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21. Januar 2020 | M. Sc. Sebastian Altnau

Lawinenkunde Teil 2 - Schneemetamorphose

Lawinenkunde Teil 2 - Schneemetamorphose

Datum 21.01.2020

Haben sie schon mal von Becherkristallen, Schwimmschnee oder Firn gehört? Schneemetamorphose verĂ€ndert Neuschnee innerhalb kĂŒrzester Zeit. Welche Prozesse stecken dahinter und welche Auswirkung hat das auf die StabilitĂ€t der Schneedecke?

Das Thema des Tages vom 14.01.2020 beschĂ€ftigte sich mit allgemeinen Voraussetzungen fĂŒr Lawinen und die von ihnen ausgehenden Gefahren. Teil 2 der Lawinenkunde behandelt die Schneemetamorphose. Es gibt drei Arten der Umwandlung: abbauende und aufbauende Metamorphose sowie Schmelzumwandlung.


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ZunĂ€chst braucht es fĂŒr die Schneeumwandlung eine geschlossene und möglichst ausreichend mĂ€chtige Schneedecke, die wir Wintersportler so sehr lieben. Dabei beginnt alles mit dem Hereinbrechen der kalten Jahreszeit. Die Temperaturen sinken und in den Wolken wachsen Eiskristalle in den unterschiedlichsten Mustern, wie Prismen, Sterne, StĂ€bchen, PlĂ€ttchen oder SĂ€ulen immer aus einer sechseckigen Grundform heraus. Dabei sind die Eiskristalle von ihrer Entstehung in der AtmosphĂ€re bis hin zum Schmelzen stĂ€ndigen VerĂ€nderungen unterworfen. Bei einer Temperatur von unter 0°C verhaken sich die Schneekristalle und bilden gemeinsam einzelne Schneeflocken. Ab diesem Zeitpunkt beginnt sich der Schnee zu verĂ€ndern. Anfangs haben die Schneeflocken noch eine super Bindung untereinander. Ihre Struktur mit den vielen Armen lĂ€sst Platz fĂŒr viel Luft in den ZwischenrĂ€umen und sorgt dafĂŒr, dass sich die einzelnen Schneeflocken trotzdem gut ineinander verkeilen und sich gegenseitig zusammenhalten. Jetzt gibt es besten Pulverschnee auf der Skitour.

Doch lange bleibt dieser Zustand nicht erhalten und setzt unmittelbar nach der Ablagerung ein. Die abbauende Schneemetamorphose beginnt. Viele der feinen Äste und Spitzen brechen ab, die Kristalle werden kleiner und bekommen gerundete Ecken (Filziger Schnee). Windeinwirkung kann diesen Vorgang zusĂ€tzlich unterstĂŒtzen, sodass eine regelrechte ZertrĂŒmmerung stattfindet. Die Schneekristalle verkleinern ihre OberflĂ€che und GrĂ¶ĂŸe weiter, im Bestreben die Kugelform zu erreichen. Schließlich werden die vormals sehr unterschiedlichen Schneekristalle zu kleinen runden Körnern, sodass sich der Porenraum dazwischen verringert. Die Luft aus den ZwischenrĂ€umen verschwindet und die Schneedecke setzt sich. Die Verbindungen zwischen den Körnern sind relativ fest und es entsteht eine stabile, gesetzte Altschneedecke.

Die abbauende Metamorphose findet bei einem Temperaturgradienten von weniger als 15K/m aber bei Temperaturen unter 0°C innerhalb der Schneedecke statt. Bei -5°C dauert die abbauende Umwandlung zwischen einer und zwei Wochen. Bei höherer Temperatur oder grĂ¶ĂŸerem Druck wird die Umwandlung beschleunigt.

Die VerĂ€nderung der Schneedecke muss aber an diesem Punkt noch nicht abgeschlossen sein. Existieren innerhalb der Schneedecke grĂ¶ĂŸere Temperaturunterschiede - z. B. aus dem Grund, dass die Bodentemperatur konstant bei 0°C liegt, aber die Schneedecke wegen extrem kalter Außentemperaturen wesentlich niedriger ist, kommt es zur sogenannten aufbauenden Schneemetamorphose. Voraussetzung fĂŒr das Einsetzen der aufbauenden Umwandlung ist ein Temperaturgradient der grĂ¶ĂŸer als 15K/m ist. Insbesondere in Verbindung mit geringen Schneehöhen. Je dĂŒnner also die Schneehöhe (bevorzugt an GelĂ€ndekanten oder an Felsen), desto geringer die erforderliche KĂ€lte.

Durch den Temperaturgradienten beginnt der Wasserdampf im Porenraum von den wĂ€rmeren bodennahen Schichten zu den kĂ€lteren im Bereich der SchneedeckenoberflĂ€che zu wandern. Trifft der Wasserdampf auf ein Eiskristall, lagert er sich an seiner Unterseite ab und der Kristall beginnt nach unten zu wachen. Es kommt zum Aufbau und zur VergrĂ¶ĂŸerung von prismatischen, quaderartigen, pyramiden- oder sĂ€ulenförmigen Schneekörnern. Kantige Formen bilden bei fortschreitender Umwandlung Becherkristalle oder den sogenannten Schwimmschnee (auch als Tiefenreif bezeichnet). Bei der Entstehung grĂ¶ĂŸerer Körner haben diese weniger Kontaktpunkte zueinander und es entsteht ein grĂ¶ĂŸerer Porenraum. Dadurch tritt eine starke Entfestigung der Schneedecke ein und es entstehen Schwachschichten, die sozusagen im Verborgenen liegen und die Lawinengefahr erhöhen. Die aufbauende Umwandlung lĂ€uft im Vergleich zur abbauenden Umwandlung langsamer ab. Sie dauert zwei bis vier Wochen bis zum Aufbau von Becherkristallen.

Steigt die Temperatur in der Schneedecke hingegen auf ĂŒber 0°C, dann setzt die Schmelzumwandlung ein. Wenn die Schneekristalle anfangen zu schmelzen, setzt sich die Schneedecke und eine Verfestigung tritt ein. Ebenso wird die Umwandlung durch Feuchtigkeitszufuhr, wie Regen oder Nassschnee, gefördert. Gefriert der durchfeuchtete Schnee, entsteht ein Schmelz-Harschdeckel, der bei entsprechender Dicke stabilisierend auf die Schneedecke wirkt. Bei starker Durchfeuchtung der Schneedecke durch Regen oder Sonneneinstrahlung kommt es zu einem Festigkeitsverlust, da das freiwerdende Wasser zwischen den Kristallen nach unten ablĂ€uft. Die SchneeoberflĂ€che wird wellig und bucklig. Wenn das Wasser auf eine wasserundurchlĂ€ssigere Schicht oder bis zum Boden lĂ€uft, entsteht dort ein Schmelzwasserstau, der wie eine Schmierschicht wirkt. Diese Schicht ist eine ideale Gleitbahn fĂŒr Nassschneelawinen.

Beim Einsickern von Schmelzwasser in kalte Zonen können auch in tieferen Schichten Eislamellen entstehen. Wenn der Vorgang des Schmelzens und Gefrierens lĂ€nger als ein Jahr andauert, entsteht Firn. Dauert diese Änderung ĂŒber mehrere Jahre an, geht der Firn bei entsprechenden Bedingungen in Gletschereis ĂŒber.



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