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25. Oktober 2010 |

Der kälteste Winter seit 100(0) Jahren

Es musste offensichtlich mal wieder sein - durch den
Blätterwald rauschten vergangene Woche Berichte über den zu
erwartenden Horrorwinter, der von ein paar 'Wissenschaftlern'
ausgerufen wurde. Kritische Zeitgenossen fragen sich natürlich,
'kann das denn sein?'. Die Antwort ist simpel. Natürlich KANN
der kommende Winter der kälteste seit 100 oder 1000 Jahren
werden. Er KANN aber genau so gut der mildeste seit 1000 Jahren
werden. Am wahrscheinlichsten ist es jedoch (Vorsicht
Binsenweisheit!), dass er irgendwo zwischen diesen Extremen
liegt, mutmaßlich sogar etwas näher an der Mitte des
Temperaturbereichs als ganz außen an den Rändern.

Doch abgesehen von solchen Sensationsmeldungen stellt sich die
Frage, was an langfristigen Vorhersagen über eine kommende
Jahreszeit zum derzeitigen Stand des Wissens überhaupt möglich
ist. Ein großes Interesse an Jahreszeitvorhersagen gibt es
vermutlich seit es Menschen gibt. Erste wissenschaftliche und
Erfolg versprechende Ansätze kamen dabei aus der Statistik.
Mittels Analogiebetrachtung vergangener Wetterentwicklungen
(wie wurde der Winter nach einem Herbst, der so ähnlich ablief
wie der aktuelle) oder statistischer Zusammenhänge zwischen
großräumigen Druck- und Temperaturmustern im Laufe der Monate
oder Jahreszeiten versuchte (und versucht) man, auf
langfristige Entwicklungen zu schließen. Immerhin gibt es ein
paar langfristige Vorhersagregeln, die Trefferquoten
signifikant über dem Zufallsprinzip liefern. So folgt in
Mitteleuropa einem deutlich zu warmen Oktober, der zudem auch
trockener als im klimatologischen Mittel war, recht häufig ein
kalter Januar. Mit einer Trefferquote von rund 2/3 ist das
schon ein recht brauchbarer Hinweis für eine
Langfristvorhersage. Allerdings sind die Eingangsbedingungen
solcher Regeln (das 'Kleingedruckte') recht eng gefasst, so
dass am Ende nicht allzu viele Vergleichsfälle betrachtet
werden können. Außerdem sagt ein statistischer Zusammenhang
noch nicht viel über eine wissenschaftlich fundierte Ursache-
Wirkungskette, also einen kausalen Zusammenhang, aus (Das in
der Statistik gern zitierte Beispiel über den statistisch
signifikanten Zusammenhang zwischen der Anzahl brütender
Storchenpaare und der Geburtenrate in Mecklenburg-Vorpommern
ist eine gute Veranschaulichung dafür).

Heute gehen die Forschungen eher in eine andere Richtung. In
komplexen Computermodellen wird versucht, die langfristige
Auswirkung von recht trägen, witterungsrelevanten Parametern,
wie beispielsweise Temperaturanomalien von großen Meeresflächen
und -strömungen, zu berechnen. Immerhin, im tropischen Pazifik
gelingt das schon recht ordentlich. Das dort großräumig
auftretende Phänomen 'El Nino' lässt sich in
zufriedenstellender Weise ein paar Monate im Voraus abschätzen.
Die Ergebnisse für Mitteleuropa sehen deutlich bescheidener
aus. Immerhin gibt es ein paar vage Vorhersagen über
Wahrscheinlichkeiten (die Wahrscheinlichkeit für einen
milden/kalten Winter ist etwas höher/niedriger als im Mittel
usw. ...). Letztendlich sind diese Vorhersagen aber nur für
hochspezialisierte Branchen von Interesse, denen es nicht auf
eine hohe Trefferquote im Einzelfall (für diesen Winter)
ankommt, sondern wo es ausreicht, dass es über lange Zeiträume
hinweg etwas häufiger Treffer als Nieten gibt.

Der langen Rede kurzer Sinn - Wie der kommende Winter ausfällt,
weiß letztlich niemand. Doch ein paar Dinge können schon heute
mit annähernd 100 %-iger Wahrscheinlichkeit vorhergesagt
werden. Es wird garantiert ein paar 'Experten' geben, die es
vorher schon wussten. Und es wird viele Menschen geben, die mit
dem Winterwetter absolut unzufrieden sein werden.

Lassen wir es also einfach auf uns zu kommen.


Dipl.-Phys. Ansgar Engel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale

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