05. Juni 2015 | Praktikant Philip Wefers und M.Sc. Met. Stefan Bach
Unsichtbare Probleme
Es ist ein schöner wolkenfreier Tag - der Tag, auf den Sie sich bereits lange im Voraus gefreut haben: Es geht in den Urlaub.
Angenehmer kann der Urlaub nicht beginnen, der Himmel ist wolkenfrei
und die Temperaturen sind angenehm warm. Es geht los, der Flieger
startet gen Süden, der Wein, das Wasser oder auch der Tomatensaft
steht vor Ihnen und der Urlaub ruft.
Doch dann plötzlich und völlig unvorhergesehen, sackt das Flugzeug ab
und das Glas, das eben noch gut gefüllt vor Ihnen stand, liegt nun
auf der Seite und der Inhalt verteilt sich über den gesamten Tisch
vor Ihnen.
this is what will happen in Clear Air Turbulence, this happened on a Singapore flight to heathrow #crewlife pic.twitter.com/UmqVhYR0Bz
— Simon Burnham (@pilotsimon208) 29. Mai 2013
Was zuvor beschrieben wurde, nennt sich "Clear Air Turbulence" (CAT),
was frei übersetzt so viel heißt wie "Turbulenz in wolkenfreier
Luft". Daran besonders sind die, für Piloten fehlende visuelle
Wahrnehmbarkeit und die eingeschränkte Vorhersagbarkeit des
Phänomens. Die Abteilung Flugmeteorologie des DWD ist allerdings in
der Lage, Gebiete mit erhöhter Wahrscheinlichkeit für das Auftreten
von CATs auszuweisen. Und somit den Piloten zu erhöhter
Aufmerksamkeit bzw. zum Umfliegen des Gebietes raten.
Denn solche Turbulenzen entstehen vor allem, wenn sich zwei große
Luftmassen mit massiv unterschiedlichen Geschwindigkeiten in Höhen
von 6000 bis 12000 Metern bewegen. Typischerweise haben CATs eine
vertikale Ausdehnung von etwa 600 Metern (in wenigen Fällen von bis
zu 4500 Metern) und eine horizontale Ausdehnung, die zwischen 20 und
400 km schwanken kann. Das sind jedoch - wie allgemein bei Angaben
zur Größe von Turbulenzkörpern - nur statistische Werte, die im
Einzelfall größere Abweichungen aufweisen können. Häufig treten CATs
in der Umgebung von Jetstreams auf. Jetstreams sind starke
Windströmungen, mitunter bis über 500 km/h schnell, die in der Regel
einige tausend Kilometer lang sind. Diese werden von vielen
Fluglinien genutzt um Flugzeiten von Langstreckenflügen zu verkürzen
und somit Kerosin zu sparen.
Die Turbulenzen, die auf das Flugzeug einwirken, sind zu spüren, wenn
es zum Beispiel zu schnellen Änderung der Geschwindigkeiten der Luft
um das Flugzeug herum oder Fallwinden (abwärts gerichtete Winde
oder Böen) kommt. Das Flugzeug verliert an Auftrieb und somit
kurzzeitig stark an Höhe. Es sackt ab und für einen kurzen Augenblick
fühlt es sich an, als sei man schwerelos.
Auftrieb entsteht dadurch, dass die Luft den Flügel unterschiedlich
schnell umströmt. Auf Grund der speziellen Form des Flügels
überströmt die Luft die Oberseite schneller als die Unterseite.
Dadurch entsteht über dem Flügel ein Unterdruck, der durch eine
Aufwärtsbewegung des Flügels ausgeglichen wird. Je schneller das
Flugzeug ist, desto höher sind der Unterdruck oberhalb des Flügels
und dadurch der Hebeeffekt stärker. Wenn das Flugzeug schnell genug
ist, wird es sozusagen von der vorbeiströmenden Luft "getragen" und
es kann vom Boden abheben.
Die Schwierigkeit in der Vorhersagbarkeit solcher Turbulenzen ist,
dass sie im Gegensatz zu Wetterphänomenen wie Gewittern nicht mit
einem Radar geortet oder mit dem Auge gesehen werden können. CATs
können derzeit - nur punktuell - mit einem Doppler-LiDAR und dem
Scintillometer gemessen werden. Dies sind optische
Fernerkundungsmessgeräte, anhand welcher sich atmosphärische
Eigenschaften wie Temperaturen, Entfernungen, sowie Geschwindigkeiten
messen lassen. So ist es den Piloten oft nicht möglich, diese teils
auch gefährlichen Bereiche zu umfliegen, da CATs häufig unvermittelt
auftreten. Es ist daher besonders wichtig, dass die Piloten, die
Flugsicherung und nationale Wetterdienste eng zusammenarbeiten, um
frühzeitig andere, in dem von CATs betroffenen Gebiet verkehrende
Flugzeuge zu warnen, sodass deren Piloten das turbulente Gebiet
umfliegen können.
© Deutscher Wetterdienst
Bild: NOAA
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