15. Januar 2013 | M.Sc. Met. Stefan Bach
Rutschpartie
Jetzt im Winter kann man schnell mal ins Rutschen kommen, egal ob man
mit dem Auto, dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs ist. Damit
Straßendienste und die Bevölkerung darauf vorbereitet sind, warnt der
Deutsche Wetterdienst in seinen amtlichen Warnungen und/oder den
Warnlageberichten entsprechend vor Glätte. Doch dem aufmerksamen
Leser der Warnlageberichte wird aufgefallen sein, dass Glätte nicht
gleich Glätte ist. Da liest man beispielsweise "Vor allem auf
Nebenstraßen und Brücken besteht Gefahr von Reifglätte." oder
"Streckenweise muss mit überfrorener Nässe gerechnet werden". Doch
was genau versteht man unter diesen Glätteformen und was
unterscheidet sie?
Schneeglätte tritt auf, wenn eine auf Straßen und Wegen befindliche
Schneedecke durch den Verkehr oder durch Fußgänger zusammengepresst
wird. Besonders glatt wird es, wenn sich die Oberfläche durch den
ausgeübten Druck kurzzeitig verflüssigt und anschließend erneut
gefriert.
Unter Eisglätte versteht man diejenige Glätte, die durch das
Gefrieren von Schmelzwasser, Pfützen oder Restfeuchte entsteht, wenn
diese durch das Heranführen kalter Luft oder durch die nächtliche
Ausstrahlung unter den Gefrierpunkt abkühlen. Mit dem Auftreten
dieser auch als "Glätte durch überfrierende/gefrierende Nässe"
bekannten Gefahr rechnet man als Laie nicht unbedingt, da unmittelbar
vor Eintreten des Ereignisses kein Niederschlag gefallen sein muss.
Besonders tückisch ist das Glatteis. Es kann auf zweierlei Art
entstehen: So gefriert unterkühlter Regen oder Sprühregen (Wasser
kann, wenn Kristallisationskeime fehlen, durchaus auch bei unter 0 °C
noch flüssig sein) beim Auftreffen auf Gegenstände - also
beispielsweise die Fahrbahn - spontan. Umgangssprachlich wird
unterkühlter Regen auch Eisregen genannt.
Glatteis kann aber auch entstehen, wenn nicht unterkühlte
Regentropfen auf einen nach einer länger andauernden Frostperiode
noch gefrorenen Boden fallen. Daher spricht man auch von gefrierendem
Regen bzw. in den Medien oftmals von "Blitzeis".
Egal, auf welche Art das Glatteis entsteht - selbst Winterreifen
finden nur schlecht Halt und auch als Fußgänger ist das ein ganz
schönes "Geeiere".
Betrachtet man die Reifglätte, muss man die Sache ein wenig
wissenschaftlicher angehen: Wenn die Temperatur eines Objektes,
beispielsweise die der Straßenoberfläche, unter den sogenannten
Taupunkt (Temperatur, bei der ein Gleichgewicht aus Kondensation und
Verdunstung herrscht) sinkt, dann kann sich der in der Luft
befindliche Wasserdampf auf dem Gegenstand niederschlagen.
Physikalisch gesehen handelt es sich dabei um Kondensation, bei der
ein Feuchtetransport von der Luft zur Oberfläche stattfindet. Das
passiert zum Beispiel, wenn sich die Straße schneller abkühlt als die
Luft oder wenn nach einer längeren Zeit mit kalter Witterung die
Temperatur des Straßenbelags noch unter 0 °C liegt und feuchtwarme
Luft herangeführt wird. In diesem Fall liegt der Taupunkt der
heranwehenden feuchten Luft höher als die Belagstemperatur. Die Menge
und Geschwindigkeit, mit der sich die Feuchtigkeit auf der Straße
niederschlägt, hängt einerseits von der Differenz zwischen
Belagstemperatur und Taupunkt der Luft und andererseits vom absoluten
Feuchtegehalt der Luft selbst ab. Am meisten Kondenswasser bildet
sich, wenn die Straße kalt und die Luft sehr warm und feucht ist. Das
können Sie auch praktisch im Biergarten beobachten, wenn das Bierglas
an einem schwül-heißen Sommertag von außen anläuft. Bei
Taupunktstemperaturen unter -5 °C ist die absolute Menge an
Wasserdampf in der Luft gering und es steht nur wenig Feuchtigkeit
für die Kondensation zur Verfügung. Daraus lässt sich schlussfolgern,
dass die Reifglättegefahr mit tieferen Temperaturen abnimmt. Oft ist
die Temperaturdifferenz zwischen Straßenoberfläche und dem Taupunkt
der Luft recht gering, sodass die Kondensation langsam vor sich geht
und es teils mehrere Stunden dauert, bis sich auf der Straße eine
spürbare Menge an Feuchtigkeit angesammelt hat. Sinkt die
Fahrbahntemperatur unter den Gefrierpunkt ab, so entstehen an der
Oberfläche Eiskristalle - es hat sich Reif gebildet. Werden diese
Eiskristalle wie oben schon beschrieben durch den Verkehr
zusammengedrückt, vorübergehend zum Schmelzen gebracht und gefrieren
anschließend wieder, bildet sich Eisglätte.
Reifglätte tritt am häufigsten auf Brücken auf, da diese viel
größeren Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht unterliegen -
sie kühlen sich wegen der fehlenden Untergrundwärme viel schneller ab
als daran anschließende Straßenstücke. Dadurch sinkt die
Brückenbelagstemperatur häufiger und schneller unter den Taupunkt und
es kondensiert mehr Feuchtigkeit als in der Umgebung. Aufgrund ihrer
geringeren Wärmekapazität lässt sich dieses Phänomen bei Stahlbrücken
besser beobachten als bei Brücken aus Beton. Befindet sich die Brücke
in der Nähe eines Gewässers (z.B. Brücke über einen Fluss), dann ist
sie noch glätteanfälliger. Im Gegenzug sind Brücken nach einer
längeren Frostperiode aber auch die ersten Stellen, wo keine Glätte
mehr auftritt, da sie keinen kalten Untergrund haben.
Auch in den nächsten Tagen muss gebietsweise mit Glätte gerechnet
werden, denn teilweise kommt es am heutigen Dienstag und auch in der
Nacht zum Mittwoch zu weiteren Schneefällen. In den anderen Gebieten
besteht zumindest weiterhin die Gefahr von Glätte durch Altschnee,
gefrorene Nässe oder vereinzelt auch durch Reif. Also fahren Sie
vorsichtig - ich wünsche Ihnen allzeit gute Fahrt!
© Deutscher Wetterdienst
Bild: Günter Havlena / pixelio.de
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