12. März 2012 | Dipl.-Met. Jens Hoffmann
GULLIVER und sein Mühen um "schönes" Wetter
Wer dieser Tage auf sein Hausbarometer schaut oder auch mal zaghaft
auf Selbiges klopft (bitte nicht übertreiben, es ist alles in
Ordnung), der mag sich wundern, dass "dat Dingen" zwar einen hohen
Luftdruck anzeigt, das damit scheinbar korrelierte "schöne" Wetter
aber ausbleibt. Hoher Druck und dichte Wolken, dazu vielleicht sogar
noch etwas Regen oder Sprühregen - geht das überhaupt? Jawoll meine
Damen und Herren, das geht.
Aktuell befindet sich über Westeuropa ein umfangreiches Hoch namens
GULLIVER, das seinen Schwerpunkt mit über 1035 hPa voll über das
Britische Königreich respektive Irland gelegt hat. Im Fachjargon der
Vorhersagemeteorologen bezeichnet man eine solche Wetterlage kurz und
humorlos als HB, was nichts mit Rauchen zu tun hat und GULLIVER auch
nicht zu einem HB-Männchen abstempelt, sondern schlicht "Hoch
Britische Inseln" meint. Wenn der Fachmann oder aber auch der geübte
Laie GWL (Großwetterlage) HB hört, beginnen die grauen Zellen zu
rattern und es werden konzeptionelle Modelle bemüht, die den
klassischen Wetterablauf beschreiben, der bei dieser Lage zu erwarten
ist. Und nicht selten hört man bei der Diskussion dieser Wetterlage
den Satz: "Das Hoch liegt an der falschen Stelle.", was durchaus
einen substanziellen Hintergrund hat.
Fakt ist, dass der hohe Luftdruck über Großbritannien und Irland auch
auf das westliche Mitteleuropa und somit auf Deutschland abfärbt,
d.h. das Druckniveau ist mit Werten zwischen etwa 1020 hPa (auf
Rügen) und fast
1035 hPa (im Raum Aachen, Stand jeweils Montagfrüh) auch hier
ziemlich hoch. Trotzdem, letztlich liegen wir nur am Rande, genauer
auf der Ostflanke des Hochs, und das bedeutet auf der Nordhalbkugel,
wo sich die Hochs im Uhrzeigersinn drehen, eine nordwestliche
Strömung. Den topograpischen Rahmenbedingungen folgend heißt das
nichts anderes, dass der Wind von der Nordsee her kommt, wo die
bewegte Luftmasse ordentlich Feuchtigkeit aufnehmen kann. Diese
Feuchtigkeit sammelt sich im Wesentlichen in der unteren
Atmosphärenschicht, die zwar nur einige 100 m dick, insgesamt aber
sehr stabil ist. So ziehen also von der Nordsee her viele tiefe
Wolken nach Deutschland, die zwar keine üppigen Regen- oder
Schneefälle bringen - das Hoch hält nämlich etwaige "Störenfriede" in
Form von Tiefausläufern von unserem Raum fern -, dafür aber
verbreitet für bedeckte oder auch neblig trübe Verhältnisse sorgt.
Das Hochdruckgebiet versucht zwar, durch absinkende Luftbewegung
diese Situation zu bereinigen und das Auflösen der Wolken zu
forcieren, was in den mittleren Atmosphärenschichten auch
funktioniert. Je weiter der Blick aber in Richtung Erdoberfläche
geht, desto problematischer, ja sogar kontraproduktiver wird die
Angelegenheit. Häufig setzt sich dieses Absinken nämlich nicht bis
zum Boden durch, sondern hört etwa 0,5 bis 2 km darüber auf. Dort
entsteht dann eine so genannte Inversion (zu Deutsch Temperaturumkehr
- gemeint ist eine dünne Schicht, in der die Temperatur mit der Höhe
nicht wie üblich sinkt sondern steigt), die wie ein Deckel wirkt und
die Feuchtigkeit bzw. die Wolken der unteren Luftschichten eher noch
konserviert. Aktuell (Stand Montagfrüh) liegt diese Inversion in
Deutschland etwa bei 600-700 m im Norden und über 2 km im Südosten.
Soweit der kleine Exkurs in die atmosphärische Physik eines
Hochdruckgebiets. Wie oben bereits angedeutet resultieren daraus
konzeptionelle Vorstellungen, wie das Wetter nun auszusehen hat.
Dabei zeigt uns die Realität immer wieder, dass Konzepte ganz schön
und gut, aber eben nicht allgemeingültig sind. Bezogen auf den
heutigen Wochenanfang bedeutet das, dass große Teile Deutschlands
tatsächlich unter einer dichten Wolkendecke liegen, es andererseits
aber auch Ausnahmen gibt. Besonders im Südwesten, von
Baden-Württemberg, der Pfalz und dem Saarland bis nach Hessen, können
sich die Leute gebietsweise über Sonnenschein freuen. Die Ursachen
dafür sind mehrschichtig. Zum Teil reicht das Absinken des Hochs doch
soweit herunter, dass sich die Wolken aufgelöst haben und die
bodennahe Luftmasse abgetrocknet ist. Zum Teil hilft aber auch die
Orographie, sprich die Mittelgebirge. Beispiel NRW/Hessen: Während
sich die Feuchte im Stau des Rheinischen Schiefergebirges sammelt und
NRW reichlich Bewölkung beschert, lockert es auf der östlichen und
südöstlichen Seite (also im Lee oder der windabgewandten Seite des
Gebirges) auf, wovon Teile Hessens profitieren.
Abschließend noch ein kleiner Ausblick auf die nächsten Tage, wo am
morgigen Dienstag noch keine nachhaltige Änderung zu erwarten ist. Ab
Mittwoch aber geht GULLIVER im wahrsten Sinne des Wortes auf Reisen
und zwar in Richtung Kontinent. Im Laufe des Donnerstags befindet er
sich wahrscheinlich schon knapp östlich von uns, so dass wir auf die
- zugegeben, es ist immer eine subjektive Betrachtungsweise -
"richtige" Seite des Hochs gelangen. Denn es wird nicht nur die
Feuchte- und Wolkenzufuhr von der Nordsee her abgeschnitten,
zusätzlich strömt auch mildere Luft heran, die gemeinsame Sache mit
der Sonne macht und für einen merklichen Temperaturanstieg sorgt. So
kann bereits am Donnerstagnachmittag am Oberrhein die 20-Grad-Marke
erreicht werden, bevor es Freitag wahrscheinlich deutschlandweit
frühlingshafte 13 bis 22 Grad gibt (die höchsten Werte im Südwesten,
die niedrigsten im äußersten Norden und Nordosten). Come on,
GULLIVER...
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