolle: 1. Schnee, 2. trockene Luft, 3. Punkt 1 ergibt sich daraus,
dass sich ein schneebedeckter Boden tagsüber kaum erwärmen kann, da
das Sonnenlicht zu einem großen Teil reflektiert wird. Der zweite
Punkt ist analog zum Problem "Wolken / keine Wolken". Denn auch ohne
Wolken gibt es Wasserdampfteilchen in der Atmosphäre. Je trockener es
ist, desto weniger Wasserdampfteilchen gibt es und desto weniger
Hindernisse hat die langwellige Wärmestrahlung. Dadurch kann sie noch
besser in das Weltall entweichen. Der Wind in Punkt 3 ist ebenfalls
ein Hindernis. Weht viel davon hat es die Wärmestrahlung schwer zu
entweichen. Außerdem kann warme Luft aus der Umgebung herangeführt
werden. Kurz gesagt: Es findet eine gute Durchmischung mit der
Umgebungsluft statt.
Bei einer idealen Strahlungsnacht strahlt der Boden unentwegt Wärme
ab und wird dadurch kälter und entsprechend auch die Luft darüber. Da
kalte Luft schwerer ist als warme Luft, befindet diese sich immer
ganz unten. Dadurch wird es in Bodennähe kälter als in 2 m Höhe, wo
die Minima ermittelt werden. In Reit im Winkel lag die tiefste 5 cm
Temperatur bei -21.6 °C.
Wie stark ein Boden abkühlt ist sehr stark von der Beschaffenheit
abhängig. Sandböden sind prädestiniert für eine starke Abkühlung,
sodass in diesen Gebieten häufig deutlich niedriger Bodentemperaturen
gemessen werden, als beispielsweise über Waldböden. Der Grund liegt
darin, dass Sandböden die Wärme nicht so gut speichern können. Für
Bauern ist die 5 cm Temperatur ziemlich wichtig, befinden sich
Pflanzen doch direkt in diesem Höhenniveau. So kann es auch
passieren, dass eine Pflanze erfriert, obwohl es in 2 m Höhe keinen
Frost gibt.
© Deutscher Wetterdienst
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