00:51 MESZ | 24.06.2025 Profi-Wetter| Mobile Seite| Kontakt| Impressum| Datenschutz
Facebook Twitter
Drucken
21. Oktober 2024 | MSc.-Meteorologe Thore Hansen

OSCAR - Ein Hurricane läuft unter dem Radar

OSCAR - Ein Hurricane läuft unter dem Radar

Datum 21.10.2024

Eigentlich versprach das vergangene Wochenende unspektakulär zu verlaufen in Sachen nordatlantischer Tropenstürme. Dies änderte sich abrupt, als Fernerkundungsmessungen via Satelliten einen Gewitterkomplex unter die Lupe nahmen und erst recht, als ein Aufklärungsflugzeug der US-Amerikaner in den kleinen Wirbel flog. Wir sprechen heute über Hurrikan OSCAR, den es laut Wettermodellen nicht hätte geben sollen.

Das National Hurricane Center (NHC), eine Abteilung des Nationalen Wetterdienstes der USA, überwacht den Nordatlantik hinsichtlich der Bildung und Verlagerung von tropischen Stürmen. Am vergangenen Samstag, den 19. Oktober 2024, deuteten zwei "X" auf der Karte auf zwei Regionen hin, die unter Beobachtung standen, weil dort eine erhöhte Gewitteraktivität vorhanden war. Beiden "Systemen" wurde eine geringe bis mittlere Entwicklungschance zu einem tropischen Sturm innerhalb der nächsten zwei Tage gegeben. Nur einige Stunden später wurde kommuniziert, dass im Nordteil der Karibik nicht nur eine tropische Depression oder ein tropischer Sturm, sondern ein Hurrikan aktiv war und in Kürze Land bedrohte. Wie kam es zu dieser rasanten Entwicklung?

Über den Ozeanen stehen uns Meteorologen nur wenige direkte Messungen vor Ort zur Verfügung. Diese stammen von Schiffen oder Bojen. Eine andere Datenquelle sind Satelliten, die die Region zum Teil rund um die Uhr im Blick haben (geostationär) und zum anderen Teil die Erde umkreisen (polarumlaufend) und dementsprechend nur im Abstand mehrerer Stunden für eine bestimmte Region Daten liefern. Ein solcher Überflug eines polarumlaufenden Satelliten sowie die Daten eines geostationären Satelliten unter Tageslicht führten zu einer Neubewertung des Gewitterkomplexes. Anders als bisher angenommen war dies keine unorganisierte Zusammenballung von Schauern und Gewittern, sondern in Kreisen angeordnete Konvektion. Dies war ein starker Hinweis, dass ein geschlossenes Windfeld vorhanden war. Die Daten deuteten nun auf ein Tief in Sturmstärke hin. Aus der geringen Wahrscheinlichkeit wurde also ein tropischer Sturm, OSCAR.


Karte mit Gebieten, die Wind in Hurrikan- oder Sturmstärke entlang der Zugbahn von OSCAR zeigt. (Quelle: NHC https://www.nhc.noaa.gov/)
Karte mit Gebieten, die Wind in Hurrikan- oder Sturmstärke entlang der Zugbahn von OSCAR zeigt. (Quelle: NHC https://www.nhc.noaa.gov/)


Aufgrund der überraschenden Entwicklung wurde kurzfristig eine Aufklärungsmission durch die NOAA Hurricane Hunters geflogen. Diese fanden aber keinen tropischen Sturm, sondern einen Hurrikan mit einer mittleren Windgeschwindigkeit von knapp 140 km/h vor. Nur wenige Stunden nachdem OSCAR offiziell "geboren wurde", wurde er zum Hurrikan hochgestuft. Diese Entwicklung war aber sehr wahrscheinlich nur in unseren Daten und nicht in der Realität so abrupt. OSCAR war recht sicher schon deutlich vor der offiziellen Hochstufung ein Sturm bzw. Hurrikan.

Zusätzliche Brisanz gewann die plötzliche Hochstufung durch die Nähe zu den Turks- und Caicosinseln nördlich von Haiti und der Dominikanischen Republik. Einen Teil dieser Inseln überquerte OSCAR auf seinem Weg nach Westen bzw. Südwesten und in der Nacht zum Montag erreichte er den Osten Kubas. Von dort soll sich OSCAR, mittlerweile zum tropischen Sturm abgeschwächt, in den kommenden Tagen auf nordöstlicher Zugbahn erneut über Teile der Großen Antillen hinwegbewegen.


