10. Juli 2011 |
CAPE vs. CIN - Der Kampf um jedes Gewitter
Sicherlich haben Sie sich nicht nur einmal gefragt: Woher wollen die
eigentlich wissen, wo es heute und morgen Gewitter geben wird? Nun,
zugegeben ... die Gewittervorhersage ist ein sehr komplexer und
komplizierter Prozess. Der Grund ist vor allem die Kleinräumigkeit
der konvektiven Ungetüme. Hat es in Ort A den Garten von Herrn X
unter Wasser gesetzt, musste Schwägerin Y in Ort B den halben
Nachmittag damit verbringen die Beete auf ihrem Grundstück zu gießen.
Das Problem ist jedem bekannt und soll in seinen Ursachen heute auch
gar nicht weiter diskutiert werden. Vielmehr soll es darum gehen, wie
der Vorhersagemeteorologe weiß, ob überhaupt Gewitter in einem
bestimmten Gebiet möglich sind?! Auch dies ist ein ziemlich
umfangreiches Unterfangen um es in einem einzigen Thema des Tages
abzuhandeln. Wir reduzieren das Problem daher einfach mal auf zwei
Größen, namentlich CAPE und CIN.
Und was ist das nun? CAPE und CIN kämpfen nicht direkt gegeneinander,
wie es der Titel impliziert. Vielmehr besteht eine gewisse
Abhängigkeit zwischen beiden. CAPE kann sich noch so sehr anstrengen.
Wenn CIN nicht mitspielt, dann wird nix aus den Gewittern. Während
Kollege CAPE alles dafür tun muss, sich groß zu machen, muss CIN
versuchen so klein wie möglich zu erscheinen. Im Idealfall ist CIN
gar nicht zu sehen.
Ich darf vorstellen: CAPE, ausgesprochen Convective Available
Potential Energy. Zu Deutsch heißt das soviel wie: Potentiell zur
Verfügung stehende Energie für Konvektion. Dabei versteht man unter
Konvektion einfach gesprochen nichts anderes als vertikale
Luftbewegungen. Ein Luftpaket kann immer dann aufsteigen, wenn es
wärmer (und damit leichter) ist als seine Umgebungstemperatur. Es ist
also optimal, wenn die Umgebungstemperatur sehr rasch mit der Höhe
abnimmt. Kollege CAPE macht nun einfach folgendes: Er wandert in der
Atmosphäre von unten nach oben und schaut dabei, wo und um wieviel
ein Luftpaket wärmer ist, als seine Umgebungstemperatur. Die
ermittelten Werte werden aufgerechnet und in einen Energiewert - den
CAPE-Wert - umgerechnet. CAPE hört auch gerne auf den Namen
Instabilität, denn nichts anderes sagt dieser Wert aus. Er beschreibt
die Instabilität der Atmosphäre.
Leider ist CAPE aber nur die halbe Wahrheit, denn es gibt ja auch
noch CIN. CIN heißt soviel wie Convective Inhibition, oder auf
deutsch: Konvektionshemmung. Damit wird klar, dass dieser Kandidat
eher der Gewitterbildung entgegen wirkt. CIN unterbindet das
Aufsteigen von Luftpaketen. Das ist immer dann der Fall, wenn die
Luftpakete kälter sind als ihre Umgebungstemperatur und damit auch
schwerere. Entsprechend fallen diese immer wieder nach unten. CIN
findet man in den unteren Luftschichten und es ist immer dann groß,
wenn die unteren Luftschichten vergleichsweise kalt und/oder ziemlich
trocken sind.
Die Problematik lässt sich also wie folgt zusammenfassen: Was bringt
es einem Luftpaket, wenn es viel Energie in höheren Luftschichten
gibt, wenn es diese nicht nutzen kann, weil es einfach nicht ran
kommt. Man kann das in etwa mit dem Kinderspiel vergleichen, bei dem
ein Junge oder Mädchen mit dem Mund versuchen soll den leckeren
Schokoladenriegel (CAPE) zu erhaschen. Nur leider kommt es nicht
heran, weil CIN (also in diesem Fall Mutter oder Vater), die Leine
einfach zu hoch gespannt hat.
Doch auch wenn CIN so bösartig war, dann heißt das noch lange nicht,
dass das Kind nicht seinen Riegel bekommt oder das Luftpaket zum
Gewitter heran wächst. Kinder sind ja bekanntlich sehr pfiffig. Eine
Möglichkeit wäre, sich einen Hocker zu holen. Übertragen auf das
Gewitter wäre das die Orographie. Berge können helfen das strömende
Luftpaket über die Schwelle zu heben und damit in den Genuss von CAPE
zu kommen. Eine andere Möglichkeit wäre, den hilfsbereiten Nachbarn
zu fragen, ob er das Kind mal eben hochheben kann. In der Welt der
Gewitter übernehmen derartige Hilfsleistungen gerne Fronten
(Kaltfront) oder Gebiete wo Luftmassen zusammenströmen (sogenannte
Konvergenzen).
Bis zu einem gewissen Punkt ist CIN also kein Problem, sondern im
Gegenteil manchmal sogar förderlich. Wäre die Leine so hoch, dass
alle Kinder dran kommen, dann würde es einen riesigen Streit um den
Riegel geben und jeder nur ein Stückchen davon abbekommen. So ist es
auch bei den Gewittern: Gibt es kein CIN, entstehen Gewitterzellen
überall gleichzeitig und nehmen sich gegenseitig die Energie (CAPE)
weg. Häufig entstehen die heftigsten Gewitter gerade dann, wenn auch
etwas CIN da ist. Es darf halt nur nicht zuviel sein.
Heute haben sich CAPE und CIN über Deutschland wieder recht gut
arrangiert. Vor allem über dem Süden und Teilen der Mitte, werden
sich einige, teils auch kräftige Gewitter bilden, die in der Nacht
auch den Osten des Landes erreichen.
Dipl.-Met. Marcus Beyer
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