24. Juli 2015 | Dipl.-Met. Christian Herold
Sturmtief ZELJKO zieht auf Deutschland zu
Nach den für den Sommer typischen Gewittern und der Hitze der letzten Tage erwartet uns jetzt eine für die Jahreszeit sehr ungewöhnliche Wetterlage. Ein Sturmtief zieht auf Deutschland zu.
Abgesehen von Stürmen im Zusammenhang mit Gewittern, treten Sturmtiefs bei uns normalerweise nur vom Herbst bis zum Frühjahr auf. Sie entwickeln sich entlang des Polarfront-Jet-Streams, einem Starkwindband in der oberen Troposphäre, das sich an der Grenze von kalter Polarluft zu warmer Subtropikluft bildet. Im Sommer liegt dieser Jet-Stream in der Regel relativ weit nördlich. Zudem sind die Temperaturgegensätze zu gering, sodass sich für gewöhnlich keine größeren Sturmtiefs bilden können, die uns beeinflussen.
Doch zurzeit liegt der Jet-Stream über dem Atlantik ungewöhnlich weit
südlich, sodass sich dort ein Tiefdruckgebiet bilden konnte, das auf
einer südlichen Zugbahn Richtung Europa zog. Derzeit liegt Zeljko
noch als normales Tiefdruckgebiet vor der Bretagne. Es wird sich
jedoch ab dem heutigen Freitagnachmittag noch deutlich zu einem
Sturmtief verstärken. Der Grund dafür ist, dass noch zusätzlich eine
Kopplung an den weiter südlich liegenden, aber schwächeren
Subtropenjet stattfindet, der Zeljko mit weiterer Energie versorgt.
In Fachkreisen spricht man dann auch von einer sogenannten
Shapiro-Keyser-Zyklone (siehe Thema des Tages 16.01.2015). Einige der
schlimmeren Stürme, wie Xynthia und Christian waren ebenfalls
Shapiro-Keyser-Zyklonen. An ihrer Stärke wird Zeljko jedoch bei
weitem nicht heran reichen.
Auf der Vorderseite von Zeljko wird mit einer südlichen Strömung
heute zunächst feuchte und warme Subtropikluft angezapft und nach
Deutschland geführt, sodass die Temperaturen in der Südhälfte noch
einmal über 30 °C steigen. Allerdings bedeutet dies auch, dass sich
heftige Gewitter mit schweren Sturmböen und Hagel bilden können.
Diese entwickeln sich zunächst vereinzelt im Süden, breiten sich aber
dann in der kommenden Nacht weiter in die Nordhälfte aus.
Am Samstagvormittag ziehen letzte Gewitter nach Osten und Nordosten
ab. Doch dann greift bereits das Sturmfeld Zeljko von Westen her auf
Deutschland über. Die genaue Zugbahn ist zurzeit aber noch nicht
sicher. Derzeit sieht es so aus, dass sich das Sturmfeld im
Tagesverlauf von West nach Ost über den Norden und die Mitte
ausbreitet und in der Nacht zum Sonntag auf den Nordosten übergreift.
Dabei werden verbreitet Sturmböen um 80 km/h erwartet, vereinzelt
auch schwere Sturmböen über 90 km/h. Doch der Sturm könnte noch
einige Überraschungen bringen. Denn Shapiro-Keyser-Zyklonen sind
dafür bekannt, dass sie einen sogenannten Stacheljet (engl. Stingjet)
ausbilden können, in dessen Bereich höhere Windgeschwindigkeiten
auftreten (siehe Thema des Tages 16.01.2015). Dabei wird an der
Südwestflanke des Tiefs in einem relativ eng begrenzten Gebiet durch
dynamische Prozesse die Luft in der Höhe aus dem Polarfrontjet in der
Form eines "Stachels" nach unten gesaugt. Die hohen
Windgeschwindigkeiten im Bereich des Jets werden dabei zum Teil mit
nach unten transportiert. Sollte sich so ein Stingjet ausbilden, was
derzeit nur wenige Modelle simulieren, dann können in einem
schmaleren Bereich auch verbreiteter schwere Sturmböen mit
Geschwindigkeiten um 95 km/h auftreten. Eventuell könnte es dann
sogar vereinzelte orkanartige Böen geben.
Aber auch wenn sich ein Stingjet bildet, wäre Zeljko noch deutlich
schwächer als die großen Herbst- und Winterstürme. Jedoch gibt es ein
großes Schadenspotenzial aufgrund der derzeit stark belaubten Bäume,
die dem Wind eine weitaus größere Angriffsfläche zur Verfügung
stellen als im Winter. Spaziergänge und Zeltlager in Wäldern sollten
in den betreffenden Gebieten am Samstag unbedingt vermieden werden.
Selbst Autofahrten durch Laubwälder und Alleen können zur Gefahr
werden. Besonders Veranstalter von Open-Air-Events sollten die
Warnlage genau im Auge behalten. Ständig aktualisierte Warnungen gibt
es unter http://www.wettergefahren.de und in der WarnWetter-App des
Deutschen Wetterdienstes.
© Deutscher Wetterdienst
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