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20. Mai 2017 | Dipl.-Met. Helge Tuschy

Der gewittrige Freitag

Der gewittrige Freitag

Datum 20.05.2017

Gestern tobten in weiten Bereichen Deutschlands heftige Gewitter, die mit Starkregen, Hagel und Sturmböen einhergingen. Was ermöglichte diese markante Gewitterlage und was waren die Folgen?

Ein Blick auf das Satellitenbild von gestern verrät, dass die Ausgangslage für eine ausgeprägte Gewitterlage in weiten Bereichen Deutschlands gegeben war. Bereits am Donnerstag und im Verlauf der Nacht zum Freitag bildete sich über Benelux ein kleinräumiges Tiefdruckgebiet, das sich am Freitag unter vorübergehender Verstärkung nordwärts verlagerte und mit seinem Zentrum über der südlichen Nordsee analysiert wurde. Dieses Tiefdruckgebiet mit dem althochdeutschen Namen DANKMAR war zwar nicht sehr kräftig, sorgte aber über Deutschland für die Entstehung markanter Wettergegensätze.


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Rückseitig von DANKMAR strömte vom Atlantik kühle und feuchte Luft über Frankreich nach Deutschland. Diese kühle Meeresluft drängte eine über Westdeutschland liegende Kaltfront allmählich weiter nach Osten, sodass die Front zum Nachmittag Deutschland in einen kühlen und nassen Westen und einen zunächst noch sonnigen und warmen Osten teilte. Dies zeigte sich besonders bei den Höchsttemperaturen des gestrigen Tages. Diese lagen im äußersten Westen zwischen 9 und 15 Grad (der geringste Höchstwert war mit 9.0 Grad an der Station Schneifelforsthaus in Rheinland-Pfalz). Derweilen sorgten DANKMAR und ein über Polen liegendes Hochdruckgebiet mit dem Namen URSEL für einen andauernden Zustrom feuchter und sehr warmer Luftmassen. Diese sommerliche Wärme erfasste besonders den Osten, wo bei strahlendem Sonnenschein von teils mehr als 14 Sonnenstunden Höchstwerte bis zu 30 Grad erreicht wurden (Spitzenreiter war mit 31.0 Grad Holzdorf auf der sachsen-anhaltisch-brandenburgischen Landesgrenze). Somit ergab sich auf einer horizontalen Distanz von rund 420 km ein Temperaturgefälle von mehr als 20 Grad.

Im Westen Deutschlands dominierte bereits ab den Morgenstunden die Himmelsfarbe "grau" und im Tagesverlauf regnete es vielerorts länger anhaltend und recht kräftig, wobei 24-std. Niederschlagsmengen um 20 l/qm gemessen wurden. Diese Niederschläge wurden durch das beständige Aufsteigen der feuchten und warmen Luftmasse entlang der ostwärts ziehenden und wellenden Kaltfront erzeugt. Dank der nur sehr zögernden Ostverlagerung der Front konnte es vielerorts über Stunden hinweg kräftig regnen.

Östlich der Front (von Mecklenburg-Vorpommern über die östlichen Mittelgebirge bis zum Bayerischen Alpenrand) konnte sich die Sonne mal mehr mal weniger gut gegen die Wolken durchsetzen. Doch die Einstrahlung reichte aus, dass die warme und feuchte Luftmasse im Tagesverlauf immer schwüler und labiler wurde und ab dem frühen Nachmittag konnten sich teils kräftige Schauer und Gewitter bilden. Dabei fiel bezüglich der Frage, wo die Auslösung von Gewittern stattfinden würde, eine ausgeprägte Windkonvergenz ins Auge (braunes Oval). Eine Konvergenz weist bodennahe Winde auf, die zum Zentrum zusammenströmen (oder eben konvergieren). Da die Luft in so einem Fall nur aufsteigen kann und sich dadurch Schauer und Gewitter bilden können, stellen diese Konvergenzen sehr häufig (aber bei Weitem nicht immer!) den "Geburtsort" für Gewitter dar. Entsprechend wurde gestern gegen 10 Uhr eine Vorabinformation vor heftigen Gewittern mit Hagel, Starkregen und Sturmböen für diese Gebiete herausgegeben.



In der Meteorologie spricht man von verschiedenen "Zutaten", die für die Entstehung von Gewittern maßgeblich sind. Doch wie sahen die Zutaten am Freitag aus? Im Umfeld der Konvergenz war die Luftmasse, wie bereits erwähnt, sehr labil geschichtet. Das bedeutet, dass die Luft hier rasch aufsteigen und sich hochreichende Gewitterwolken bilden konnten. Je labiler die Luftmasse, umso stärker können die Aufwinde in solchen Gewittern ausfallen und umso größere Hagel"körner" können zunächst noch in der Luft gehalten werden, bis sie schlussendlich zu Boden fallen. Zudem verstärkte sich gestern der Wind mit der Höhe deutlich von rund 10 km/h in 1.5 km Höhe auf über 90 km/h in 6.5 km Höhe. Solch eine Windzunahme wird benötigt, wenn man langlebige und kräftige Gewitter erwartet. Die mit der Höhe zunehmenden Winde verfrachten den gebildeten Niederschlag, der dann abseits des Gewitteraufwindes zu Boden fällt. Unter anderem ermöglicht diese Trennung von Auf- und Abwinden eine lange Lebensdauer von Gewittern, so dass die Gewitter gestern über Stunden hinweg toben konnten.

Besonders betroffen von den Unwettern gestern waren die Regionen von Thüringen über Sachsen-Anhalt, das östliche Niedersachsen bis nach Schleswig-Holstein. Dabei fielen in Uhlstädt-Kirchhasel-Niederkrossen, Jena (beide Thüringen) und in der Gemeinde Seegebiet Mansfelder Land (Sachsen-Anhalt) jeweils 32 l/qm in einer Stunde, in Bad Bibra-Altenroda (Sachsen-Anhalt) gar 36 l/qm in 1 Stunde. Allerdings suggerieren die Radarbilder, dass gebietsweise noch mehr Nass in kurzer Zeit abseits der Messstationen vom Himmel gefallen sein dürfte. Über einen 6-std. Zeitraum (20 Uhr bis heute 02 Uhr) wurden in Grambek (Schleswig-Holstein) 46 l/qm und in Rehlingen-Ehlbeck 47 l/qm Niederschlag gemessen. Entsprechend der Natur von Gewittern waren die Niederschlagsgradienten enorm und teilweise nur wenige Kilometer entfernt blieb es trocken. Auch München wurde von einem kräftigen Gewitter erfasst. Dort fiel lokal Hagel mit einem Durchmesser von 3 cm. So großer Hagel wurde auch in Punschrau in Sachsen-Anhalt beobachtet. Windspitzen wurden nur wenige gemeldet (schließlich muss die Station auch direkt getroffen werden), doch in Hohn (Schleswig-Holstein) wurde eine schwere Sturmböe von knapp 95 km/h (Bft 10) gemeldet.

Das Wochenende verläuft nun aber deutlich ruhiger, wobei Unwetter vorerst keine mehr zu erwarten sind.



© Deutscher Wetterdienst

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