19. November 2014 | Dipl.-Met. Helge Tuschy
Lake Effect Snow - die lokale Schneemaschine
Im vergangenen Herbst wurde bereits in einem "Thema des Tages" kurz über den Einfluss und die Auswirkungen des warmen Wassers (z.B. der Nord- und Ostsee) auf das lokale Wetter entlang der Küsten geschrieben (der Fokus hierbei waren Gewitter und Tornados).
Entstandene kräftige Niederschläge waren vor allem ein Resultat von
kühlerer Luft in höheren Schichten der Troposphäre (2-3 km über
Meeresniveau), die über das sehr warme Wasser strich.
Buffalo it still getting pummeled with lake effect snow through the night.. Pretty amazing sight actually.. pic.twitter.com/CfEFzQ2zR5
— Jay McKee (@JayMcKee74) 19. November 2014
Ein ähnliches Phänomen kann man nun auch im Winter erleben, wobei
dieses jedoch deutlich kräftiger ausfällt, mit entsprechend größeren
Auswirkungen in den betroffenen Gebieten. Es spielen hier nicht nur
die Temperaturunterschiede von Wasseroberfläche und Luft eine Rolle,
sondern weitere meteorologische Parameter. Das Phänomen wird als
"Lake Effect Snow" (LES) bezeichnet.
Besonders intensiv fällt der LES im Norden der Vereinigten Staaten
(USA) entlang der Großen Seen aus, weshalb wir den Fokus in diesem
"Thema des Tages" auf diese Region legen. Dieser Effekt kann jedoch
weltweit an jeder Wasseroberfläche beobachtet werden, die eine
entsprechende Größe aufweist und von einer kalten Luftmasse
überstrichen wird. Trotz des relativ leichten physikalischen
Grundverständnisses handelt es sich hierbei um ein sehr komplexes
Phänomen, welches hinsichtlich der Lage und Intensität bis heute nur
schwer vorhergesagt werden kann. Der LES findet in organisierten
"Bändern" statt, die aus kräftigen Schneeschauern, teils auch
Wintergewittern zusammengesetzt sind. Mal handelt es sich hierbei um
ein einziges und kräftiges Niederschlagsband, mal um eine Vielzahl
von schwächeren Bändern. Doch was macht die Entstehung dieser Bänder
aus?
Rückseitig eines kräftigen Tiefdruckgebietes wird sehr kalte Luft von
Kanada südwärts in den Norden und Nordosten der USA gelenkt. Diese
Luftmasse weist neben den geringen Temperaturen auch eine
entsprechend niedrige Feuchte auf (kalte Luft kann weniger
Wasserdampf aufnehmen als wärmere). Die trocken-kalte Luft erreicht
nun die Großen Seen und überströmt diese von Nordwest nach Südost.
Dabei wird der "Motor des LES" angeworfen, denn zwischen der warmen
Wasseroberfläche (momentan bei 6 bis 10, teils bis 13 Grad) und der
eisigen kanadischen Kaltluft entwickeln sich markante (vertikale)
Temperaturgegensätze. Sie sorgen dafür, dass die Luftmasse von unten
her labilisiert wird (kalte Luft, die über warme Luft strömt sorgt
dafür, dass Luftpakete aufsteigen können), wobei diverse Studien
zeigten, dass zwischen der Wasseroberfläche und der Temperatur in 1.5
km über Grund eine Differenz von mindestens 13 Grad Celsius bestehen
muss. Dies sorgt dann für genügend Energie, damit sich kräftige und
langlebige Niederschlagsbänder bilden können.
Natürlich muss für diesen Prozess gewährleistet sein, dass die
Wasseroberfläche auch nicht zugefroren ist, was den (latenten)
Wärmetransfer von Wasser in die Luft unterbinden würde. Da die Großen
Seen weltweit gesehen die größte Frischwasserquelle darstellen
(ausgenommen der Polareiskappen) und somit dank des geringen
Salzgehaltes zügig mit dem Gefrieren beginnen, nimmt das Risiko des
LES im Verlauf des Winters allmählich ab.
Je weiter die kalte Luft nun über das warme Wasser strömt, umso
labiler wird diese Luftmasse und umso mächtiger (in der Vertikalen)
wird diese labile Schicht. Für kräftige LES-Ereignisse ist es daher
wichtig, dass die labile Luftmasse nicht ungehindert (vertikal)
wächst, was bedeuten würde, dass sich die (potentielle) Energie immer
weiter verteilen würde. Ziel ist es, dass die ganze Labilität in
einer begrenzten Schicht zur Verfügung gestellt wird, damit sie zur
Bildung von kräftigen Schneeschauern "freigelassen" werden kann. Dies
wird durch einen sogenannten Deckel (eine stabile Schichtung mit
etwas wärmerer Luft) in 2-3 km über Grund gewährleistet, der in
besonders labilen Fällen auch deutlich höher liegen kann.
A massive wall of snow swept over Lake Erie and Buffalo, New York, on Tuesday morning. pic.twitter.com/PpbJ2oYsh0
— ABC News Weather (@abcnewswx) 18. November 2014
Ein weiterer Mechanismus für die organisierten Schneebänder ist der
Wind, der nur eine geringe Richtungsänderung mit der Höhe aufweisen
darf. Wenn der Wind zu stark mit der Höhe zunimmt oder aber der Wind
mit der Höhe markant dreht, können sich keine organisierten und
langlebigen Bänder ausbilden, da sie z.B. regelrecht zerrissen
werden. Schon eine Windrichtungsänderung von wenigen Grad kann dafür
sorgen, dass sich die Bänder in eine andere Region verlagern. Dies
kann während eines Ereignisses mehrmals vorkommen.
"Der arme Wettervorhersager, der solch ein Ereignis erfassen und in
entsprechende Warnungen ummünzen muss!"
Neben all diesen "Zutaten" sorgt natürlich auch die Orographie für
eine Unterstützung. Wie man sich leicht vorstellen kann, ist die
Reibung über den Wasserflächen der Seen deutlich geringer als über
Land, sodass sich Konvergenzen (Bereiche, wo Winde aus
unterschiedlichen Richtungen zusammenströmen und Aufsteigen) entlang
der Küsten ausbilden können. Förderlich ist es auch, wenn von Süden
her noch Feuchte herangeführt, die sich mit der kalten Luft über den
Großen Seen vermischt.
Die entstandenen Niederschlagsbänder sorgen dank ihrer geringen
Breite von meist nur wenigen Kilometern dafür, dass z.B. ein Ort im
Schnee versinkt, während in den Nachbarorten deutlich weniger oder
gar kein Schnee fällt. Schneefallraten von 10 bis 15 cm pro Stunde
inklusive Blitz und Donner sind in manchen Bändern möglich, so dass
gewaltige Neuschneemengen fallen können (z.B. 195 cm binnen 24 h vom
11. bis zum 12. Januar 1997 in Montague, New York).
© Deutscher Wetterdienst
Bild: Wikicommons
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