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26. November 2019 | Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)

Mysteriöse Ringe auf dem Radarbild

Mysteriöse Ringe auf dem Radarbild

Datum 26.11.2019

Letzte Woche kam es zu ringförmigen Strukturen auf Wetterradarbildern. Was war da los?

Vor einigen Tagen erreichten uns Nachfragen von verwunderten Bürgern, die auf Radarbildern der WarnWetter-App mysteriöse Ringe entdeckt hatten. Haben etwa Aliens die Macht über unser Wetter übernommen oder ist einfach die App bzw. das Radar kaputt? Tatsächlich trifft keine dieser Vermutungen zu. Zu sehen war der sogenannte "Brightband-Effekt", um den es im heutigen Tagesthema geht.


Zum Vergrößern bitte klicken
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Um diesen erklären zu können, muss man verstehen, wie ein Niederschlagsradar funktioniert. Kurz und vereinfacht zusammengefasst, besitzt ein Radar einen Sender und einen Empfänger. Der Sender schickt einen gebündelten Strahl aus elektromagnetischen Wellen. Treffen diese auf ein Niederschlagsteilchen, wird ein geringer Anteil des Strahls reflektiert und gelangt zurück zum Empfänger. Es handelt sich also um keine direkte Messmethode von Niederschlag (z.B. Regentopf, der den Regen auffängt), sondern um eine indirekte Methode. Deshalb wird auf dem Radarbild auch nicht die Niederschlagsintensität (z.B. mm/h), sondern die Reflektivität (dBZ), ein Maß für die Stärke des zurückgestreuten Radarsignals, angegeben. Um auf die Intensität des Niederschlags zu schließen, nimmt man an, dass diese mit steigender Reflektivität zunimmt. Und je länger es dauert, bis die ausgesendete Welle zum Empfänger zurückkommt, desto weiter ist der Niederschlag vom Radar entfernt. Aus diesen beiden Informationen erhält man ein zweidimensionales Bild, das die Intensität und Verteilung von Niederschlag zeigt, wie Sie es beispielsweise auf der WarnWetter-App betrachten können.

Damit der Radarstrahl nicht von Hochhäusern oder Bergketten reflektiert wird, wird dieser nicht exakt horizontal, sondern mit einem kleinen Neigungswinkel nach oben ausgesendet (beim DWD je nach Lage 0,1 bis 1,9°). Aufgrund dieser Tatsache misst das Radar also nicht den am Boden ankommenden Niederschlag. Je weiter man sich nämlich vom Radar entfernt, desto höher befindet sich der Radarstrahl über dem Erdboden. Das Radar detektiert demnach je nach Entfernung zum Radar den Niederschlag in einigen Hundert Metern bis wenigen Kilometern über dem Erdboden.

Zu den bisherigen Erklärungen kommt nun noch ein kniffliges Detail dazu und damit kommen wir zurück zum Brightband-Effekt. Die Reflektivität hängt nämlich nicht nur von der Niederschlagsintensität, sondern auch von deren Phase ab. Regentropfen liefern ein stärkeres Rückstreusignal als filigrane Schneekristalle oder Schneeflocken. Die mit Abstand stärkste Reflektivität besitzt schmelzender Schnee (siehe Skizze).

Das dargestellte Radarbild stammt vom Niederschlagsradar im südlichen Essen. Weit vom Radar entfernt (z.B. bei Köln) befindet sich der Radarstrahl bereits so hoch über dem Erdboden, dass er fallenden Schnee sieht. In der Nähe des Radars wird der Strahl hingegen von Regentropfen reflektiert. Im ringförmigen orangefarbenen Bereich mit den stärksten Reflektivitäten befindet sich der Radarstrahl genau in der Höhe, in der der Schnee zu Regen schmilzt. Diese Schmelzschicht wird als Brightband bezeichnet. Die hohen Reflektivitäten sind also nicht - wie man zunächst vermuten könnte - auf besonders starken Niederschlag zurückzuführen, sondern auf die starke Reflexion von schmelzenden Schnee.

Da selbst im Sommer die meisten Regenwolken im oberen Bereich aus Schneeflocken bestehen, tritt der Brightband-Effekt prinzipiell ganzjährig auf. Die Schmelzschicht befindet sich zu dieser Jahreszeit allerdings meist in so größeren Höhen, dass das Brightband nur am äußeren Rand der einzelnen Radarbilder erscheint. Die 17 Radare des DWD-Radarverbunds mit ihrer horizontalen Reichweite von 150 km überlappen sich allerdings so stark, dass die Ränder der kreisförmigen Radarbilder inklusive Brightband abgeschnitten werden und damit das Brightband im finalen flächigen Radarkomposit nicht mehr zu sehen ist. Liegt die Schneefallgrenze nur wenige 100 m über dem Erdboden, reicht die Überlappung jedoch nicht mehr aus, weshalb die Ringe vor allem im Winter zu Tage treten.

Übrigens: Die auf den ersten Blick störende oder irreführende ringförmige Struktur können Sie als positiven Nebeneffekt auch zur Abschätzung der Schneefallgrenze nutzen. Wird der Ring mit der Zeit kleiner, deutet dies auf eine absinkende Schneefallgrenze hin. Ist das Brightband nur noch als Fleck um das Radar zu sehen, ist davon auszugehen, dass auch bei Ihnen der Regen bald in Schneeregen oder Schnee übergeht, sofern Sie sich auf gleichem Höhenniveau wie das Radar befinden.

In den nächsten Wochen und Monaten wird man noch häufiger Ringe auf Radarbildern sehen, immer dann, wenn es in den Niederungen regnet und in mittleren oder höheren Mittelgebirgslagen schneit. Seien Sie sich sicher, auch dann ist alles natürlich und erklärlich - Außerirdische haben damit nichts zu tun ;-)



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