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25. Oktober 2021 | Dipl.-Met. Petra Gebauer, Robert Hausen

Schritte aus der Konfusion

Schritte aus der Konfusion

Datum 25.10.2021

Seit Neustem geht ein internationales Projekt zur Vereinheitlichung von Sturmnamen an den Start. Wir beleuchten die Hintergründe und klären auf.

Die Namensgebung von Hoch- und Tiefdruckgebieten, wie sie uns täglich in den Wetterberichten aus Funk, Fernsehen und heutzutage auch in den sozialen Medien vorkommen ("Hashtag-Kultur"), hat langjährige Tradition. Seit 1954 werden in der Berliner Wetterkarte zur besseren Verfolgung von Druckgebilden diese mit Namen versehen. Initiatorin war die damalige Studentin am Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin, Karla Wege, vielen später als ZDF-Meteorologin am Ende der heute-Sendung bekannt.


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Seit 2002 kommen die Namen nicht mehr aus institutseigenen alphabetisch sortierten Listen, sondern aus der Öffentlichkeit: Im Rahmen der Aktion Wetterpate. Dies ist ein Kooperationsprojekt des Vereins Berliner Wetterkarte e.V. mit der Freien Universität Berlin zur finanziellen Unterstützung der studentischen Ausbildung an der Wetter- und Klimastation Berlin-Dahlem, der einzigen Lehrstation, die in das Wettermeldenetz der WMO regelmäßig automatisch erfasste Daten, ergänzt um Augenbeobachtungen schickt. Aus dieser Kombination heraus wird den Studierenden ermöglicht, erlernte Theorie in der Praxis anzuwenden und bereits während des Studiums wertvolle Erfahrungen zu sammeln.

Getauft werden alle Druckgebilde, die in irgendeiner Weise Einfluss auf das Wetter in Mitteleuropa haben. Was bedeutet "Einfluss"? Es sollte der mitteleuropäische Raum entweder im Zirkulationsbereich des Druckgebildes liegen oder Fronten Mitteleuropa überqueren und wetterwirksam sind. Daher werden auch weit entfernte Tiefdruckgebiete zum Beispiel über dem Nordkap, getauft, deren Fronten aber bis nach Deutschland reichen. Auch besondere Wettererscheinungen sowie die zu erwartende Lebensdauer spielen eine Rolle. Basis für die tägliche Taufe sind die Bodenwetterkarte des Deutschen Wetterdienstes in der Analyse von 00 UTC und die Prognose für den Folgetag, 12 UTC, also 36 Stunden später.

Beim Blick über die Landesgrenzen hinaus offenbart sich, dass auch der Norwegische Wetterdienst längst die Namensvergabe - allerdings nur von Stürmen - für sich entdeckt hat. Die tatsächlichen Namenslisten sind anders als bei der Aktion Wetterpate von der Berliner Wetterkarte und FU Berlin im Vorfeld jedoch so geheim, dass erst bei der Taufe versiegelte Kuverts geöffnet werden. Insbesondere mit Aufkommen der sozialen Medien entdeckten auch der Irische (Met Eireann) und Britische Wetterdienst (UKMET) die Vorteile der Namensvergabe von Stürmen. Durch die inhaltliche Verknüpfung von Warnungen mit diesem Namen werden Aufmerksamkeit und Reichweite in der breiten Öffentlichkeit, den zuständigen Behörden sowie beim Katastrophenschutz erhöht beziehungsweise verbessert.

Nun zeigte sich allerdings bis dato in Europa ein ziemlich konfuses Bild, was die Einheitlichkeit betraf. So ist der hierzulande als "CHRISTIAN" bestens bekannte Orkan vom 28. Oktober 2013, der in Norddeutschland massive Schäden verursacht hat mit Böen jenseits von 120 km/h, auch unter St. Jude's Storm (Weather Channel), Allan (Dänischer Wetterdienst, DMI), Simone (Schwedischer Wetterdienst, SMHI) und Carmen (Europäisches Sturmzentrum) bekannt.

Um diese Konfusion in Zukunft zu vermeiden, hat man im Rahmen der Vereinigung europäischer Vorhersagemeteorologen (siehe auch http://www.euroforecaster.org) vor einigen Jahren eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich genau mit diesem Thema beschäftigt. Unter dem Dach des EUMETNET (Netzwerk aus 26 nationalen Wetterwarndiensten in Europa) werden nun bereits vergebene Namen von den anderen kooperierenden Wetterdiensten und auch von der Berliner Wetterkarte/FU Berlin übernommen und erhalten den Zusatz "int.". International getauft wird allerdings nur dann, wenn es sich um ein großräumiges, schadensträchtiges Tiefdruckgebiet handelt - in erster Linie im Verbund mit schweren Sturmböen oder Orkanböen, im Einzelfall aber auch im Zusammenhang mit ergiebigen Niederschlägen und Überschwemmungen. Letzteres ist vor allem im Mittelmeerraum mehr Regel als Ausnahme.

In der angehängten Beispielgrafik ist das vom Griechischen Wetterdienst (HNMS) benannte Tief "BALLOS" über dem Ionischen Meer zu sehen, dessen Name in schwarz dazugeplottet ist. Die Regelung für tropische Stürme und Hurrikans bleibt derweil bestehen. Diese behalten ihren vom National Hurricane Center in Florida vergebenen Namen und werden bei der Umwandlung in ein außertropisches Tief (auch bei Relevanz für Mitteleuropa) wie gehabt mit dem Zusatz "EX-" versehen. Die Taufe von Hochdruckgebieten verbleibt exklusiv bei der Berliner Wetterkarte.

Auch wenn in der aktuell europaweiten, schon sehr lebhaften Sturmsaison 2021/2022 sicherlich noch gewisse Startschwierigkeiten zu erwarten sind, so ist doch unter dem Strich ein hoher Nutzen der gemeinsamen Vereinbarung erkennbar. Wer zukünftig Recherchen betreibt, sollte dann hoffentlich bei nur einem Namen fündig werden. Bleibt zu hoffen, dass dies den Auftakt einer weiteren langjährigen Tradition bildet und Europa zumindest auf meteorologischer Ebene wieder mehr miteinander verbindet.



© Deutscher Wetterdienst