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04. Oktober 2020 | Dipl.-Met. Robert Hausen

Sacre Bleu - einiges los in Frankreich

Sacre Bleu - einiges los in Frankreich

Datum 04.10.2020

Wie turbulent die vergangenen Tage in Frankreich verliefen und warum noch immer keine Entwarnung gegeben werden kann, erfahren Sie im heutigen Thema des Tages.

Dieses Land steht für Lebensfreude pur. Bei der Vorstellung im Sonnenuntergang ein Glas Rotwein zu genießen, ins ofenwarme Baguette zu beißen und sich anschließend noch ein Stückchen vom Gruyere (französische Käsesorte) abzuschneiden, schlagen die Herzen vieler Frankreichliebhaber höher. Doch egal ob Pauschaltourist an der Cote d'Azur, Wohnmobilcamper an der Biskaya, Wanderer in den Alpen oder Appartmentbewohner in Paris, angesichts der Liste mit den derzeit gültigen Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes treibt es den potentiellen Herbstferienurlaubern wohl eher Tränen in die Augen - es sei denn, man lässt sich bereitwillig auf das Ansteckungsrisiko nebst Tests, Quarantäne, etc. ein. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts gab es in den vergangenen 24 Stunden mit 16972 Neuinfektionen sogar einen neuen Höchststand in Frankreich.


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Meteorologisch ist das Land ebenfalls ganz schön gebeutelt. So tobte bereits in der Nacht zum vergangenen Freitag (02. Oktober) Sturmtief BRIGITTE (laut MeteoFrance: ALEX) an der Westküste und brachte auf der größten bretonischen Insel Belle-Ile-en-Mer südlich von Lorient sagenhafte Orkanböen von bis zu 185 km/h (Beaufort 12). Zu diesem Zeitpunkt zeigte der Sturm klare Indizien einer Shapiro-Keyser-Zyklone (Erklärungen dazu finden Sie beispielsweise im Thema des Tages vom 16. Januar 2015), die berühmt berüchtigt für derart hohe Windgeschwindigkeiten mit zerstörerischer Wirkung sind. An der gesamten Westküste Frankreichs kam es bis einschließlich des gestrigen Samstagabends immer mal wieder zu Spitzenböen mit Geschwindigkeiten von mehr als 100 km/h. Mehrere Bäume stürzten um und zeitweise waren 80000 Menschen ohne Strom. Verletzte gab es glücklicherweise keine.

Die vergleichsweise lange Andauer ist schon etwas ungewöhnlich und damit begründet, dass über Brigitte auch ein kräftiges Tief in höheren Luftschichten wirbelt. Im Zusammenspiel mit immer neuen Randtiefentwicklungen über Ostfrankreich und dem Alpenraum konnte es sich so immer wieder regenerieren, "eiert" nur ein wenig rum und verlagert dementsprechend seinen räumlichen Schwerpunkt kaum. Liegt ein Küstenstreifen dann erst einmal inmitten des Sturmfelds, kann das Ereignis über mehrere Stunden hinweg anhalten.

A propos vorderseitige Randtiefs: Diese brachten im Südosten Frankreichs im Verbund mit einer markanten Luftmassengrenze in den vergangenen zwei Tagen länger anhaltende, kräftige Regenfälle. Lag die Höchsttemperatur in Limoges in Zentralfrankreich gestern bei 11 Grad, waren es auf Korsika und in Norditalien teilweise bis 25 Grad. Aus diesen Gegensätzen speisen Tiefdruckgebiete ihre Energie. Des Weiteren kam hinzu, dass in der mittleren Troposphäre (in etwa zwischen 2 und 6 Kilometern Höhe) über Südostfrankreich eine anhaltende Südströmung vorherrschte. So wurden feucht-warme Luftmassen aus dem westlichen Mittelmeerraum permanent von Süden gegen den Alpenbogen geführt, stauten sich dort und regneten ab. Verheerende 300 bis 600 Liter pro Quadratmeter fielen im Grenzgebiet zu Italien nördlich von Nizza in nur 24 Stunden bis Samstagfrüh. Letzterer Wert entspricht einem durchschnittlichen Jahresniederschlag in Berlin! Die schlimmen Bilder von überfluteten Dörfern und Kleinstädten, weggerissenen Häusern, gesperrten Straßen gingen durch die Medien. Zahlreiche Menschen werden noch vermisst, darunter auch Hilfskräfte der Feuerwehr. Ähnliches gilt für Teile Norditaliens, wo vier Deutsche unter den Vermissten sind.

Auch wenn sich die Wetterlage aktuell etwas beruhigt hat, so ist das nur ein kurzes Durchatmen. Das Tief BRIGITTE zieht weiter seine Kreise und liegt derzeit mit einem Kerndruck von unter 980 hPa über England. Es schickt derzeit mehrere Staffeln mit kräftigen Schauern und Gewittern von der Biskaya landeinwärts, so dass ab dem Nachmittag auch in den erwähnten Krisenregionen neue, teils kräftige Regenfälle einsetzen werden. Daher kann man noch nicht von einer Entwarnung sprechen und die Aufräumarbeiten/Bergungen werden weiterhin erheblich erschwert. Der Ausblick für die kommenden Tage hat weitere Regenfälle im Gepäck, die allerdings nicht mehr so langanhaltend und intensiv ausfallen.



© Deutscher Wetterdienst

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