24. April 2014 | Dipl.-Met. Adrian Leyser
Die Rhetorik im Wetterbericht
Wenn man Wetterberichte liest oder hört, tauchen immer wieder ähnliche Formulierungen auf. "Heiter bis wolkig, am Nachmittag stellenweise Schauer". Einige Begriffe werden derart oft verwendet, dass man an den rhetorischen Fähigkeiten des Autors zweifeln könnte.
Die Wortwahl ist in ganz bestimmten Passagen eines Wetterberichtes
aber alles andere als willkürlich. Vielmehr sind die verwendeten
Begriffe und Satzbausteine in den meisten Fällen die schriftliche
Ausformulierung eines exakt definierten meteorologischen Phänomens.
Spricht ein Meteorologe also von "heiter bis wolkig, am Nachmittag
stellenweise Schauer", hat er im Idealfall den genauen zu erwartenden
Wetterablauf im Hinterkopf und möchte ihn mit dieser Formulierung
ganz bewusst zur Geltung bringen.
Die grobe Struktur eines Wetterberichtes ist immer dieselbe: bei der
Vorhersage des Wetters für einen Tag oder eine Nacht werden
hintereinander Aussagen über die Bewölkung, den Niederschlag, die
Temperatur und den Wind getroffen. Meteorologen geben den
Bedeckungsgrad des Himmels in "Achteln" an. Sie teilen den Himmel in
Gedanken also in acht Bereiche und überlegen sich, wie viele dieser
Achtel von Wolken bedeckt werden. Ein wolkenloser Himmel wird somit
von 0/8 Bewölkung eingenommen, ein bedeckter von 8/8. Dazwischen
stehen fast wolkenlos für 1/8, heiter für 2/8, leicht bewölkt für
3/8, wolkig für 4/8, bewölkt für 5/8, stark bewölkt für 6/8 und fast
bedeckt für 7/8. Wenn also von "heiter bis wolkig" die Rede ist, dann
wird ein 2/8 bis 4/8 mit Wolken bedeckter Himmel erwartet. Geht der
Meteorologe davon aus, dass der Bedeckungsgrad stärker schwankt,
kommen Ausdrücke wie "wechselnd bewölkt" oder "unterschiedlich
bewölkt" zum Einsatz. Auch eine gewisse Unsicherheit kann dadurch
verbalisiert werden.
Beim Niederschlag gibt es nicht nur für die Niederschlagsphase
(Regen, Schnee, Graupel, Hagel) feste Bezeichnungen. Handelt es sich
beispielsweise um ein kurz andauerndes Niederschlagsereignis (unter
einer Stunde) mit meist hoher, manchmal schnell wechselnder
Niederschlagsintensität und eng begrenztem Niederschlagsfeld, dann
wird von "Schauern" gesprochen. Ansonsten heißt es einfach nur
"Regen" oder auch "länger anhaltender Regen".
Exakt definierte Ausdrücke gibt es auch für den Wind. Dabei erfolgt
die Einteilung nach den Windstärken in Beaufort von 0 bis 12, wobei
Windstärke 0 "Windstille" und Windstärke 12 "Orkan" entspricht. Die
genaue Einteilung kann dem DWD-Wetterlexikon unter Beaufort-Skala
entnommen werden.
Schwammiger wird es bei der Temperatur. Neben den angegebenen
Zahlenwerten tauchen häufiger auch Adjektive wie zum Beispiel warm,
mild, kühl oder kalt auf. Doch auch dahinter verstecken sich genau
festgelegte, saisonabhängige Grenzwerte. Während bei einem kühlen Tag
im Juli beispielsweise mit Temperaturen zwischen 17 und 20 °C zu
rechnen ist, ist im April bei 10 bis 12 °C schon eine dickere Jacke
vonnöten. Im Winter wird das Wort kühl sogar gar nicht verwendet.
Beliebt sind auch die Begriffe Sommertag (Höchsttemperaturen über 25
°C), heißer Tag (Höchsttemperaturen über 30 °C) oder Eistag
(Dauerfrost mit durchweg Temperaturen unter 0 °C).
Selbstverständlich gibt es neben den meteorologischen Fachbegriffen
und den klar definierten Ausdrücken auch unscharfe Formulierungen und
Textpassagen, in denen der Meteorologe größeren sprachlichen
Spielraum hat. Hier kann er dann doch sein rhetorisches Talent,
seinen Wortschatz und seine Erfahrung in die Waagschale werfen.
Nichtsdestotrotz sollte der Text nicht all zu sehr mit subjektiven
Wertungen und sprachlichen Kniffen geschmückt werden. Denn der
Wetterbericht ist ein möglichst einfach ausformulierter
wissenschaftlicher Bericht, der auf Fakten, nämlich den Berechnungen
der Wettermodelle und deren Interpretation durch den Meteorologen,
beruht. Dass sich die als Fakten angenommenen Prognosen im Nachhinein
durchaus auch mal als fehlerhaft herausstellen können, steht auf
einem anderen Blatt.
© Deutscher Wetterdienst
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