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14. August 2020 | Dipl.-Met. Christian Herold

Chaostheorie Teil 3 - Die Ordnung im Chaos: Von Mandelbrot zum Apfelmännchen hin zu Wettersingularitäten.

Chaostheorie Teil 3 - Die Ordnung im Chaos: Von Mandelbrot zum Apfelmännchen hin zu Wettersingularitäten.

Datum 14.08.2020

In der Meteorologie gibt es eigenartige Witterungsregelfälle, sogenannte Wettersingularitäten. Dies sind Wetterlagen, die in bestimmten Zeiträumen im Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit auftreten. Als Beispiel sein hier das Weihnachtstauwetter, die Eisheiligen oder die Siebenschläfer Regel zu nennen. Wie diese Wettersingularitäten mit der Chaostheorie zusammenhängen, soll heute Thema sein.

In Teil 1 unserer Chaostheoriereihe haben wir gesehen, dass in komplexen Systemen kleine Änderungen in den Anfangsbedingungen große Auswirkungen haben und dadurch der Wettervorhersage Grenzen gesetzt sind. Wo diese Grenzen liegen und wie man dem Chaos etwas beikommen kann, war Thema im Teil 2. Im 3. Teil unserer Reihe werden wir nun sehen, dass der Geometrie im Chaos doch eine gewisse Ordnung innewohnt. Um dies zu veranschaulichen betrachten wir ein weiteres chaotisches System namens Mandelbrotmenge. Mit einem Laib Brot hat diese allerdings nichts zu tun, sondern sie wurde lediglich nach dem französisch-US-amerikanischen Mathematiker Benoit Mandelbrot benannt. Auf die mathematischen Hintergründe soll hier verzichtet werden, da die Mandelbrotmenge nur zur Veranschaulichung dient. Für diejenigen, die sich näher dafür interessieren, sei nur gesagt, dass sich die Mandelbrotmenge in einer 2-dimensionalen Zahlenebene darstellen lässt, indem man ein Pixelraster über die Zahlenebene legt und jedem Pixel, dass zur Menge gehört, die Farbe schwarz zuordnet. Gehört ein Pixel nicht zur Menge so wird eine andere Farbe verwendet, die die Geschwindigkeit angibt, mit der das System (hier eine bestimmte Zahlenfolge) gegen unendlich strebt. Denkt man nun an Chaos, so könnte man meinen, dass sich ein bunter Farbmix ohne jegliche Strukturen zeigt. Jedoch ergibt sich eine geordnete geometrische Struktur, die auch als "Apfelmännchen" bekannt ist (siehe Abbildung). Zoomt man am Rand dieser Struktur hinein, bekommt man wieder fast dieselben Strukturen. Man kann den Rand bis ins unendliche vergrößern und man wird immer wieder ähnliche Formen des "Apfelmännchens" finden. Man nennt dies auch Selbstähnlichkeit. Die Mandelbrotmenge zeigt also, dass es selbst im Chaos eine gewisse verborgene Ordnung gibt und dass Selbstähnlichkeit eine Eigenschaft von chaotischen Systemen ist.

Was hat das Ganze nun mit dem Wetter zu tun? Trotz der chaotischen Natur des Wetters, gibt es bestimmte Ordnungen. Eine Form dieser Ordnung sind ähnliche Wetterlagen, die zu bestimmten Zeiten im Jahr mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auftreten. Man nennt dies auch Wettersingularitäten. Sie lassen sich auf die Selbstähnlichkeit zurückführen. Zu den bekanntesten Wettersingularitäten gehören die Schafskälte, die Eisheiligen, die Hundstage, der Altweibersommer sowie das Weihnachtstauwetter.

Auch die Siebenschläfer Regel basiert auf einer Wettersingularität. Demnach soll das Wetter am Siebenschläfertag, der nach der gregorianischen Kalenderreform auf den 7. Juli fallen würde, 7 Wochen lang anhalten. Es macht natürlich keinen Sinn, einen einzelnen Tag als Lostag zu nehmen. Betrachtet man allerdings einen längeren Zeitraum um die erste Juliwoche, so hat diese Bauernregel besonders in Süddeutschland doch eine erstaunlich hohe Trefferquote. Statistische Untersuchungen haben ergeben, dass die Regel in 60 - 70 % der Fälle zutrifft. Auch in diesem Jahr war das wieder der Fall. Anfang Juni hatte sich eine Westwetterlage eingestellt, die im Wesentlichen über mehrere Wochen stabil blieb und uns einen nur mäßig warmen und vielerorts leicht unbeständigen Sommer brachte. Diese Wetterlage ging Anfang August in eine Hitzewelle über. Diese ist typisch für die sogenannten Hundstage, die häufig die heißesten Tage des Jahres sind.

Nun könnte man auf die Idee kommen, diese Ordnung im Chaos zu nutzen, um Zyklen für die Wettervorhersage zu finden. Auf diese Idee kam der Abt Mauritius Knauer bereits im 17. Jahrhundert. Er war der Ansicht, dass sich das Wetter in einem 7-jährigen Zyklus wiederholen würde. Aus meteorologischer Sicht, lässt sich dies aber nicht bestätigen. Es folgten zahlreiche weitere Versuche, Zyklen im Wetterablauf zu finden, um langfristige Prognosen oder auch Jahreszeitenprognosen zu erstellen. Dies hatte allerdings keinen Erfolg. Alle diese vermeintlichen Zyklen verschwanden, je länger man beobachtete. Gefundene Korrelationen stellten sich als Scheinkorrelationen heraus. Auch das ist ein häufig beobachtetes verhalten chaotischer Systeme. So sind Versuche die verborgene Ordnung des Chaos für die Wettervorhersage zu nutzen bisher alle gescheitert.



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