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22. November 2017 | Dipl.-Met. Thomas Ruppert

Klirrender Frost in Russisch-Fernost

Klirrender Frost in Russisch-Fernost

Datum 22.11.2017

Während bei uns ein "verspäteter Martinssommer" z.T. frühlingshafte Temperaturen hervorbringt, macht das sibirische Hochland von Oimjakon, der "Kältepol aller bewohnten Gebiete der Erde", derzeit seinem Namen alle Ehre. Verwaltungstechnisch gehört die Region zum Föderationskreis "Ferner Osten" Russlands, der zur Unterscheidung gegenüber dem ostasiatischen Kulturkreis auch gern als "Russisch-Fernost" bezeichnet wird.

Bei uns in Deutschland scheint auch in diesem Jahr ein Ende November prinzipiell durchaus möglicher, frühwinterlicher Kälteeinbruch nicht auf der Tagesordnung zu stehen. Vielmehr zeigt sich derzeit ein "verspäteter Martinssommer", der bis einschließlich Freitag meist zweistellige Tageshöchsttemperaturen hervorbringt, wobei am morgigen Donnerstag am Oberrhein örtlich bis zu 19 °C erreicht werden können. Ursache für diese "Temperaturanomalie" ist der Sturmtiefkomplex REINHARD über Nordwesteuropa, an dessen Vorderseite warme Meeresluft nach Mitteleuropa gelangt. Erst ab Samstag "normalisieren" sich die Temperaturen wieder, dann werden bis zum Monatsende der Jahreszeit entsprechende einstellige, jedoch meist positive Höchstwerte erreicht.


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Während sich also maritime Luftmassen, die mit Tiefausläufern nach Zentraleuropa gelangen, im Sommer kühlend und im Winter mildernd, also insgesamt mäßigend auf unser Temperaturregime auswirken, treten die Extremtemperaturen auf der Erde stets hochdruckbeeinflusst in wetterberuhigten Arealen auf, wo der lokale Strahlungs- und Energiehaushalt gegenüber advektiven Einflüssen dominiert. Das trifft im Falle der Tiefsttemperaturen des nordhemisphärischen Winterhalbjahrs neben Nordamerika vor allem auf die Regionen hoch im Norden und/oder tief im Inneren Asiens zu. So verwundert es niemanden, dass derzeit der Ferne Osten Russlands die kälteste regelmäßig bewohnte Region der Erde ist.

Besonders im Ostsibirischen Bergland fiel die Temperatur in den vergangenen Nächten verbreitet bis deutlich unter -40 °C, dabei "kristallisierte" sich das Hochland von Oimjakon einmal mehr als "Kältepol aller bewohnten Gebiete der Erde" heraus. Spitzenreiter in der Statistik der nächtlichen Tiefsttemperaturen bis Mittwoch früh 00:00 Uhr UTC (10:00 Uhr Ortszeit) war jedoch die Station Delyankir (63°50'N, 145°36'E, 803 m Höhe) mit -48,8 °C, gefolgt vom namensgebenden Dorf Oimjakon selbst (63°27'N, 142°47'E, 741 m Höhe) mit -47,0 °C und der ebenfalls "benachbarten" Ortschaft Yurty (63°58'N, 142°04'E, 1316 m Höhe) mit -46,7 °C.

Das ist an sich nichts Besonderes, beträgt doch die tiefste, jemals im Monat November in Delankyr gemessene Temperatur -58 °C. Die tiefste in zivilisierten Gebieten der Erde registrierte Temperatur wurde am 6. Februar 1933 in Oimjakon mit -67,8 °C gemessen (also im Spätwinter nach monatelanger Auskühlung). Am dortigen "Kältepol-Denkmal" sind sogar -71,2 °C aus dem Jahre 1926 vermerkt. Dieser Wert sowie eine im Jahre 1916 gemessene Temperatur von -81,2 °C sind wegen messtechnischer Zweifel allerdings nie offiziell anerkannt worden. Am 31. Dezember 1968 wurde dann in Oimjakon mit 1083,8 hPa auch der höchste, je auf der Erde gemessene Luftdruck registriert.

Neben ihren geografischen Positionen - fast am Polarkreis und im Winter mit wenig Sonnenschein, sowie weit genug entfernt vom Einfluss der temperaturmildernden Westwinddrift - liegen diese Stationen in Hochtälern, so dass außerdem die Möglichkeit zur Bildung von Kaltluftseen besteht. Meteorologische Hauptursache für derartige Extremwerte sind sogenannte Kältehochs in der arktischen Luftmasse, die eine geringe vertikale Mächtigkeit besitzen und in der höheren Atmosphäre von tiefem Luftdruck überlagert sind. Die zur Ruhe gekommene Polarluft wird durch strahlungsbedingte Auskühlung der bodennahen Luftschichten, insbesondere bei klarem Nachthimmel über Schneeflächen, immer kälter und wirkt schließlich klimabildend. Dauerhafte winterliche Kältehochs trifft man daher auch in der Arktis und Antarktis.

Die Karte unten (http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2017/11/22.html) zeigt den südlichen Teil von "Russisch-Fernost" und das Dreiländereck mit der Mongolei und China; oben im Bild mit dem Oberlauf der Lena, unten links mit dem Baikal-See sowie dem Ochotskischen Meer unten rechts. Eingetragen sind die vom amerikanischen Vorhersagemodell GFS analysierten Isobaren des Bodendruckfeldes in Hektopascal und natürlich die nächtlichen Tiefsttemperaturen in ganzen Grad Celsius vom 22.11.2017, 00:00 Uhr UTC (10:00 Uhr Ortszeit). Oben rechts im Bild gruppieren sich die weltweit kältesten Orte der vergangenen Nacht am Rande eines schwachen Hochdruckkeils.



© Deutscher Wetterdienst

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