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09. Oktober 2019 | Dr. rer. nat. Jens Bonewitz

Warum Sturmtief Mortimer nicht die ganz große Nummer wurde

Warum Sturmtief Mortimer nicht die ganz große Nummer wurde

Datum 09.10.2019

Sturmtief MORTIMER von Ende September ist mit seinen Sturmschäden vor allem im Norden Deutschlands noch in aller Munde. Die Berechnungen der numerischen Vorhersagemodelle gingen aber von deutlich stärkeren Böen gerade in der Nordhälfte aus. Warum gab es diese aber nicht?

Sturmtief MORTIMER kam vom nördlichen Atlantik als kleines Tief daher und besaß bis zum Erreichen der Nordsee am Sonntag, den 29.09.2019 noch nicht die Eigenschaften eines klassischen Sturmtiefs. Die subtropischen Luftmassen, die es im Gepäck hatte, können beim Zusammentreffen mit den weiter nördlich gelegenen polaren bzw. subpolaren Luftmassen aber durchaus kräftige Winde erzeugen.



Gesagt, getan: Bei seiner Nordostverlagerung über die Nordsee in Richtung westliche Ostsee verstärkte sich MORTIMER sowohl am Boden als auch in der Höhe. Sein Sturmfeld erreichte eingangs der Nacht den Südwesten unseres Landes, zunächst traten die stärksten Winde (rund 110 km/h) nur in ca. 1,5 km Höhe auf. Das änderte sich, als die Kaltfront von Mortimer im Westen und Südwesten am Boden schneller vorankam und die vorderseitige Warmluft anhob. Jetzt setzten intensive Vertikalbewegungen ein, die einen Teil der Höhenwinde "heruntermischten". Somit wurden am späten Abend an einigen Stationen im Saarland und Rheinland-Pfalz, in der zweiten Nachthälfte auch in Tauberfranken orkanartige Böen um 105 km/h registriert.

In der zweiten Nachthälfte zog MORTIMER nach Südskandinavien und anschließend ostwärts über die Ostsee. Ausgangs der Nacht erreichte seine Kaltfront auch die Nordhälfte. Damit einher gingen im Flachland stürmische Böen um 70 km/h und einzelne Sturmböen bis rund 80 km/h, exponiert auch ganz vereinzelt schwere Sturmböen um 90 km/h. Das führte aufgrund belaubter Bäume und eines durch die trockene Vorwitterung geschwächten Baumbestandes zu zahlreichen umgestürzten und umgeknickten Bäumen sowie Behinderungen vor allem des Bahnverkehrs.


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In der Grafik wird gezeigt, inwieweit die beobachteten Böen am Boden (30.09.2019 08 Uhr MESZ, gemessen in 10 m Höhe) von der Vorhersage abweichen, wobei die Punkte die Messdaten und die flächige Darstellung die numerische Vorhersage darstellen.

Die numerischen Vorhersagemodelle simulierten allerdings ungefähr 6 bis 12 Stunden vor dem Sturmereignis Höhenwinde in ca.1,5 km Höhe von bis zu 70 Knoten. Das entspricht ungefähr 130 km/h. Diese sollten laut Numerik insofern "heruntergemischt" werden, als dass im Flachland flächiger schwere Sturmböen Böen zwischen 90 und 100 sowie vereinzelt orkanartige Böen bis 110 km/h gerechnet wurden.

Damit die genannten Höhenwinde aber auch nur annähernd den Boden erreichen, müssen entsprechende Vertikalbewegungen in der bodennahen Schicht zwischen 0 und ca.1000 bis 1500 m auftreten. Das passiert normalerweise an Fronten oder auch dann, wenn in der Höhe diverse Hebungsimpulse vorhanden sind. Die Kaltfront von MORTIMER war allerdings insgesamt zu schwach ausgeprägt. Zudem wurden die simulierten Höhenwinde gar nicht erreicht, da die realen Temperatur- und Druckgegensätze auch in den entsprechenden Höhenlevels nicht ausreichend ausgeprägt waren. Normalerweise erfahren derartige Zyklonen wie unser Mortimer, der einen Hybrid darstellt zwischen klassischer norwegischer Schule und "Shapiro-Keyser-Zyklonen" (siehe http://www.dwd.de/lexikon ) auch noch Unterstützung von ganz oben. Gemeint ist die Einmischung von energiereicher Luft aus der unteren Stratosphäre (also aus rund 10 bis 12 km Höhe). Solche Einmischungen geschehen manchmal bei Interaktionen von oberer Troposphäre und unterer Stratosphäre. Normalerweise merken wir am Boden wettertechnisch wenig davon, aber in diesem Fall kommt es zu einer Wechselwirkung von oberer und mittlerer Troposphäre, die dann z.B. mittels Fronten oder so genannten kalten Transportbändern (Cold Conveyor Belt) in untere Luftschichten übertragen werden kann. Diese führt in der Regel zu einer zusätzlichen Vertiefung des Tiefs am Boden und in der mittleren Troposphäre. Auch dieser Zusatzeffekt konnte nicht oder nur kaum festgestellt werden. Ein guter Indikator zu dessen Erkennung ist das Satellitenbild im Wasserdampfspektrum der mittleren und oberen Troposphäre, wo man die eingemischte trockene Luft aus der unteren Stratosphäre als schwarzes, also wolkenloses Band südwestlich des Tiefkerns erkennen kann (auch Dry Intrusion = Trockeneinschub genannt). Bei MORTIMER war dieses Phänomen nur schwach am Abend des 29.09. in der Südwesthälfte auszumachen, in der Nordhälfte am Morgen des 30.09. fehlte es gänzlich.

Abschließend lässt sich festhalten, dass bei solch komplexen Tiefdruckentwicklungen die numerischen Modellvorhersagen weiterhin Schwierigkeiten mit bestimmten dynamischen und thermodynamischen Paramatern haben. Hier können weitere Verbesserungen der numerischen Wettervorhersage durch zusätzliche Parameter erreicht werden.



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