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12. August 2014 | Dipl.-Met. Tobias Reinartz

Schauerstraße in Nordfriesland

In den letzten Wochen zeigte sich der "Wettergott" im äußersten Norden Deutschlands, zumindest was den Sonnenschein betrifft, von seiner großzügigen Seite. Im Juli waren besonders die Stationen an den Nord- und Ostseeküste sowie in Schleswig-Holstein diesbezüglich unter den Spitzenreitern zu finden.

In Rostock wurden 303,1 Sonnenstunden registriert, was dort 30 % "mehr" Sonne als im vieljährigen Mittel entspricht. Helgoland kam auf 284,9 Sonnenstunden (127 %) und Schleswig auf ebenfalls überdurchschnittliche 273,8 Stunden Sonne (128 %). Zum Vergleich: Stuttgart konnte nur 202,8 Sonnenstunden verzeichnen (86 %) und Kempten sogar nur 175,3 (79 %). Auch im August ließ sich im Norden der Sonnenschein bisher, verglichen mit den restlichen Landesteilen, nicht lumpen, wenngleich kaum größere regionale Unterschiede vorhanden sind. Nichtsdestotrotz stechen Bremen nach dem ersten Drittel des Monats mit bereits 78,8 Std.(41 %) und Helgoland mit 86,2 Std. (39 %) neben Dresden mit 77,5 Std. (39 %) und Leipzig mit 75,4 Std. (39 %) heraus.

 Niederschlagssumme 1. bis 10.8. (bis 11.8., 07.50 Uhr MESZ), dahinter die Prozente im Vergleich zum langjährigen Mittel (1961-1990) des Gesamtmonats
Niederschlagssumme 1. bis 10.8. (bis 11.8., 07.50 Uhr MESZ), dahinter die Prozente im Vergleich zum langjährigen Mittel (1961-1990) des Gesamtmonats


Der "Nachteil" des häufigen sonnigen Wetters - zumindest für die
Natur - findet sich allerdings in der Niederschlagssumme. Während der
Großteil Deutschlands mit deutlich über 100 % (in Erfurt sogar über
400 %) des Monatsniederschlags des vieljährigen Mittels bedacht
wurde, fielen in Schleswig beispielsweise mit 44,2 l/qm nur 48 %
Regen. Auch im August zeigt sich der Norden bisher überwiegend von
der trockenen Seite. Ganz vorne mit dabei ist Hamburg, wo lediglich
7,8 l/qm (11 %) in diesem Monat gefallen sind.

Zumindest im Norden Schleswig-Holsteins und speziell in Nordfriesland
sollte dieses Niederschlagsdefizit jetzt aber erst einmal Geschichte
sein. Der Grund hierfür liegt in einem hochreichenden
Tiefdruckkomplex, der sich derzeit über der nördlichen Nordsee
befindet. Hochreichend bedeutet, dass diese Tiefdruckzone nicht nur
am Boden, sondern in der gesamten Troposphäre (bis in ca. 13 km Höhe)
zu finden ist.

In der Höhe ist dieses Tief "gefüllt" mit kalter Luft, die am
gestrigen Montag in den Nordwesten Deutschlands einströmte. Dort sank
die Temperatur in etwa 5,5 km Höhe seit Sonntag von Werten um -13
Grad auf unter -20 Grad. Ein solcher Temperaturrückgang macht sich
oftmals auch am Boden bemerkbar. Labilität ist das Stichwort. Unter
einer labilen Schichtung der Luft versteht man eine starke Abnahme
der Temperatur mit der Höhe bzw. einen großen Temperaturunterschied
zwischen bodennahen und höheren Luftschichten. Dies kann einerseits
durch eine Zunahme der Temperatur am Boden, andererseits aber auch
wie zurzeit durch eine Abnahme der Temperatur in der Höhe geschehen.
In dieser labil geschichteten Luft können sich in der Folge Schauer
und Gewitter entwickeln, da die wärmere und damit auch leichtere Luft
vom Boden bis in große Höhen aufsteigen kann und auf ihrem Weg zu
Wolkentröpfchen kondensiert.

Sommerwetter ade: Bei Spaziergängen sollte man vor allem im hohen Norden derzeit lieber einen Schirm dabei haben.
Sommerwetter ade: Bei Spaziergängen sollte man vor allem im hohen Norden derzeit lieber einen Schirm dabei haben.


Normalerweise bilden sich solche Schauer- und Gewitterwolken
bevorzugt im Sommer am Nachmittag, wenn durch die Sonneneinstrahlung
die bodennahen Luftschichten bereits stark erwärmt werden konnten.
Gegen Abend bzw. zur Nacht hin lösen sie sich allerdings auch meist
rasch wieder auf, da dann die Sonnenunterstützung immer mehr
schwindet. Dadurch kühlen sich die bodennahen Luftschichten wieder ab
und der Unterschied zur Temperatur in der Höhe wird geringer.

Im Nordseeumfeld "denken" Schauer und Gewitter derzeit allerdings
nicht daran, nachts eine Pause einzulegen. Verantwortlich dafür ist
die etwa 18 bis 21 Grad warme Nordsee, die im Gegensatz zum Festland
nachts fast überhaupt nicht abkühlt. Gepaart mit der oben
beschriebenen Höhenkaltluft nimmt die Labilität der Luft auch nachts
kaum ab, wodurch Schauer und Gewitter auch dann noch immer aktiv
bleiben.
Aufgrund ihrer hohen Verlagerungsgeschwindigkeit in der strammen
Höhenströmung auf der Südflanke des Nordseesturmtiefs fällt aus den
einzelnen Schauern und Gewittern nicht allzu viel Regen. Da sich
diese allerdings immer wieder neu bilden und wiederholt über
dieselben Gebiete ziehen, kommen aufsummiert lokal doch recht hohe
Niederschlagssummen zusammen. Man spricht dabei von der Ausbildung so
genannter "Schauerstraßen".
Bis heute früh 8 Uhr fielen innerhalb von 12 Stunden beispielsweise
in Leck an der deutsch-dänischen Grenze 26 l/qm und im benachbarten
Glücksburg-Meierwik 22 l/qm.

Auch am heutigen Dienstag sowie in der Nacht zum Mittwoch lässt die
Schauer- und Gewittertätigkeit an der Nordsee kaum nach. Bis
Mittwochfrüh werden für Nordfriesland nochmals zwischen 20 und 25
l/qm und bis Donnerstagfrüh weitere 10 bis 15 l/qm jeweils innerhalb
von 24 Stunden erwartet. Danach beruhigt sich die Lage dort etwas,
denn die Temperatur in der Höhe steigt wieder um ein paar Grad an.
Der unbeständige Wettercharakter setzt sich aber auch im weiteren
Verlauf fort, wie auch im übrigen Deutschland.



© Deutscher Wetterdienst

Bild: Bernd Hussing