06:11 MESZ | 29.06.2025 Profi-Wetter| Mobile Seite| Kontakt| Impressum| Datenschutz
Facebook Twitter
Drucken
04. Mai 2021 | Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)

Die zerstörerische Kraft des Winds

Die zerstörerische Kraft des Winds

Datum 04.05.2021

Wind besitzt ein enormes Schadenspotential und zählt daher zu den gefährlichsten Wettererscheinungen. Aber wodurch werden Sturmschäden eigentlich verursacht?

Heute steht uns mit Sturmtief EUGEN vielerorts ein stürmischer Tag ins Haus. Sicherlich ist der heutige Sturm nicht mit verheerenden Winterstürmen vergleichbar, wahrscheinlich wird er dennoch mancherorts Schäden anrichten. Auch generell verursachen Sturmschäden in Deutschland die meisten Kosten und stellen die größte Unwettergefahr dar. Allein Sturm "Sabine" im Februar vergangenen Jahres kostete den Versicherern in Deutschland 675 Millionen Euro. Neben solchen Winterstürmen können auch sommerliche Gewitter verheerende Schäden anrichten. Nicht selten gehen Gewitter mit Sturmböen einher. Von schweren Gewittern erzeugte Fallböen erreichen mitunter sogar Orkanstärke und können kilometerlange Schneisen der Verwüstung hinterlassen. Die größten volkswirtschaftlichen Schäden verursachen natürlich große Sturm- oder Orkantiefs, was neben den Windgeschwindigkeiten vor allem an der räumlichen Ausdehnung der Sturmfelder liegt. Gewitter hingegen hinterlassen meist nur vergleichsweise kleinräumige Schäden, wobei diese lokal begrenzt durchaus heftiger ausfallen können als bei den stärksten Orkanen der Geschichte. Aber wieso besitzt Wind ein derartiges Zerstörungspotential?


Zum Vergrößern bitte klicken
Zum Vergrößern bitte klicken


Wind ist nichts anderes als bewegte Luft. Bei ihrer Beschleunigung wird Energie erzeugt, die sogenannte kinetische Energie. Trifft die bewegte Luft nun auf ein starres Hindernis, wirkt auf dieses eine Kraft, die die Energie abbaut. Das Besondere dabei ist, dass die kinetische Energie proportional zum Quadrat der Windgeschwindigkeit zunimmt. Bei einer Verdopplung der Windgeschwindigkeit wird die vierfache, bei einer Verdreifachung sogar die 9-fache kinetische Energie erzeugt usw. Trifft also Luft mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h auf einen Gegenstand, so wird auf diesem die vierfache Kraft ausgeübt wie bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h. Dies macht hohe Windgeschwindigkeiten so zerstörerisch.

Die soeben beschriebene Krafteinwirkung auf einen Körper nennt man "Windkraft" oder "Winddruck". Dabei ist der Winddruck neben der Windstärke abhängig von der Ausrichtung des angeströmten Gegenstands. Trifft der Wind senkrecht auf ein Hindernis (z.B. eine senkrechte Hauswand), ist der Winddruck größer als bei einem schräg zugewandten Hindernis (z.B. eine Dachschräge). Hält der Gegenstand dem Winddruck nicht mehr stand, kommt es zum Sturmschaden. Auch die Form des angeströmten Körpers hat Einfluss auf den Winddruck. Hält man beispielsweise eine Schüssel in den Wind, dann wirkt auf ihr ein stärkerer Winddruck, wenn der Wind in die Schüssel hineinweht als wenn der Wind von außen auf die Schüssel trifft (Abb. 1). Auf diesem Prinzip basieren auch Schalenkreuzanemometer, also die kleinen Windrädchen, die Windgeschwindigkeiten messen. Der Wind übt einen stärkeren Druck auf die dem Wind zugeneigten Schalen aus als auf die umgedrehten Schalen auf der gegenüberliegenden Seite, wodurch das Rädchen in Rotation versetzt wird. Um Sturmschäden zu vermeiden, besitzen beispielsweise Baukräne eine drehbare Achse, sodass sich der Kran mit dem Wind drehen kann, wodurch die Fläche des Krans, auf den die Windkraft wirkt, minimiert wird. Auch elastische Gegenstände sind weniger anfällig als starre, da sich erstere mit dem Wind bewegen bzw. neigen können. Großflächige Waldschäden sind meist die Folge von Winddruck.

