09. April 2013 | Dipl.-Met. Martin Jonas
Schadenfreude
Jetzt, da der Frühling endlich Einzug hält, kann man sich wieder
aufrichten aus der wärmenden, gekauerten Winterhaltung. Die (ganz)
dicken Klamotten können weg, man klopft sich symbolisch den Frost aus
den Knochen, Und bevor man zum Frühjahrsputz schreitet, muss man nach
all den kalten Monaten mal wieder nach dem Rechten sehen. Und nach
den Nachbarn.
Schließlich ist das eigene Wohlbefinden nicht nur eine absolute,
sondern auch eine relative Größe. Man könnte sagen, dass es manchem
schon allein dadurch gut geht, dass er seine Situation besser
einschätzt als die der anderen. Oder, um es in ähnlicher Weise mit
einem Sprichwort auszudrücken: Schadenfreude ist die schönste Freude.
Schadenfreude beim Wetter? Natürlich geht der Blick dafür zuerst
einmal nach Norden und Osten. Ein guter halber Meter Schnee liegt
noch in weiten Teilen Skandinaviens und Russlands. Auch der Nordosten
Polens und die Baltischen Staaten liegen noch unter einer
geschlossenen Schneedecke. Und die Temperaturen klettern in diesen
Regionen nur ganz knapp über den Gefrierpunkt. Währenddessen ist
Deutschland, von den Mittelgebirgen abgesehen, weitgehend schneefrei
und zweistellige Temperaturen wurden gestern bis ins Emsland und in
die Lausitz gemessen. Das tut - mit Blick auf Russen und Nordmänner -
doch doppelt gut.
Leiden müssen aktuell auch Rumänen und Bulgaren. Die Höchstwerte
lagen dort gestern gebietsweise unter 5 Grad - ein Temperaturniveau,
das wir sogar im Nordosten Deutschlands schon erreicht haben und in
den kommenden Tagen natürlich wieder "toppen" werden. Das
"rumänische" oder "bulgarische" Temperaturniveau findet man aktuell
auch an der Westküste Grönlands. Sie halten das für normal? Stimmt,
allerdings wurden dort am letzten Freitag auch schon über 12 Grad
gemessen. Und deswegen tut es uns auch gar nicht sooo leid, dass es
dort wieder kälter geworden ist.
Auch in Teilen Nordamerikas kann man noch frösteln. In Milwaukee am
Lake Michigan, etwa 100 km nördlich von Chicago und etwa auf der
gleichen nördlichen Breite wie Südfrankreich, waren es gestern nur
maximal 7 Grad. Im nochmals etwa 150 km nördlicher gelegenen Green
Bay, Sportfreunden durch das Football-Team der Green Bay Packers
bekannt, waren es sogar nur 4 Grad - und die Vorhersagen deuten einen
weiteren Temperaturrückgang an. Da hat es in dieser Region schon
wärmere Frühlingstage gegeben. Und wir sprechen - natürlich ganz ohne
Häme - unseren Freunden in Amerika Mut zu. Auch bei Euch kommt der
Frühling - irgendwann!
Abgesehen von den typisch winterlichen Wetterereignissen gibt es aber
auch andere, auf die man problemlos verzichten kann. Sturm und Orkan
zum Beispiel. Damit müssen sich aber aktuell Teile des mittleren
Westens der USA herum schlagen. Mittlere Windstärken von über 60
km/h, lokal sogar von über 70 km/h. Dazu Windspitzen bis in den
Orkanbereich - wir sind diesbezüglich nicht boshaft und drücken
aufrichtig die Daumen, dass sich das Wetter dort bald beruhigt.
Jetzt fehlen in unserem aufkommenden Frühling nur noch die sonnigen
Abschnitte - dann können wir unser Mitgefühl sogar auf dem Balkon,
der Terrasse oder im Biergarten zur Schau stellen.
© Deutscher Wetterdienst
Bild: NOAA
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