24. Oktober 2010 |
Weltweites Niederschlagsdefizit
Nachdem gestern zwei Niederschlagmessgeräte in Kurzfassung
vorgestellt wurden, gehen wir heute auf einige Messfehler und
deren Konsequenzen ein.
Von den vielen Fehlerquellen bei den Niederschlagsmessungen
greifen wir nur zwei heraus.
Das größte Problem ist der Windeinfluss, den man mit bloßem
Auge bei Schneefall und Wind beobachten kann.
Die Schneeflocken fallen schräg auf den Niederschlagsmesser zu
und, bevor sie durch die Öffnung in den Topf hereinfallen,
werden sie vom Aufwind, der vom Messgerät verursacht wird,
nochmals hoch gewirbelt und landen auf der windabgelegenen
Seite am Boden und nicht im Messgerät.
Weht der Wind lang genug aus gleicher Richtung mit gleicher
Geschwindigkeit, finden wir im Lee des Messzylinders einen
Schneehaufen, der eigentlich im Messgerät landen sollte.
Die Größe der dadurch verursachten Messfehler erreicht bei
Pulverschnee Werte bis zu 400%. Man kann sich vorstellen, welch
große Messfehler in alpinen, polaren oder windigen Gebieten im
Laufe der Zeit entstehen.
Es gibt verschiedene Maßnahmen, den Windfehler zu reduzieren,
sie sind allerdings alle nur Behelfe.
So kann man um die Niederschlagsmesser einen Windschutz
aufbauen. Das wird auf Bergstationen planmäßig durchgeführt.
Steht ein Windmesser in der Nähe, lassen sich über im Labor
gemessene Beziehungen zwischen Messfehler und
Windgeschwindigkeit die Messungen mit einem Zuschlag korrigieren.
Der Windeinfluss führt zu einer Unterschätzung des tatsächlich
gefallenen Niederschlags.
Die Höhe der Abweichung hängt von Windstärke und Art des
Niederschlags ab.
Da die Windgeschwindigkeit in die Niederschlagsmessungen
eingeht, sollten klimatologische Niederschlagstrends ohne
Berücksichtigung eventueller Änderungen der Windgeschwindigkeit
immer mit Vorsicht genossen werden.
Das zweite hier beschriebene Problem entsteht durch
unterschiedliche Messergebnisse allein aufgrund verschiedener
Messmethoden.
Betrachten wir uns die beiden gestern beschriebenen Geräte, so
treten insbesondere beim Tropfenzähler folgende weitere Fehler
auf.
Um die festen Niederschläge zu schmelzen, ist der Tropfenzähler
beheizt. Dadurch verdunsten Teile des Niederschlags statt an
der Zähleinrichtung vorbeizufallen.
Bei sehr starken Regenfällen kann der Zähler einzelne Tropfen
nicht zählen, da das Regenwasser als Rinnsal an ihm
vorbeifließt.
Der Tropfenzähler misst damit im Sommer und Winter bei gleichem
Niederschlagseintrag weniger Niederschlag als das Messgerät mit
Sammelkanne.
Nehmen wir an, ein Land misst den Niederschlag mit der
Sammelkanne und das Nachbarland mit dem Tropfenzähler. Dann
können an der Grenze direkt nebeneinander stehende
Niederschlagsmesser zu unterschiedlichen Werten der
Niederschlagshöhe führen, obwohl die gefallenen Niederschläge
gleich hoch sind.
Das kann, wenn die Regenmengen in der Nähe von Schwellenwerten
liegen, dazu führen, dass in einem Land Hochwasseralarm
ausgelöst wird, im anderen Land hingegen nicht.
Dies war nur ein Ausschnitt aus der Vielfältigkeit der
Messfehler. Insgesamt führen sie bei flüssigen Niederschlägen
zu einem Niederschlagsdefizit von 5 bis 15%, bei festen
Niederschlägen zwischen 20 und 50 %. In windexponierten Lagen
sind sie noch deutlich höher.
Da alle Messgeräte weniger Niederschlag messen als tatsächlich
fällt, haben wir ein weltweites Niederschlagsdefizit allein
wegen der Messmethoden.
Dipl.-Met. Christoph Hartmann
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