Neben dem Winddruck gibt es noch weitere Effekte, die zu Sturmschäden führen können. Zu nennen ist hauptsächlich die "Sogwirkung an überströmten Flächen". Verantwortlich hierfür ist der sogenannte "Bernoulli-Effekt". Dieses physikalische Gesetz besagt, dass der Luftdruck an überströmten Flächen mit dem Quadrat der Windgeschwindigkeit abnimmt. So entsteht an der Oberfläche des überströmten Körpers ein Unterdruck und es kommt zu einer Sogwirkung. Abgedeckte Dachziegel, Schäden an Flachdächern oder wegfliegende Planen werden meist durch die Sogwirkung des Winds und nicht durch den Winddruck verursacht. Der Unterdruck ist auch dafür verantwortlich, dass einem das Atmen im Gegenwind schwerfällt, dass ein Regenschirm im Wind nach oben umklappt und dass die speziell geformten Tragflächen von Flugzeugen diesem den nötigen Auftrieb verleihen.

Diese Sogwirkung ist jedoch nicht zu verwechseln mit dem Sog von Tornados. Im Inneren des rotierenden Aufwindschlauchs eines Tornados entsteht ebenfalls ein starker Unterdruck, durch dessen Sog alles, was nicht niet- und nagelfest ist, in die Höhe gewirbelt wird. Die Zerstörungskraft des Sogs von Tornados ist entscheidender als dessen Windgeschwindigkeiten.

Zuletzt ist noch der Einfluss der Böigkeit zu nennen. Da der Wind meist nicht mit konstanter Stärke weht, können Wind- und Sturmböen Objekte in Schwingungen versetzen (z.B. schwankende Bäume im Wind). Entspricht die Frequenz von aufeinanderfolgenden Böen in etwa der Eigenfrequenz des Gegenstands, kann es zu einem Aufschaukelungsprozess (Resonanzkatastrophe) kommen. Diese Böeneinwirkung kann Bäume abknicken oder entwurzeln. In sehr seltenen Fällen kann es sogar zum Einstürzen von Bauwerken kommen. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die Tacoma-Narrows-Brücke, die 1940 durch ein Zusammenspiel dieses Resonanzeffekts und der oben beschriebenen Sogeinwirkung einstürzte.



© Deutscher Wetterdienst

Themenarchiv:

28.06. - Bevorstehende Hitzewelle

27.06. - Bunt, vielfältig und heiß: Sommerwetter beim CSD in München und Leipzig

26.06. - Hochsommerlich heiß

25.06. - Nach der Hitze die Gewitter

24.06. - Tief ZIROS - Wetternachlese

23.06. - Storm Splitting - Wenn Gewitter sich scheiden lassen

22.06. - Auf Hitze folgen Gewitter und Sturm

21.06. - Sonnengruß zum Sommeranfang

20.06. - Hitzeintermezzo am Wochenende - Temperatursturz zum Wochenstart

19.06. - Die städtische Wärmeinsel

18.06. - Der Schlüssel zur Klimageschichte: Klimaproxys – Teil 2

17.06. - ICON-RUC – Wetterupdate im Stundentakt

16.06. - Rückblick auf die Gewitterlage vom vergangenen Wochenende

15.06. - Erste Tornadozwischenbilanz 2025

14.06. - Gewitterlage mit (großen) Unsicherheiten

13.06. - Hitzewarnsystem des DWD

12.06. - Der Schlüssel zur Klimageschichte: Klimaproxys – Teil 1

11.06. - Abkühlung in Sicht!

10.06. - Kanadischer Rauch trübt Sonnenschein in Europa

09.06. - Erste Hitzewelle des Jahres?

08.06. - Das Weltwetter im Fokus! Wo wird es extrem?

07.06. - Durchwachsene Pfingsten, danach Weichenstellung auf Sommer!

06.06. - Wie entsteht großer Hagel?

05.06. - Schwere Gewitter in Süddeutschland - Ein Rückblick

04.06. - Schwere Gewitterlage

03.06. - Deutschlandwetter im Frühjahr 2025

02.06. - Deutschlandwetter im Mai 2025

01.06. - Gewitternachlese

31.05. - Der Bergsturz von Blatten – Wenn die Alpen ins Rutschen geraten

30.05. - Starkregen, Hagel und einzelne Tornados: Ein Rückblick auf letzten Mittwoch