03. März 2011 |
Kristallkugel
Mit dem Wort Kristallkugel kann man spontan den "Blick in die
Kristallkugel" assoziieren. Damit verbunden sind dann häufig
dubiose "Vorhersagen" oder "Prophezeiungen". Böse Zungen, die
die Wettervorhersage ohnehin nur für ein großes Ratespiel
halten, könnten rufen: "Na endlich, jetzt geben sie es zu!"
Aber stopp!
Die Kristallkugel, von der hier die Rede ist, ist Teil vieler
meteorologischer Messstationen. Sie dient also nicht der
Vorhersage, sondern der Beobachtung. Neben einer Vielzahl
"gängiger" meteorologischen Größen wie Temperatur, Luftdruck,
Feuchte usw. wird im Routinedienst häufig auch die
Sonnenscheindauer aufgezeichnet. Dies geschieht im Messnetz des
Deutschen Wetterdienstes - einschließlich des
Geoinformationsdienstes der Bundeswehr - an 311 Stationen.
Wetterdienste verwenden dazu fast auf der ganzen Welt besagte
Kristallkugel - genauer gesagt einen Sonnenscheinautographen
(siehe "Thema des Tages -> [mehr]). Zentrales Element dieses
Messgerätes ist eine Glaskugel. Auf der sonnenabgewandten Seite
der Kugel wird in einer Halterung ein Papierstreifen befestigt,
der Registrierstreifen. Die Sonnenstrahlung wird durch die
Kugel wie durch eine Linse gebündelt und brennt sich dann in
den Papierstreifen. Durch das Wandern der Sonne bildet sich
eine Brennspur auf dem Papier, die genau dann unterbrochen ist,
wenn die Sonne von Wolken verdeckt wurde. Die Länge der
Brennspur entspricht also der Sonnenscheindauer.
Derzeit erfreulich: Die Brennspur wird immer länger. Denn
erstens geht es mit Riesenschritten auf den astronomischen
Frühlingsanfang zu. In diesem Zeitraum wächst die Tageslänge
und damit die mögliche Sonnenscheindauer am schnellsten.
Zweitens zeigen sich in den letzten Tagen nur sehr wenige
Wolken am Himmel. Arbeitsreiche Tage also für die
Sonnenscheinschreiber.
Rekordhalter am gestrigen Mittwoch waren die Berge: 11 Stunden
und 5 Minuten Sonne auf der Zugspitze, 10 Stunden und 46
Minuten Sonne auf dem Fichtelberg. Südlich einer Linie Köln-
Dresden konnte man fast überall mehr als 10 Stunden Sonne
genießen. Schön für alle, die im Gegensatz zu den
Sonnenscheinschreibern Freizeit hatten. Nicht vergessen wollen
wir aber die Nordlichter. An Nord- und Ostsee konnte sich die
Sonne gegen zähen Hochnebel nicht durchsetzen. Und deshalb
steht dort die: Null!
Wie überall hält aber auch bei der Messung der
Sonnenscheindauer - mancher wird sagen leider - neueste Technik
Einzug. In modernen Geräten messen optoelektronische Sensoren
die Strahlung und liefern "Sonnenschein", wenn die Strahlung
einen Wert von 120 Watt pro Quadratmeter übersteigt. Überall
auf der Welt einsetzbar und ohne "Hilfsmittel" (Papierstreifen)
auskommend, werden sie über kurz oder lang der "Kristallkugel"
den Rang ablaufen.
Dass die Kristallkugel ausgedient hat, ist aber für die
Wettervorhersage und -beobachtung nicht tragisch. Schließlich
gibt es dafür heute modernere Methoden - und damit ist nicht
das Kaffeesatzlesen gemeint!
Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
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