16. März 2015 | Dipl.-Met. Helge Tuschy
Ungewöhnliche Wärme in Skandinavien und im Nordwesten Russlands
Die Zeit der Kälte und des Schnees ist bereits weit fortgeschritten und sowohl die Natur als auch viele Menschen erwarten den nahenden Frühling, der in diesem Jahr vielerorts bereits seine Fühler nach Deutschland ausgestreckt hatte.
Doch es ist noch "Mitte März" und man sollte seine Augen nach Skandinavien oder Westrussland richten, wo sich eisige Luftmassen auch weiterhin auf den Weg nach Süden aufmachen können. Daher wollen wir heute einen Blick in die nördlichen Gefilde werfen, wo sich (so viel sei schon einmal verraten) vorübergehend ein sehr ungewöhnliches Temperaturniveau einstellen wird.
Wie so oft fällt rückblickend auf, dass die Wetterentwicklung auf dem
Nordatlantik betrachtet werden muss, um die aktuelle synoptische Lage
im Nordwesten Russlands und Skandinaviens verstehen zu können. Im
Verlauf des Freitags, dem 13. März, fand von Grönland und Kanada
ausgehend ein mächtiger Kaltluftausbruch statt, der sich bis zum
Folgetag weit auf den Nordatlantik nach Süden ausgeweitet hatte. Die
kalte Luft drang sogar so weit südlich vor, dass vorderseitig
subtropische Luftmassen animiert wurden, zügig in Richtung Schottland
und Irland zu ziehen. Der Transport der feucht-milden Luft wurde
durch rege Tiefdrucktätigkeit noch weiter verstärkt, die sich entlang
des Übergangsbereichs zwischen der arktischen Kaltluft und der
Subtropenluft ausbilden konnte. Am Samstag, den 14. März, wurde
Island von dieser Warmluft erfasst, die Grönlandsee und Spitzbergen
im Verlauf des gestrigen Sonntags. Dabei kam es zu einer positiven
Temperaturabweichung im Vergleich zum Mittel von 1979-2000 um teils
mehr als 10 Grad, wobei sich diese Werte auf die freie (untere)
Troposphäre beziehen. Direkt an der Erdoberfläche über Land konnten
sich teils zähe Inversionen mit entsprechend niedrigeren bodennahen
Temperaturen halten. Teils griff die Warmluft bis zum Boden durch,
wie zum Beispiel im Norden und Nordosten Islands (Skjaldthingsstadhir
mit 12.6 Grad Celsius am 14. März), wo um diese Jahreszeit
normalerweise Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt zu erwarten
wären.
Solch ein Transport von warmer Luft ist besonders dann von Interesse,
wenn diese hochreichend erfolgt. Momentan strömt also nicht nur warme
Luft in der unteren Troposphäre (1-2 km über Grund) nach Norden,
sondern hochreichend bis in 5 km Höhe. Das wiederum bedeutet, dass
sich das über Skandinavien befindliche Hochdruckgebiet weiter
verstärkt, denn warme Luft hat die Eigenschaft, dass sie sich stärker
ausdehnt und somit die Druckflächen anhebt. Daraus resultiert häufig,
wie auch in diesem Fall, ein sogenanntes blockierendes
Hochdruckgebiet, welches sehr kräftig und nahezu stationär ist. Solch
ein Hochdruckgebiet kann das Wetter in den betreffenden Regionen über
Tage hinweg beeinflussen.
Durch die Warmluftzufuhr verstärkt sich das Hochdruckgebiet über
Skandinavien auf über 1050 hPa (der Normaldruck auf Meeresniveau
beträgt 1013 hPa) und verlagert seinen Schwerpunkt allmählich nach
Osten, um heute dann den äußersten Westen Russlands zu erreichen. Die
in den obigen Abschnitten beschriebene Warmluft wird nun im Zuge
dieser Ostverlagerung über die Barentssee in den Nordwesten und
Westen Russlands geführt, wo die positiven Temperaturabweichungen vom
langjährigen Mittel besonders rund um das Uralgebirge bei 15 bis
teils 20 Grad liegen werden. Während die Temperaturen in 1.5 km über
Grund (entspricht ungefähr einem Druckniveau von 850 hPa) in dieser
Region Mitte März im Jahre 2012 bei -15 Grad, im Jahr 2013 bei bis zu
-20 Grad und im Jahr 2014 bei unter -10 Grad lagen, erwarten wir
heute westlich des Uralgebirges Temperaturen von 0 bis etwa +5 Grad!
Zusammen mit einem starken Druckgradienten und einem böigen West- bis
Nordwestwind sollten bei einer Durchmischung der unteren
Luftschichten Temperaturen bodennah von deutlich über 5 Grad erreicht
werden.
Diese Entwicklung sorgt natürlich auch bei uns in Deutschland dafür,
dass die kommenden Tage über aus dieser Region keine eisige Kaltluft
nach Deutschland fließen kann. Eher sorgen die Ausläufer dieser
Warmluftzufuhr für einige milde Tage in Deutschland mit Temperaturen
von über 15 Grad. Die Wettermodelle sind sich allerdings recht
einig, dass in etwa einer Woche in diesen nördlichen Bereichen wieder
normale und somit eisige Werte zurückkehren sollen, wobei dann auch
für Deutschland die Wahrscheinlichkeit steigt, dass im letzten
Märzdrittel wohl erneut ein Kälterückfall bevorstehen könnte. Wie
dauerhaft und kräftig dieser ausfällt lässt sich aus heutiger Sicht
jedoch noch nicht sagen. Nur eines kann schon verraten werden: auch
bei dieser Wetterentwicklung wird das Wetter über dem Nordatlantik
ebenfalls einen nicht unbedeutenden Einfluss ausüben.
© Deutscher Wetterdienst
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