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28. Januar 2019 | Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)

Klassischer Berglandwinter

Klassischer Berglandwinter

Datum 28.01.2019

Die Bayerischen Alpen und die Hochlagen einiger Mittelgebirge sind seit etwa drei Wochen ein "Winterwonderland", dagegen blieb es im Flachland bisher meist bei kurzen Schneeintermezzi. Warum ist das so und wieviel Niederschlag ist in den Bergen eigentlich gefallen?

Manchmal kann das Wetter ganz schön ungerecht sein! Viele Bundesbürger haben ihr Zuhause im bisherigen Winter selten weiß verschneit gesehen und wenn es doch mal schneite, war der Schnee zumeist schnell wieder weggetaut. Klar, Autofahrer sind nicht unglücklich darüber. Schneeliebhaber sahen allerdings vor gut zwei Wochen neidisch im Fernsehen, wie die Alpen von Tag zu Tag mehr im Schnee versanken. Vielleicht fragen Sie sich auch, warum Frau Holle bisher so wenig von der weißen Pracht dem Flachland schenkte und auch in absehbarer Zukunft den Schnee so ungleich verteilt?


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Ich als Meteorologe kann zwar erklären, weshalb es im bayrischen und nördlichen österreichischen Alpenraum in den letzten Wochen zu den immensen Schneefällen kam, als "Flachlandtiroler" habe ich solche Schneemassen aber noch nie mit eigenen Augen gesehen. Deshalb zögerte ich nicht lange und fuhr vergangene Woche nach Reit im Winkl, um mir die tief verschneiten Alpen vor Ort einmal anzusehen. Einen kleinen bildhaften Einblick von meinen dortigen Erlebnissen möchte ich Ihnen nicht vorenthalten (Fotos 1 - 3). Die Schneefälle waren zu dieser Zeit bereits abgeklungen und eine größere Lawinengefahr bestand und besteht auch nicht mehr. Man kann nun also den Schnee mit vollen Zügen auf Pisten, Loipen oder bei einer Winterwanderung genießen.

Wie ist eigentlich die derart ungleiche Schneeverteilung im bisherigen Winter zu erklären? Ursache für die enormen Schneefälle an den Alpen, im Erzgebirge und in einigen Mittelgebirgen war eine in den ersten Wochen des neuen Jahres außerordentlich ausgeprägte und andauernde Nordwestlage. Dabei floss zwischen einem Hochdruckgebiet über dem Atlantik und Tiefs über Skandinavien und dem Baltikum mit einer nördlichen bis nordwestlichen Strömung feuchtkalte Meeresluft nach Deutschland. Auf ihrem langen Weg über das Europäische Nordmeer und die Nordsee nahm die Luft viel Feuchtigkeit auf. Wie auf einer Autobahn rauschten nun Frontensysteme mit ihren Niederschlagsgebieten von Nord nach Süd über Deutschland. Überall dort, wo der Strömung ein Gebirge (z.B. Alpen, Erzgebirge) im Wege steht, wird die Luft zum Aufsteigen gezwungen, um die Gebirgskämme überströmen zu können. Zum einen verstärken sich die Niederschläge dadurch erheblich, zum anderen bleiben sie an den Berghängen "kleben" und halten über viele Stunden bis hin zu mehreren Tagen fast ohne Unterbrechung an. Man spricht vom sogenannten "Gebirgsstau". Da an den Alpen und in höheren Mittelgebirgslagen die Temperatur meist um oder unter 0 Grad lag, fiel der Großteil des Niederschlags als Schnee. Die Nordwestströmung war mitunter so kräftig, dass der Wind in höheren Lagen zeitweise Sturmstärke erreichte. Insbesondere im Erzgebirge führte dies selbst in bewohnten Gebieten zu teils massiven Schneeverwehungen, wie die Fotos einer exponiert liegenden Dorfstraße in Klingenthal (Vogtland) zeigen (Fotos 4 + 5).

Ganz anders sah es zur gleichen Zeit im Flachland (unterhalb von etwa 300 - 500 m) aus. Im Gegensatz zum Gebirgsstau verblieben die Niederschläge dort nicht an Ort und Stelle, sondern wurden mit der regen Nordwestströmung rasch über das Land getrieben. Typisch für eine solche Nordwestlage war zudem auch diesmal der Wechsel aus kälteren Abschnitten mit Schneefall teils bis in tiefere Lagen und Warmlufteinschüben, in denen die Schneefallgrenze zwischenzeitlich auf 800 bis 1200 m anstieg. Somit konnte sich in tieferen Lagen keine dauerhafte Schneedecke ausbilden. Daran wird sich auch in den kommenden Tagen wenig ändern. Zwar erwarten wir auch für das Tiefland zeitweise Schneefälle, bei tagsüber positiven Temperaturen bleibt der Schnee aber meist nur vorübergehend liegen (siehe Thema des Tages vom 27. Januar).

Und wieviel Niederschlag ist im Gebirgsstau gefallen? Kommen wir nochmals auf Reit im Winkl zurück. Dort wurden bereits in der ersten Januarhälfte unglaubliche 303 Liter pro Quadratmeter (l/qm) Schnee und Regen gemessen (bis heute: 327 l/qm), womit der bisherige Rekord des gesamten Januars von (1950: 283 l/qm) deutlich übertroffen wurde. Reit im Winkl ist damit momentan der niederschlagsreichste Ort Deutschlands; nur auf der Zugspitze und dem Brocken schneite es noch mehr. Zum Vergleich: In Reit im Winkl fiel in den ersten 15 Tagen des noch jungen Jahres 2019 mehr Niederschlag als mancherorts in Ostdeutschland im gesamten Jahr 2018! Auch in Kiefersfelden, Siegsdorf, Sigmarszell, Oy-Mittelberg, Mittenwald und Holzkirchen (alle in Alpennähe) wurden neue Monatsrekorde aufgestellt. Ähnlich sieht es im Erzgebirgsstau aus, wo beispielsweise in Carlsfeld mit 204 l/qm (bis heute: 255 l/qm) bereits zur Monatsmitte ein neuer Rekord erzielt wurde.

Haben Sie jetzt Lust auf Schnee bekommen? Dann machen Sie es doch wie ich und brechen zum spontanen (Kurz)Urlaub in die Berge auf. Im Vorland der Alpen und des Erzgebirges ist zwar viel von der zwischenzeitlich beachtlichen Schneedecke wieder weggetaut, in den Hochlagen wird sich am "Winterwonderland" aber so schnell nichts ändern.



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