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16. Dezember 2015 | M.Sc. Met. Stefan Bach

Piteraq

Piteraq

Datum 16.12.2015

Plötzliche Wetteränderungen können einen ganz schön überraschen, manchmal sogar förmlich "überfallen". Ein lokales Windsystem in Ostgrönland trägt in der Übersetzung genau diese Bezeichnung.

An dieser Stelle konnten treue Leser unseres Themas des Tages schon öfter etwas über lokale Windsysteme, wie zum Beispiel Bora, Land- und Seewind, Föhn usw., lesen. Heute soll ein weiteres lokales Windsystem behandelt werden: der Piteraq. Noch nie gehört? Das ist nicht so schlimm und eigentlich auch kein Wunder, denn dieser Wind tritt an der ostgrönländischen Küste auf.

Das Wort "piteraq" stammt aus dem Grönländischen (einer eskimo-aleutischen Sprache) und bedeutet so viel wie "das, was einen überfällt". Beim Piteraq handelt es sich um einen sogenannten katabatischen Wind, also um einen kalten, ablandigen Fallwind. In kalten, wolkenfreien und windstillen Nächten wird die Luft über dem Landesinneren Grönlands durch das dort vorhandene Inlandeis stark abgekühlt. Dadurch bildet sich über dem Eis eine dicke Schicht sehr kalter Luft, die von der darüber liegenden, wärmeren Luft entkoppelt ist. Bekanntermaßen ist kalte Luft schwerer als warme und bewegt sich aufgrund der Gravitationskraft abwärts, wenn sie die Möglichkeit dazu hat. Und genau das hat sie über dem teils sehr hoch liegenden Inlandeis (Gipfel des Eisschildes: Summit, 3216 m). In gleicher Weise, wie eine Lawine einen Berg hinunterrollt, strömt auch die Luft über das Eis. Wenn die Landschaft Schluchten oder andere Einschnitte aufweist, wird diese Strömung noch weiter beschleunigt.


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Während solch eine Strömung meist gemächlich abläuft, kann sie unter bestimmten Umständen mehr als doppelte Orkanstärke erreichen. Am 5. Februar 1970 verlagerte sich ein Tiefdruckgebiet von der kanadischen Labrador-Halbinsel zur Baffininsel. In der Folge kam es zu einem ungewöhnlich kräftigen Kältevorstoß nach Westgrönland. Ein weiteres Tief, das sich nahe der Südspitze Grönlands (Kap Farvel) gebildet hatte und unter Intensivierung in die Dänemarkstraße (Meerenge zwischen Island und Grönland) weiterzog, förderte die kalte Luft über das Inlandeis an die Ostküste. Zur besseren Anschaulichkeit können Sie sich auch die Bodenwetterkarte vom 6. Februar 1970, 07 Uhr MEZ im linken Teil der Abbildung anschauen. Die Kaltluft erreichte die Ostküste in der Nacht zum 6. Februar. In die Geschichte der Wetterbeobachtung auf Grönland gingen die Böen ein, die im ostgrönländischen Küstenort Tasiilaq (der zu jener Zeit noch Ammassalik hieß) gemessen wurden: Am Nachmittag des 6. Februars 1970 wurde der Windmesser bei einem Mittelwind von 54 m/s (194 km/h) und Böen von 70 m/s (252 km/h) zerstört. Im Nachhinein schätzte man die aufgetretenen Böen auf bis zu 90 m/s (324 km/h). Personen kamen nicht zu Schaden, jedoch wurde der Ort so stark verwüstet, dass man sogar überlegte, ihn aufzugeben.

Eine ähnliche Wetterlage wie 1970 gab es auch vor gut drei Wochen, nämlich in der Nacht vom 22. auf den 23. November und am Tage selbst. Zu dieser Zeit wurde Tasiilaq erneut von einem Piteraq "überfallen", wie auch die Bodenwetterkarte vom 23. November 2015 im rechten Teil der Abbildung zeigt. Zwischen 7 und 8 Uhr (MEZ) erreichte der Mittelwind 32 m/s (115 km/h) mit Böen bis zu 53 m/s (191 km/h). An einer privaten Wetterstation sollen sogar 70 m/s (252 km/h) gemessen worden sein. Die Schäden waren umfangreich.



© Deutscher Wetterdienst

Bild: DWD

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