Karte mit der prognostizierten Zugbahn von Oscar, ausgehend von Kuba nach Nordosten.
Karte mit der prognostizierten Zugbahn von Oscar, ausgehend von Kuba nach Nordosten.


Doch wie konnte OSCAR sich fast unbemerkt zum Hurrikan entwickeln? Einer der beiden Hauptgründe wurde schon genannt: die dünne Datenlage für die Region zu diesem Zeitpunkt. Ein anderer Grund war die Größe von OSCAR. OSCAR war ein sehr kleiner Sturm und kleine Stürme sind deutlich schwieriger zu detektieren. Zum Zeitpunkt, als die Hurricane Hunter mit ihrem Flugzeug das Auge OSCARS durchflogen, war es kaum größer als das rekordkleine Auge von Hurrikan WILMA (2005) und hatte das kleinste Auge der diesjährigen Hurrikansaison. Eine Folge der fehlenden Messdaten aus dieser Region war das Fehlen des Sturms in den Wettermodellen. Die Qualität der Simulation von Wettermodellen hängt sehr stark von der Qualität und Quantität der zur Verfügung stehenden Messdaten zum Startpunkt des Modells ab. Die fehlenden Hinweise durch die Wettermodelle waren sehr wahrscheinlich ein Grund für die konservative Einschätzung des Systems durch das NHC.

Dieser Fall zeigt, dass es selbst im Jahr 2024 auf kurzer Zeitskala zu größeren Überraschungen und Abweichungen zwischen der Realität und den Wettermodellen kommen kann, wenn der Ist-Zustand in den Modellen nur unzureichend erfasst wird.


Satellitenbild der Karibik von Sonntagabend, 20.10.2024 20 Uhr MESZ mit OSCAR knapp nordöstlich von Kuba. (Quelle: DWD)
Satellitenbild der Karibik von Sonntagabend, 20.10.2024 20 Uhr MESZ mit OSCAR knapp nordöstlich von Kuba. (Quelle: DWD)




© Deutscher Wetterdienst

Themenarchiv:

23.06. - Storm Splitting - Wenn Gewitter sich scheiden lassen

22.06. - Auf Hitze folgen Gewitter und Sturm

21.06. - Sonnengruß zum Sommeranfang

20.06. - Hitzeintermezzo am Wochenende - Temperatursturz zum Wochenstart

19.06. - Die städtische Wärmeinsel

18.06. - Der Schlüssel zur Klimageschichte: Klimaproxys – Teil 2

17.06. - ICON-RUC – Wetterupdate im Stundentakt

16.06. - Rückblick auf die Gewitterlage vom vergangenen Wochenende

15.06. - Erste Tornadozwischenbilanz 2025

14.06. - Gewitterlage mit (großen) Unsicherheiten

13.06. - Hitzewarnsystem des DWD

12.06. - Der Schlüssel zur Klimageschichte: Klimaproxys – Teil 1

11.06. - Abkühlung in Sicht!

10.06. - Kanadischer Rauch trübt Sonnenschein in Europa

09.06. - Erste Hitzewelle des Jahres?

08.06. - Das Weltwetter im Fokus! Wo wird es extrem?

07.06. - Durchwachsene Pfingsten, danach Weichenstellung auf Sommer!

06.06. - Wie entsteht großer Hagel?

05.06. - Schwere Gewitter in Süddeutschland - Ein Rückblick

04.06. - Schwere Gewitterlage

03.06. - Deutschlandwetter im Frühjahr 2025

02.06. - Deutschlandwetter im Mai 2025

01.06. - Gewitternachlese

31.05. - Der Bergsturz von Blatten – Wenn die Alpen ins Rutschen geraten

30.05. - Starkregen, Hagel und einzelne Tornados: Ein Rückblick auf letzten Mittwoch

29.05. - Unwettergefahr am Wochenende

28.05. - Ausflug ins Weltraumwetter – Der aktuelle Sonnenzyklus 25

27.05. - Der Himmel ist bunt – Der Regenbogen

26.05. - Früher Monsun in Indien

25.05. - Vater(Männer)tag in Regenjacke?