12. November 2014 | Dipl.-Met. Jens Hoffmann
Im Süden nass, im Norden warm - die Alpen als Wetterscheide par excellence
Interessierten Beobachtern des hiesigen Wettergeschehens ist es bereits im vergangenen Winter aufgefallen: Die überproportionale Häufung von sogenannten Südlagen, bei denen Luftmassen subtropischen Ursprungs gen Norden verfrachtet werden und in bzw. an den Alpen für krasse Wettergegensätze auf einer vergleichsweise kleinen Strecke sorgen.
So wurde im Winter 2013/14 die Alpensüdseite mit meterhohen Schneemassen "zugeschüttet", während die Skifahrer auf der Nordseite teilweise froh sein konnten, überhaupt ein paar Schwünge ansetzen zu können.

Ob sich dieses Szenario im bevorstehenden Winter wiederholen wird,
vermag niemand zu sagen. Tatsache ist aber, dass sich auch der
laufende Herbst durch wiederholte Südlagen auszeichnet, als wolle uns
die Atmosphäre sagen "seht her, wenn sich erst mal eine bestimmte
Strömungskonfiguration eingestellt hat, dann bleibt es für einige
Zeit dabei". Wie lange diese Zeit dauern wird, ist wie gesagt offen,
gleichwohl dürfte es einige eingefleischte Pessimisten unter den
Winterfans hier vor Ort geben, die die aktuelle Wetterlage auch auf
den kommenden Winter projizieren und damit eine erneute Schneearmut
am nördlichen Alpenrand sowie in den Mittelgebirgen ableiten.
Nun, der Verfasser beteiligt sich schon von Berufs wegen nicht an
solchen Spekulationen, sondern möchte an dieser Stelle die aktuelle
Situation etwas genauer durchleuchten. Seit vergangenem Sonntag fällt
nämlich südlich der Alpen, vor allem direkt am Südhang des Gebirges,
dauerhafter und vielfach ergiebiger Niederschlag, während auf der
Alpennordseite Föhn, Sonne und (November-)Wärme das Thema sind.
Welche genauen atmosphärisch-physikalischen Mechanismen zu den
verschiedenen Wetterphänomenen führen, soll an dieser Stelle nicht
erläutert werden (siehe dazu u.a. Themen des Tages vom 4. und
5.11.2014, zu finden im Archiv rechts). Das Prinzip einer solchen Wetterlage ist aber
eigentlich immer das gleiche. Während über dem nahen östlichen
Nordatlantik (also knapp westlich des europäischen Kontinents) tiefer
Luftdruck herrscht, befindet sich über
Ost-, teils auch über Nordeuropa ein Hochdruckgebiet. In Folge dieser
Konstellation stellt sich über dem Süden und der Mitte Europas eine
südliche Strömung ein, die über das Mittelmeer streicht und dabei
reichlich Wasserdampf aufnimmt (aktuelle Oberflächentemperatur um
20°C). Trifft diese Luftmasse dann auf die weitgehend
west-ost-exponierten Alpen, wird sie zum Aufsteigen gezwungen, was
wiederum Wolken- und Niederschlagsbildung zur Folge hat. Im Norden
der Alpen kommt davon nicht mehr viel oder gar nichts an, dort ist
dann die Luft trocken und nicht selten warm.
Kommen wir zur aktuellen Bilanz. In den vergangenen drei Tagen kam es
vor allem in Teilen Südfrankreichs und Norditaliens sowie in der
Südschweiz zu andauernden und kräftigen Regenfällen, die teilweise
noch durch Gewitter verstärkt wurden. Entsprechend gab und gibt es
Überschwemmungen, aber auch die Gefahr von Erdrutschen,
Schlammlawinen oder Murenabgängen ist ziemlich hoch.
Aufsummiert über die vergangenen drei Tage kamen z.B. in der
Südschweiz, vor allem im Tessin an vielen Orten bis 200 Liter pro
Quadratmeter (l/qm) Niederschlag zusammen, örtlich sogar noch etwas
darüber. Die Schneefallgrenze lag dabei mit meist 1700 bis 2000 m
ziemlich hoch. An der knapp 1900 m hoch gelegenen Station Robiei
wurden in 72 Stunden 240 l/qm Niederschlag registriert, im gerade mal
420 m hoch gelegenen Cevio (knapp 20 km nordwestlich von Locarno)
waren es 187 l/qm. Locarno selbst kam am Flughafen Monti (366 m) auf
139 l/qm, Lugano (rund 270 m) auf 114 l/qm und Stabio (rund 350 m) im
Südzipfel des Tessins auf 141 l/qm (siehe auch Grafik). Am Lago Maggiore beispielsweise
herrscht die höchste Gefahrenstufe für Überschwemmungsgefahr (mehr zu
den Verhältnissen in der Schweiz finden Sie bei den Kollegen des
Schweizer Wetterdienstes unter http://www.meteoschweiz.ch unter den Rubriken
"Aktuelles" oder "Tagesaktualität"). Imposant ist auch die Regensumme
der ligurischen Metropole Genua, wo seit Sonntagabend etwa 290 l/qm
gefallen sind (interpolierte Menge, da ein 12-stündiger Messwert
fehlt).
Während es südlich der Alpen also teilweise "Land unter" zu vermelden
gab, litt der eine oder andere auf der Nordseite des Gebirges
möglicherweise unter Kopfschmerzen. Kräftiger Südföhn sorgte nämlich
nicht nur für schweren Sturm oder Orkanböen auf einigen Alpengipfeln,
sondern auch für trockene Luft, Sonnenschein und hohe Temperaturen.
Unmittelbar am deutschen Alpenrand stieg die Temperatur am Dienstag
auf über 15°C, in Oberstdorf offiziell sogar auf 20,1°C. Dagegen
wurden rund um München nur 8 oder 9°C registriert.
Im Laufe des heutigen Mittwochs bricht der Föhn allmählich zusammen
und auch die Stauniederschläge im Süden verlagern sich unter
Abschwächung langsam nach Osten. Am Donnerstag und teils auch noch am
Freitag stellt sich eine Niederschlagspause ein, bevor zum Samstag
hin neue kräftige Regenfälle (in höheren Lagen Schneefälle) auf der
Karte stehen.
© Deutscher Wetterdienst
Bild: DWD
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