Etwa seit dem vergangenen Wochenende schob sich in der mittleren und höheren Troposphäre vom Nordatlantik her ein Geopotentialrücken nach West- und Mitteleuropa, im korrespondierenden Bodendruckfeld gelangte die zuvor nach Mitteleuropa eingeflossene Meeresluft polaren Ursprungs unter Hochdruckeinfluss und konnte sich an den langen Frühsommertagen bei hohem Sonnenstand und größtenteils heiterem Himmel kräftig erwärmen.
#Wetter und #Klima: Markante #Hitzewellen seit 1950 und deren Auswirkungen https://t.co/bUAbkZ8aZy pic.twitter.com/UWQnFjGBHJ
— DWD Klima und Umwelt (@DWD_klima) 23. Juni 2017
Dies führte zur ersten "Hitzewelle" dieses Jahres, seit Montag, den 19.06.2017, wurden vielerorts in Deutschland Tageshöchsttemperaturen von mehr als 30 °C (statistisch-klimatologischer Begriff - "heißer Tag") gemessen. Erreichte "das Quecksilber" am Dienstag im deutschen Südwesten örtlich bereits 35 °C oder 36 °C gemessen, so war nach einem durch erneute Meeresluftzufuhr etwas kühleren Mittwoch der gestrige Donnerstag mit Temperaturmaxima von verbreitet deutlich über 30 °C, örtlich über 37 °C der bislang wärmste Tag des Jahres. Spitzenreiter im Messnetz des Deutschen Wetterdienstes war das linksrheinische Andernach mit 37,1 °C!
Schließlich fiel der Luftdruck in Mitteleuropa und von Westen her näherte sich ein Randtief mit seinem Frontensystem. An dessen Ostflanke ("Vorderseite") verharrte der größte Teil Mitteleuropas zunächst im Warmsektor. Zunehmende Labilisierung und ein heran ziehender kurzwelliger Höhentrog setzten bereits am Donnerstagvormittag konvektive Prozesse in Gang, als sich im Küstenbereich ein Gewittercluster bildete, das zunächst östlich der Weser nach Südosten zog.
Am späten Nachmittag spannte sich dann im weiten Bogen von den Vogesen bis in die Lausitz eine Gewitterlinie, die nach dem klassischen Modell der Synoptik mit einer Konvergenzlinie innerhalb des Warmsektors des Randtiefs einherging. Die eigentliche Kaltfront ersteckte sich zu diesem Zeitpunkt noch entlang der belgisch-holländischen Nordseeküste, griff am Abend von Nordwesten her auf Deutschland über und vereinigte sich im Verlaufe der Nacht mit der Konvergenz, so dass die Gewittertätigkeit bis zum Morgen andauerte.
Nearly HALF A MILLION lightning flashes over Central Europe over the past 24 hours! Spectacular lightning activity. Map: @Blitzortung_Org pic.twitter.com/ZuPlWPCOpz
— severe-weather.EU (@severeweatherEU) 22. Juni 2017
Vor allem im Zusammenhang mit der allmählich südostwärts vorankommenden Konvergenzlinie und später mit der schneller ziehenden Kaltfront bildeten sich am gestrigen Nachmittag sowie am Abend und in der Nacht verbreitet schwere Gewitter, die gebietsweise Unwettercharakter, d.h. Böen von mehr als 103 km/h, Starkregen von mehr als 25 mm/h und Hagel vom Kaliber größer als 1,5 cm aufwiesen. Schwerpunkte der Gewittertätigkeit waren zunächst Niedersachsen, wo es bei Verkehrsunfällen mit umgestürzten Bäumen zwei Tote gab, später dann die mittleren und östlichen Teile Deutschlands.
Die unten stehende Abbildung zeigt den Aufriss eines Radarbildes des Standortes Offenthal (Landkreis Offenbach) von gestern Abend, 22.06.2017, 16:00 Uhr UTC. Starke blaue Radarechos ragen bis ca. 10 km aufwärts. Die Zahlen in den schwarzen Kästchen sind die einstündigen Niederschlagsmengen. In Neu-Ulrichstein (Mittelhessen, 350 m Höhe) fielen 42 mm in den Messbecher, zeitgleich wurde eine Orkanböe von 127 km/h gemessen. Beide Zahlen sind jeweils Spitzenwerte des gestrigen Unwetterereignisses im Rahmen des DWD-Messnetzes. Wenn Sie Ihren Blick etwas schärfen und sich die Linien gleicher Lufttemperatur anschauen, finden Sie innerhalb der fetten roten 30-°C-Isotherme im Zentrum der Karte einen durch die Verdunstungskälte des gefallenen Niederschlages abgekühlten Bereich innerhalb der Warmluftmasse. Oben links zeigt sich bereits die mit der Kaltfront aus Nordwesten herangeführte frische Meeresluft.