25. August 2014 | Dipl.-Met. Helge Tuschy
Wasserhosen in Europa
Wie bereits im Thema des Tages am 15. August 2014 beschrieben, weisen die meisten Wasserflächen in Europa im diesjährigen August überdurchschnittlich hohe Wassertemperaturen auf. Besonders im Osten und Norden der Ostsee und im Osten des Mittelmeers traten teilweise positive Temperaturabweichungen von mehr als 4 Kelvin (K) (Temperaturdifferenzangabe entspricht 4 Grad Celsius) auf.
Die entsprechende Gefahr von heftigen Niederschlägen wurde in diesem Thema des Tages bereits diskutiert, doch es soll noch auf ein weiteres Phänomen aufmerksam gemacht werden, welches sich besonders bei solch warmen Wassertemperaturen vermehrt entwickelt: die Wasserhose (oder wie die Dänen liebevoll sagen: "skypumpe").
Eine Wasserhose ist nichts anderes als eine Großtrombe oder ein
Tornado, nur dass dieses Wetterphänomen im Gegensatz zu den Tornados
über Land in mehreren Situationen entstehen kann.
Zunächst einmal können sich Wasserhosen in Verbindung mit kräftigen
und langlebigen Gewittern entwickeln. Besonders kräftig können diese
Wasserhosen in Verbindung mit sogenannten Superzellen ausfallen.
Superzellen sind langlebige, rotierende Gewitter, die entstehen, wenn
die Atmosphäre labil geschichtet ist und dabei die
Windgeschwindigkeit mit der Höhe zunimmt (Windscherung) und sich die
Windrichtung ebenfalls mit der Höhe ändert. Durch solch ein
Zusammenspiel von zur Verfügung stehender Energie und Windscherung
entstehen Gewitter, die über Stunden leben und weite Distanzen
zurücklegen können.
Die Atmosphäre muss aber nicht immer so wild sein, wenn es um die
Entwicklung von Wasserhosen geht, denn es gibt auch noch eine weitere
Möglichkeit der Entstehung. Diese Entwicklung ist auch unter dem
Begriff "Schönwetter" Wasserhosen bekannt, denn es müssen nicht
einmal Schauer und Gewitter vorhanden sein; teils reichen auch
Konvektionswolken (Kumulus- oder auch Haufenwolken genannt) zu deren
Entstehung aus. In diesem Fall spielt die warme Wasseroberfläche eine
große Bedeutung. Besonders in den Übergangsmonaten wie dem Herbst,
wenn kühle Luft in 3 bis 5 km Höhe über die noch warmen Meere oder
Seen streicht, kann sich eine teils sehr labile Schichtung ausbilden.
Nun wird häufig ein Mechanismus benötigt, der für die Entwicklung von
Schauern und Gewittern sorgt, was meist eine Konvergenz ist. Entlang
einer Konvergenz strömen Winde aus unterschiedlichen Richtungen
bodennah zusammen und sorgen für aufsteigende Luft, die kondensiert
und Wolken bildet. Dies ist häufig entlang der Küsten der Fall, wo
der Wind reibungsbedingt abgebremst wird und seine Richtung ändert.
So bilden sich langlebige und ausgedehnte Küstenkonvergenzen aus.
Entlang solcher Konvergenzen sorgen die unterschiedlichen
Windrichtungen und teilweise auch die variablen Windgeschwindigkeiten
dafür, dass die Luft beginnt, horizontal zu verwirbeln und zu
rotieren. Die Rotation ist sehr schwach und ist nichts
Ungewöhnliches, jedoch ändert sich das, wenn sich über solch einer
Konvergenz ein Aufwind bildet (wie zum Beispiel in Form eines
Schauers oder Gewitters). Nun kann unter solch einem Aufwind die
horizontal rotierende Luft in die Vertikale gehoben werden. Je
stärker nun der Aufwind wird, umso stärker wird diese vertikale
Rotation konzentriert und beschleunigt und es kann zur Kondensation
und zur Bildung einer sogenannten "funnel cloud" kommen. Sobald diese
die Wasseroberfläche berührt wird sie als "Wasserhose" bezeichnet.
Die meisten Wasserhosen fallen mit einer Lebensdauer von meist
weniger als 20 Minuten unter die Kategorie "kurzlebig" und weisen
geringe Windgeschwindigkeiten auf, verglichen zum Beispiel zu den
Wasserhosen unter Superzellen. Dennoch können auch bei solch
kurzlebigen Ereignissen Windgeschwindigkeiten bis 120 km/h auftreten.
Eine Gefahr geht hierbei über Wasser vor allem für Segler und Schiffe
aus, jedoch können diese bei Auftreffen auf Land für lange Schneisen
der Zerstörung sorgen. Ein Beispiel ist eine Wasserhose in Venedig,
die am 12. Juni 2012 an Land ging und für eine über 10 km lange
Schadensspur sorgte. Von Interesse ist sicherlich, dass während des
Landgangs einer solchen Wasserhose auch nicht selten die aus der
oberflächennahen Schicht der Meere oder Seen angesaugten Lebewesen
wie Fische oder Frösche über Land zu Boden fallen. In zahlreichen
Geschichtsbüchern ist von solch merkwürdigem Tierregen immer wieder
die Rede und diese Ereignisse können auf dieses Wetterphänomen
zurückgeführt werden.
Während der vergangenen Tage gab es in Europa zahlreiche Wasserhosen,
die in beide Kategorien eingeteilt werden können.
Tief "Wilma" dürfte besonders den Bewohnern entlang der Nord- und
Ostsee noch in Erinnerung sein, welche kühle Atlantikluft über die
sehr warme Nord- und Ostsee führte. Neben den teils heftigen
Regenfällen entlang der recht stationären Küstenkonvergenzen kam es
auch zur Ausbildung von Wasserhosen und "funnel clouds". Seit Mitte
August wurden zahlreiche Meldungen von Nordfrankreich bis hin nach
St. Petersburg in der European Severe Weather Database (ESWD)
registriert.
Ein weiterer Schwerpunkt war im zentralen Mittelmeer zu finden und
dort besonders im Golf von Genua und der nördlichen Adria. Dort
jedoch ereigneten sich die Wasserhosen in Verbindung mit kräftigen
Gewittern und waren entsprechend von den Auswirkungen her teilweise
schadensträchtiger als die Ereignisse weiter im Norden. Seit Mitte
August wurden in diesen Bereichen über 60 solcher Meldungen
registriert, was an sich für solch einen großen Zeitraum keine
außergewöhnlich hohe Zahl ist, jedoch für Mitte August als recht
beachtlich angesehen werden kann.
Jedoch geht nun für die kommenden Augusttage die Zeit der Wasserhosen
besonders über dem Mittelmeer allmählich dem Ende entgegen, denn mit
einem sich verstärkenden Hochdruckgebiet sollte die Gewitteraktivität
in diesem Bereich deutlich abgeschwächt werden und auch die
Temperaturen in 3 bis 5 km Höhe erwärmen sich nachhaltig. Weiter im
Norden über der Ostsee hingegen sorgt Höhenkaltluft auch die
kommenden Tage über erneut für regional förderliche Bedingungen zur
Bildung von Wasserhosen, die an dem ein oder anderen Küstenstreifen
wieder für Aufregung und nicht selten für beeindruckende Fotografien
sorgen werden.
© Deutscher Wetterdienst
Bild: Friederike Haubert
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