Wir befinden uns ja aktuell mitten in der Hurrikansaison 2025 und hatten bisher glücklicherweise nur zweimal von einem Landgang zu berichten – Ende Juni traf Tropensturm Barry im Süden von Texas an Land sowie Chantal Anfang Juli im Südosten der USA.
Tropische Stürme sind beeindruckende Energiebündel, die sich meist über den tropischen Meeren bilden und im Zusammenspiel mit warmem Meerwasser, einer nur geringen Zunahme des Windes mit der Höhe (Windscherung) sowie mit einer feuchten Troposphäre innerhalb weniger Tage nicht selten rasant an Kraft zulegen können. Manchmal passieren die heftigsten Intensivierungsschübe innerhalb nur weniger Stunden und lassen die diensthabenden Meteorologen vor Ort gehörig ins Schwitzen kommen. Häufig sind es diese Phasen im Leben eines tropischen Sturms, wo medial (besonders international) noch eher wenig berichtet wird. Meist steigt das Interesse der Medien verständlicherweise deutlich an, sobald sich so ein Tropensturm einer bewohnten Insel oder einer Landmasse nähert.
Nicht nur bei der Intensivierung eines Tropensturms greifen zahlreiche Mechanismen, die sich im ungünstigsten Fall gegenseitig aufschaukeln können und die Rate der Verstärkung diktieren. Auch beim Landgang eines tropischen Sturms wird nicht automatisch (wenigstens zeitnah) eine Abschwächung eingeläutet. Diese Unsicherheiten lassen nicht selten die numerischen Verfahren bzw. die diensthabenden Meteorologen verzweifeln.
Der sicherlich bekannteste Effekt beim Landgang eines Tropensturms ist der sogenannte "brown ocean effect, BOE", der im Zuge einer NASA Studie aus dem Jahr 2013 seinen Platz in zahlreichen Auswertungen fand. Dieser Effekt beschreibt grob beschrieben eine verzögerte Abschwächung bzw. temporär gar eine erneute Intensivierung über Land. Hierfür muss aber die richtige Bodenbeschaffenheit vorhanden sein, die neben eines sehr hohen Feuchtegehalts auch eine hohe Verdunstungsrate ermöglicht. Letztendlich muss eine anhaltende und kräftige Wolken- und Niederschlagsbildung gewährleistet sein, um den Motor des tropischen Systems auch über Land am Laufen zu halten.


Diese Beobachtungen gingen dabei auf Untersuchungen eines tropischen Systems zurück (Tropensturm ERIN), das sich nach der Passage über Texas Mitte August 2007 über Oklahoma plötzlich erneut intensivierte (siehe Abbildung 1). Durch die Interaktion der Reste von Ex-ERIN mit einer außertropischen Störung (einer Kurzwelle), konnte sich Ex-ERIN über Oklahoma vorübergehend deutlich strukturieren. Über mehrere Stunden traten an einigen Stationen anhaltende Winde von Bft 9 bis 10 auf, inklusive einzelner Orkanböen (Bft 12). Noch dramatischer jedoch waren die Zunahme und Intensivierung der hochreichenden Konvektion mit der temporären Ausbildung eines Auges, sodass regional mehr als 200 l/m2 Niederschlag in kurzer Zeit fiel. Dabei sorgte dieser Entwicklungsschub von Ex-ERIN für mehr wetterbedingte Todesopfer als zur Zeit seines Landgangs im Süden von Texas als waschechter Tropensturm.
Etwas versteckt kann so ein Prozess auch in Form eines langlebigen mesoskalig konvektiven Wirbels (engl. Mesoscale convective vortex, MCV) ablaufen, der pulsierend als Rest eines an Land gegangenen Tropensturms besonders ab den Abendstunden regional heftige Niederschläge und teils auch Böen bis weit ins Landesinnere trägt. Das tragische Beispiel eines solchen Ereignisses wurde im Thema des Tages vom 13.07.2025 beschrieben.
Es gibt aber noch einige andere Faktoren, die den Landgang eines Tropensturms nicht selten unberechenbar bzw. schwer vorhersagbar machen.
Der Tropensturm ist ja ein sich rasch drehendes System, bestehend aus sehr schnell um ein Zentrum wirbelnder Winde, die somit ein hohes Maß an Wirbelhaftigkeit bzw. Rotation aufweisen, im engl. unter dem Begriff "Vorticity" bekannt. Über Wasser, wo das tropische System keine Landmassen oder aber andere meteorologische Faktoren wie Fronten oder Tröge (mit hoher Windscherung) stören, ist so ein Sturm meist durch eine symmetrische, nahezu kreisrunde Verteilung der Vorticity auszumachen. Mittlerweile können sehr hochaufgelöste numerische Simulationen gar diese Vorticity weiter auflösen in unzählige, sich um das Zentrum windende Vorticity-Fragmente und Schlieren. Der Einfachheit halber aber sehen wir den Sturm als eine einheitliche Rotationsmasse an.
