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23. Juli 2015 | Dipl.-Met. Helge Tuschy

Hurrikansaison 2015 im Atlantik - ein erster Zwischenstand

Wer die vergangenen Wochen die internationalen Nachrichten im Fernsehen gesehen hat oder die Themen des Tages vom Deutschen Wetterdienst verfolgt hat, stieß immer wieder auf Berichte von kräftigen Tropenstürmen im Pazifik.

Diese sind im Westpazifik unter dem Namen "Taifun" und im Ostpazifik als "Hurrikan" bekannt. In beiden Meeresgebieten sahen die Tropensturmvorhersagen der jeweiligen nationalen Wetterdienste eine rege Tropensturmaktivität voraus, was nach aktuellem Stand auch einzutreffen scheint. Dabei sticht besonders die Intensität der meisten Tropenstürme hervor. Im Westpazifik tobten bisher neun Taifune, davon zwei mit der Kategorie 4 und drei mit der Kategorie 5 der fünfteiligen Saffir-Simpson-Skala. Dasselbe Bild ist auch im Ostpazifik zu finden, wo von bisher vier Hurrikanen gleich drei die Kategorie 4 erreichten. In beiden Basins wurden zahlreiche Rekorde gebrochen, wie z.B. das Maß der sogenannten "akkumulierten Zyklonenergie [engl. Accumulated cyclone enegery, ACE]" zeigt. Dieses Maß ermittelt den von Satellitenbildern geschätzten oder teilweise gemessenen Wind eines Sturmes und addiert diesen über die gesamte Lebenszeit des jeweiligen Sturmes auf. Je stärker und langlebiger also der Tropensturm ist, desto höher ist die akkumulierte Energie. Der ACE im Nordwestpazifik liegt momentan ungefähr beim 3-fachen des Normalwerts für diese Jahreszeit, im Ostpazifik ungefähr beim doppelten Wert und im Atlantik unter dem Durchschnitt.


Sie fragen sich nun sicherlich einerseits, wieso in diesem Jahr so
viele der Tropenstürme solch eine Intensität erreicht haben und wieso
das in einem Beitrag erwähnt wird, wo es doch um die Tropenstürme im
Atlantik gehen sollte. Nun, die Antwort ist leider eine wenig
erfreuliche, denn um eine Hurrikanprognose im Atlantik zu erstellen,
müssen unzählige Parameter betrachtet werden und riesige
Meeresflächen auch abseits des Atlantiks untersucht werden, wie zum
Beispiel die des Pazifiks. Man kann sich also vorstellen, dass es von
Natur aus große Unsicherheiten bei dieser Vorhersage gibt.

In den letzten Monaten hat sich jedoch die Vorhersage u.a. der
nordamerikanischen "National Oceanic and Atmospheric Administration,
NOAA" nach mehrmaliger Korrektur nun doch bewahrheitet, die im
Verlauf des Frühjahrs 2015 die Entwicklung eines El Nino im Pazifik
erwartet hat. El Nino ist ganz grob gesagt eine Klimaanomalie, die
sich zwischen der Westküste Südamerikas und dem südostasiatischen
Raum (z.B. Indonesien) alle paar Jahre ereignet. Die Auswirkungen
jedoch sind in einem deutlich größeren Gebiet zu spüren. El Nino
spiegelt sich u.a. durch eine außergewöhnlich hohe Wassertemperatur
im Ostpazifik wieder.
Dabei sorgt der aktuelle El Nino im gesamten tropischen Pazifik
(inklusive dem Ost- und Westpazifik) für positive
Temperaturanomalien, die teils plus 1 Kelvin vom Normalwert
abweichen. Da Tropenstürme ihre Energie vom warmen Meerwasser
beziehen, ist es nicht verwunderlich, dass sich in diesen Gebieten in
dieser Saison die Tropenstürme rasant verstärken konnten, wenn
zusätzliche Parameter wie geringe Windscherung (Windzunahme mit der
Höhe) und eine feuchte Troposphäre ebenfalls vorhanden waren.


Und eben dieser El Nino sorgte bisher im tropischen Atlantik für
einen ruhigen Start in die diesjährige Hurrikansaison, die vom 1.
Juni bis 30. November andauert. Bisher traten nur drei schwache
tropische Stürme auf. Egal welche Vorhersage man sich anschaut, es
gibt eine außergewöhnlich hohe Übereinstimmung, dass die Saison 2015
mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent unterdurchschnittlich
verlaufen wird. Folgende Aktivität wird erwartet (in Klammern die
jeweiligen saisonalen Mittel von 1981 bis 2010): 6 bis 11 benannte
Stürme (12), 3-6 Hurrikans (6) und 0-2 starke Hurrikans (3) mit einem
ACE von 40-85% vom saisonalen Mittelwert. Man erkennt schon an der
Spreizung der Werte, dass die Unsicherheiten, wie viele Stürme nun
letztendlich auftreten werden, weiterhin recht groß sind. Jedoch ist
die Sicherheit innerhalb der Vorhersagen unterschiedlicher
Institutionen wie z.B. Universitäten sehr hoch, dass dieses Jahr eine
unterdurchschnittliche Saison im Atlantik erwartet wird.

Doch woher kommt nun diese Sicherheit einer zu schwachen Saison? Sie
können es bereits erahnen: El Nino. Aus der Historie früherer El Nino
Jahre zeigte sich, dass sich über dem tropischen Atlantik meist ein
Windfeld aufbaut, welches nicht förderlich für die Entwicklung
tropischer Stürme ist, da es die Windscherung erhöht. Dies ist auch
aktuell zu sehen, wo in weiten Bereichen des tropischen Atlantiks
eine hochreichende Windscherung von 55-110 km/h innerhalb der
Troposphäre zu finden ist. Diese sorgt grob gesagt dafür, dass sich
bildende Gewitter nicht zu einem langlebigen Cluster zusammenballen
können, sondern diese regelrecht "auseinandergerissen" werden.
Dennoch muss man auch in solch einer Saison damit rechnen, dass
irgendwann in einem kleinräumigen Gebiet die Bedingungen für die
Entwicklung eines starken Hurrikans vorübergehend gewährleistet sein
können. Wenn dies ungünstigerweise vor einem Küstenabschnitt
passiert, dann kann auch ein vermeintlich ruhiges Jahr in den
internationalen Medien urplötzlich in Form eines schadensträchtigen
Hurrikanereignisses auftauchen.

Anfang August werden die Prognosen der Hurrikansaison aktualisiert,
doch bereits jetzt ist absehbar, dass es keine signifikante Änderung
mehr geben wird. Im Gegenteil, der El Nino intensiviert sich immer
weiter. Einige Wissenschaftler sehen sogar mittlerweile Anzeichen für
einen extrem starken und rekordverdächtigen El Nino, der sich im
Verlauf der kommenden Monate weiter verstärken könnte. Es bleibt
daher nur zu hoffen, dass wenn sich doch ein starker Hurrikan bilden
sollte, es dieser als sogenannter "Fischsturm" über dem offenen Meer
und ohne Landbedrohung nur in die Statistik und nicht mit einem
Landgang in die internationale Presse schafft!



© Deutscher Wetterdienst

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