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16. November 2014 | Dipl.-Met. Lars Kirchhübel

Die Luftmassenzirkulation und die Bedeutung für das Wetter! Teil I

Wie im Thema des Tages am Donnerstag, den 13. November beschrieben, entstehen Hoch- und Tiefdruckgebiete bevorzugt entlang der sogenannten Polarfront. Diese oft wellenförmig deformierte Luftmassengrenze wird auch als Rossby-Wellen bezeichnet, welche die Hoch- und Tiefdruckgebiete steuert und somit das Muster der Luftdruckverteilung auf der Nordhemnisphäre prägt.

Diese Luftdruckverteilung bzw. Zirkulationsmuster der Atmosphäre
werden auf der Nordhalbkugel durch diverse Indizes beurteilt und
anschließend mit der Witterung in Verbindung gebracht. Für den
Bereich des Pazifiks und Nordamerikas analysieren die Meteorologen
die sogenannten PNA-Muster (Pacific-North-America-Index). Um das
Wettergeschehen über Europa zu erklären, wird die sogenannte
Nordatlantische Oszillation (NAO) betrachtet. Doch was beschreiben
diese Indizes bzw. entsprechenden Zirkulationsmuster? Der heutige
Abschnitt beschäftigt sich zunächst mit dem atlantischen und
europäischen Raum. Am morgigen Montag soll dann der Pazifik samt
Amerika im Fokus stehen.

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Die NAO beschreibt den Druckunterschied zwischen dem Islandtief
(Reykjavik) und dem Azorenhoch (Ponta Delgada) auf dem Atlantik. Je
nachdem, ob die Differenz positiv oder negativ ist, lassen sich
Aussagen über die Stärke der Westwinddrift (westliche Strömung über
dem Ostatlantik) machen. Die zeitliche Variabilität wird dabei
üblicherweise durch den NAO-Index abgebildet. Ist der
Luftdruckgegensatz zwischen dem Azorenhoch im Süden und dem
Islandtief im Norden durch einen sehr tiefen Druck über Island und
einen sehr hohen Druck über den Azoren größer als im Mittel, so
spricht man von einem positiven NAO-Index. In diesem Fall kann sich
etwa zwischen 40° und 60° nördliche Breite eine starke westliche
Strömung ausbilden, die im Winter häufig mit Stürmen einhergeht.
Diese bringen dann von West- über Mitteleuropa hinweg bis nach
Sibirien oft milde maritime Luft mit reichlich Niederschlag. Vom
Mittelmeerraum bis zum vorderen Orient herrschen dagegen meist
Trockenheit und relativ kalte Winter vor. In Westgrönland dominieren
kalte nördliche Winde.

Bei einem negativen NAO-Index ist Druckgegensatz zwischen Islandtief
und Azorenhoch deutlich abgeschwächt. Teilweise drehen sich die
Druckgebilde sogar um, sodass sich über Island ein Hochdruckgebiet
und über den Azoren entgegengesetzt ein Tief befindet. In diesen
Fällen können sich häufig blockierende Wetterlagen durchsetzen. Dabei
bilden sich im Winter oftmals Hochdruckgebiete über Westeuropa, die
dazu führen, dass aus Norden kalte Luft einfließen kann. Allerdings
können die Westströmung blockierenden Hochs auch weiter östlich
auftreten. In diesen Fällen würden dann auf der Westseite des
Russlandhochs eher milde Luftmassen aus dem Mittelmeerraum nach
Mittel- und Nordeuropa gelangen. Gerade an dem sehr milden
Weihnachtsfest im letzten Jahr konnte man dies beispielhaft
beobachten. Auch im Mittelmeerraum herrschen dann oft milde, aber
auch feuchte Witterungsverhältnisse vor.

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Ein Blick auf den NAO-Index der letzten Monate (siehe Abbildung 1.) zeigt, dass sich der nordatlantische Index mit Ausnahme des
Septembers seit Juli weitgehend im negativen Bereich befand.
Entsprechend haben in diesem Zeitraum meist blockierende Wetterlagen
mit einer meridionalen Höhenströmung über Europa vorgeherrscht.
Bespielhaft dafür ist in Abbildung 2. der mittlere Luftdruck im
Oktober dargestellt. Zwar ist das Islandtief über diesen Monat hinweg
recht stark ausgeprägt, jedoch schwächelte das Azorenhoch doch
erheblich. Nachfolgend konnte sich im Oktober bis weit in den
November hinein häufig ein blockierendes Hochdruckgebiet über
Osteuropa festsetzen. Zwischen dem Tief über dem Nordatlantik und dem
besagten Hoch im Osten strömte in diesen Monaten sehr milde Luft aus
südlichen Richtungen nach Mittel- und Nordeuropa. Entsprechend
deutlich fielen die positiven Temperaturabweichungen im Vergleich zur
Referenzperiode 1961-1990 aus. Lag im Oktober eine positive
Temperaturanomalie von +2,9 Grad vor, sind es im November
deutschlandweit gemittelt derzeit sogar +4,6 Grad.

Ähnlich zum Oktober und November dominierte auch im Juli und August
bis in hohe Höhen tiefer Luftdruck vom Nordatlantik bis in die
Nordsee hinein. Dabei floss mit einer südwestlichen Höhenströmung
auch in diesem Monat die Luft aus warmen Gefilden (Iberischen
Halbinsel) nach Deutschland. Diese einfließenden warmen und feuchten
Luftmassen zusammen mit dem recht stationären Tiefdruckwirbel
zwischen Island und den Britischen Inseln führten über Mitteleuropa
häufig zu einer Labilisierung der Luft, was wiederum die Entstehung
von zahlreichen teils schweren Gewittern förderte. Dies macht sich in
beiden Monaten auch bei der Niederschlagsbilanz bemerkbar. Sowohl im
Juli mit 166% also auch im August mit 130% fiel im Vergleich zur
Referenzperiode 1961-1990 überdurchschnittlich viel Regen. Während im
Juli gleichzeitig die Sonne im Mittel über Deutschland häufiger
schien (106%) und somit die Mitteltemperatur zusätzlich auf eine
positive Abweichung von +2,3 Grad anheizte, verhinderten im August
zahlreiche Wolken am Himmel diesen zusätzlichen Effekt (-0,6 Grad
Anomalie).

Der September zeigte dagegen meist eine von den anderen betrachteten
Monaten abweichende Luftdruckverteilung (vgl. Luftdruckanomalie in
Abbildung 3). Während in den ersten beiden Dekaden von den Britischen
Inseln über Skandinavien hinweg bis nach Osteuropa hoher Luftdruck
überwog, der oft eine schwache zonale östliche Strömung induzierte,
konnte sich im letzten Monatsdrittel kurzfristig eine westliche
Strömung durchsetzen. Beide Fälle würden also einem positiven
NAO-Index entsprechen.

Was die Prognosen für das zukünftige Wetter betrifft, liefert der
NAO-Index keine eindeutigen Hinweise. Während bis Ende November keine
nennenswerte Signale simuliert werden und der Index sich leicht im
positiven Bereich bewegen soll, nehmen entsprechend der Vorhersagen
der NOAA (National Centers für Environmental Prediction) ab Dezember
die Unsicherheiten deutlich zu. Von einer deutlich negativen Phase
bis zu einem erheblich positiven Indexverlauf scheint derzeit alles
möglich. Demzufolge könnte sich sowohl windig bis stürmisches und
recht mildes Westwetter als auch kaltes Winterwetter aus Norden oder
warmes Mittelmeerfeeling aus Süden durchsetzen.


© Deutscher Wetterdienst

Bild: IFM-GEOMAR