Trifft der Sturm nun an Land, so wird natürlich auch erst ein Teil des Sturmes durch die Interaktion mit dem Land negativ bzw. positiv beeinflusst.
Negativ, weil das Windfeld und die begleitende Rotation durch die Interaktion mit der Landmasse in dem Bereich regelrecht fragmentiert bzw. vereinfacht gesagt stark gestört wird. Das hat meist eine Abnahme der Symmetrie und regional auch der intensiven Konvektion zur Folge und kann sich z.B. sehr kurzfristig auf die Verlagerung eines Sturmes auswirken. Fachlich wird das u.a. als "trochoidal motion" bezeichnet und kann z.B. durch eine asymmetrische Verteilung der Vorticity bzw. der begleitenden intensiven Konvektion hervorgerufen werden (neben weiteren Einflüssen). Bereits kleinste Abweichungen des Zentrums von der vorhergesagten Zugbahn können dabei enormen Einfluss z.B. auf Evakuierungszonen haben. Auch das Ausmaß der küstennahen Überflutung wird bedeutend von der exakten Zugbahn beeinflusst, weshalb es immer besser ist, die evakuierten Bereiche etwas gröber zu fassen.
Wiederholt tritt dieser Effekt in beeindruckender Weise vor Taiwan auf. Wenn die Taifune hier aus südöstlicher Richtung auf die Insel treffen, ergeben sich durch den Einfluss der bergigen Region nicht selten beeindruckende Abweichungen von der vorhergesagten Verlagerung. Nicht selten werden gar Loopings beobachtet. Dies kann man in Abbildung 2 erkennen, wo einige dieser Zugbahnen übereinandergelegt wurden.
Positiv (mit Blick auf den Organisationsgrad des Sturmes) kann sich die Landinteraktion aber auf die Konvektionsbänder auswirken, die einen ausgewachsenen Sturm in den meisten Fällen begleiten. Durch die vorübergehend verstärkte Konvergenz entlang der Küste wird die Konvektion innerhalb der Bänder zeitnah intensiviert, was nicht nur die Regenraten erhöht, sondern auch das Potenzial für höhere Windgeschwindigkeiten verstärkt. Dies kann sich natürlich ebenfalls auf die ggf. noch nicht abgeschlossene Evakuierung auswirken, denn nicht selten sorgen bereits diese Bänder weit abseits vom eigentlichen Sturm für die ersten umgeknickten Bäume oder unterbrochenen Stromleitungen.
Ansonsten kann man aber natürlich unter dem Strich sagen, dass über kurz oder lang die innere Struktur eines Tropensturms beim Landgang nachhaltig degradiert wird, was einen mehr oder weniger schnellen Abschwächungstrend induziert. Dieser findet umso nachhaltiger statt, je höher die störende Orografie ist. Eine zunehmende Windscherung, fehlendes Wasser bzw. auch zunehmende Windscherung und/oder trockenere Luftmassen sorgen dann in der Folge für eine Abschwächung des tropischen Sturms bzw. bei weit nordwärts ausgreifenden Zugbahnen auch für eine außertropische Umwandlung.


Aktuell trifft der Taifun KAJIKI auf das südliche Nordvietnam, bringt den Regionen Orkanböen und heftigen Regen, bevor sich der Sturm unter zügiger Abschwächung über dem Norden von Laos und Thailand bzw. im Osten von Myanmar auflöst, dort allerdings heftige Regenfälle mit der Gefahr von Sturzfluten und Erdrutschen auslöst. Nicht selten fallen solche Auflösungsprozesse über bergigen Landmassen schadensträchtiger aus als der eigentliche Landgang, was leider auch die Anzahl der Todesopfer betrifft. Auch bei diesem Sturm konnte ein Einfluss der Landnähe (allerdings ohne direkten Landgang) beobachtet werden. In Abbildung 3 ist zu sehen, wie sich die Augenwand während der Passage knapp südlich der Insel Hainan immer weiter intensivieren und das Auge gar schließen konnte. Dabei erkennt man die Konvektion vor allem durch die rote bis schwarze Einfärbung, was auf der Farbskala entsprechend niedrige Temperaturwerte darstellt. Hier spielte sicherlich neben weiteren Mechanismen auch die verstärkte Konvergenz zwischen KAJIKI und Hainan eine Rolle, die für eine Intensivierung der Gewitter im Nordrand der Augenwand sorgte.
Es bleibt nun zu hoffen, dass das Ausmaß der Zerstörung durch den Taifun überschaubar bleibt.