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24. Juni 2014 | Mag.rer.nat. Michael Tiefgraber

Geschichte der computergestützten Wettervorhersage

Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein wurden vorwiegend empirische Methoden für Wetterprognosen herangezogen. Aus den noch recht dünn gesäten Messungen meteorologischer Parameter wie Lufttemperatur und Luftdruck wurden mittels einfacher Regeln sehr kurzfristige Wetterprognosen erstellt. Die Meteorologen machten sich dabei ihre Erfahrungen bei ähnlichen Wetterlagen zunutze.

Wenngleich die physikalischen und mathematischen Grundlagen bereits
viel früher bekannt waren, war es erst der norwegische Physiker und
Meteorologe Vilhelm Bjerknes, der 1904 den Grundstein für die heutige
moderne computergestützte numerische Wettervorhersage legte. Er
beschrieb die dynamischen Vorgänge in der Atmosphäre mittels
mathematisch-physikalischer Gleichungen. Zudem erkannte er, dass für
eine zufriedenstellende Vorhersage der Anfangszustand der Atmosphäre
durch Beobachtungen hinreichend bekannt sein muss.

Bjerknes entwickelte die grundlegenden mathematische Gleichungen, die die dynamischen Vorgängen in der Atmosphäre beschreiben
Bjerknes entwickelte die grundlegenden mathematische Gleichungen, die die dynamischen Vorgängen in der Atmosphäre beschreiben


Der britische Meteorologe Lewis Fry Richardson griff die Idee der
numerischen Wettervorhersage auf und veröffentlichte 1922 das Buch
mit dem Titel "Weather Prediction by Numerical Process". Er
beschreibt darin die für eine Vorhersage nötigen Gleichungen und
versuchte diese anhand eines Beispiels mit realen Messdaten zu lösen.
Um eine 6-stündige Wettervorhersage zu erstellen, waren menschliche
Rechenkünstler monatelang(!) beschäftigt. Die Ergebnisse waren zwar
nicht richtig und noch dazu völlig unrealistisch, das Prinzip war
jedoch gut. Denn es zeigte sich, dass eine numerische
Wettervorhersage grundsätzlich möglich ist. Die Gründe für die
Fehlprognose waren der zu lang gewählte numerische Zeitschritt und
ein nicht optimaler Anfangszustand. Er erkannte, dass gigantische
Rechenkapazitäten notwendig sind, um innerhalb sinnvoller Zeit
brauchbare Wetterprognosen zu erstellen. Er träumte vom Einsatz
tausender menschlicher Rechner, was natürlich völlig impraktikabel
war. Es fehlte damals einfach an den nötigen Rechenressourcen. Lewis
Fry Richardson war sozusagen seiner Zeit weit voraus.

Erst mit der Erfindung des Computers konnte sinnvoll auf die Arbeiten
von Richardson zurückgegriffen werden. Unter der Leitung des
US-amerikanischen Meteorologen Jule Gregory Charney wurde ein
mathematisches Atmosphärenmodell entwickelt, das grob die großräumige
Zirkulation in unserer Atmosphäre simulieren konnte. Im März 1950
wurde damit mittels echter Messwerte auf dem ersten rein
elektronischen Universalrechner (ENIAC), der im Besitz der US-Armee
war, die erste realistische computergestützte 24-stündige
Wettervorhersage berechnet.

ENIAC auf einem Bild der US-Armee,
ENIAC auf einem Bild der US-Armee,


In den darauf folgenden Jahren wurden numerische Methoden innerhalb
der nationalen Wetterdienste rasch operationell zur Wettervorhersage
eingesetzt. Limitierender Faktor in der Qualität der Prognosen war
vor allem die begrenzte vorhandene Rechenleistung der ersten
elektronischen Rechner. Doch mit dem rasanten Anstieg der
Computerperformance war man bald im Stande immer komplexere
Gleichungssysteme immer schneller zu lösen. Damit einher ging der
Qualitätsfortschritt in der Wettervorhersage ebenso rasch vonstatten.


Die sehr positiven Entwicklungen in den vergangenen Jahrzehnten
können folgendermaßen zusammengefasst werden: "Eine sechstägige
Prognose hat heute die gleiche Zuverlässigkeit wie eine 24-stündige
im Jahr 1968." (Quelle: http://www.dwd.de/presse/publikationen;
Broschüre "Wettervorhersage" )

Zieht man aktuelle Auswertungen des "Europäischen Zentrums für
mittelfristige Wettervorhersage" (EZMW) heran, kommt man zu dem
Schluss, dass eine heutige numerische Wettervorhersage für 6-7 Tage
über Europa dieselbe Güte hat, wie eine 4 Tage Vorhersage in den 80er
Jahren. Ausgewertet wurden dabei die Prognosen der Luftströmungen in
der mittleren Troposphäre (in etwa 5 km Höhe). (Quelle: "Evaluation
of ECMWF forecasts, including 2012-2013 upgrades.", ECMWF, D.S.
Richardson et.al., 2013)


© Deutscher Wetterdienst

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