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11. August 2015 | Dipl.-Met. Lars Kirchhübel

El-Niño - "Ein Christkind" beeinflusst das Weltklima - Teil 2

Lange wurde das "Christkind" (spanisch: El-Niño) vorhergesagt, nun ist es mit voller Wucht eingetreten und wird voraussichtlich auch noch länger anhalten. Aufbauend auf das Thema des Tages vom 9. August, in dem die sogenannte Walker Zirkulation und deren Schwankungen beschrieben wurde, soll nun das derzeitige El-Niño-Ereignis näher betrachtet werden.

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Schon zur Jahresmitte 2014 prognostizierten die Experten ein
El-Niño-Ereignis spätestens zum Nordwinter 2014/15. Doch die
Oberflächenwassertemperaturen belegen, dass El-Niño erst in diesem
Frühjahr so richtig Fahrt aufgenommen hat und das Meerwasser bis vor
die Küste Perus und Chiles deutlich erwärmt. Derzeit werden über den
kompletten tropischen Pazifik hinweg positive Abweichungen der
Oberflächenwassertemperaturen zwischen 1 und 2,7 Grad verzeichnet.
Die größte Anomalie wird dabei vor den Küsten Perus und Chiles
beobachtet.

Als Maß für die Bewertung und Vorhersage der
"El-Niño-Southern-Oscillation (ENSO)" wird beispielsweise der
sogenannte "Ozean Niño Index (ONI)" verwendet, der auf den mittleren
dreimonatigen Abweichungen der Oberflächenwassertemperaturen in der
Niño3.4 Region (170° W bis 120° W, 5° S bis 5° N) basiert (vgl.
Abbildung 1). Als Referenz dienen verbesserte und homogene
historische Analysen der Oberflächenwassertemperatur für den
30-jährigen Zeitraum zwischen 1981 und 2010. Ein El-Niño-Ereignis ist
dabei durch einen positiven ONI größer oder gleich 0,5 Grad
definiert. Bei einem La Niña-Ereignis liegen ONI-Werte kleiner oder
gleich -0,5 Grad vor. Für die Monate April, Mai und Juni 2015 wurde
für die Niño3.4 Region als aktueller ONI-Wert eine positive
Abweichung der Oberflächenwassertemperatur von 0,9 Grad festgestellt.
Insgesamt wurde seit Februar eine positive Abweichung größer oder
gleich 0,5 Grad beobachtet. Letztmals wurden für die Monate März bis
Mai 2010 gleichwertige Anomalien gemessen. Aktuelle Messungen zeigen
für Ende Juni sogar eine positive Abweichung der Wassertemperatur von
etwa 1,4 Grad.

Laut der Modellprognosen ist jedoch der Höhepunkt des derzeitigen
El-Niño-Ereignisses wohl noch nicht erreicht. Demnach soll der ONI im
Mittel über alle Modellläufe (gesamtes Ensemble) auf etwa eine
Temperaturanomalie von 2,2 Grad in den Monaten Oktober, November und
Dezember 2015 steigen und im Anschluss nur langsam wieder absinken.
Selbst für die Monate März bis Mai 2016 wird noch eine positive
Wassertemperaturabweichung von 1 Grad vorhergesagt. Entsprechend
liegt die Wahrscheinlichkeit von El-Niño-Bedingungen im tropischen
Pazifik bis ins Frühjahr 2016 bei über 80% (vgl. Abbildung 2).


Da El-Niño ein großräumiges meteorologisches Phänomen im äquatorialen
Pazifik ist und somit einen wesentlichen Einfluss auf zentrale
Zirkulationssysteme hat, können dem "Christkind" nahezu weltweit
meteorologische Auswirkungen zugeschrieben werden. Der Nachweis wird
über statistische Untersuchungen geführt und hat bislang positive
Ergebnisse vor allem für den nördlichen Pazifik und Nordamerika
ergeben. Weniger deutliche Wechselwirkungen sind zwischen ENSO und
dem Nordatlantik sowie Europa bekannt.

Allgemein kommt es bei einem El-Niño-Ereignis über dem Pazifik und an
der Westküste Südamerikas meist zu starken Niederschlägen. Dem
entgegen herrscht im westlichen äquatorialen Pazifik, wo
normalerweise reichliche Niederschläge fallen, außergewöhnliche
Trockenheit. Auch in Südostasien und Australien bleibt es als Folge
des Christkindes verhältnismäßig trocken und warm, sodass häufig
Dürren auftreten können. Als Fernfolge von El-Niño überwiegen z.B. im
Bereich des Amazonas, wo normalerweise typisch tropisch-feuchte
Verhältnisse herrschen, nun längere trockene Phasen. Dagegen ist das
"Christkind" in Südafrika durch eine überdurchschnittlich warme und
sehr trockene Witterung spürbar. Im südlichen Teil von Nordamerika
zieht die El-Niño-Phase dagegen meist ein feuchtes und kühles und im
Nordwesten ein überdurchschnittlich warmes Wetter nach sich (vgl.
Abbildung 3).

Ein Blick auf die Wetterbedingungen von Mai, Juni und Juli für
Nordamerika zeigt die typischen El-Niño-Eigenschaften. Während es an
der Westküste, vom südlichen Kalifornien bis nach Mexiko, bei
unterdurchschnittlichen Temperaturen ergiebig regnete und teilweise
400 bis 800 Prozent des Niederschlags im vieljährigen Mittel
verzeichnet wurden, fielen der Nordwesten und Osten der USA bei eher
trockenen Verhältnissen deutlich zu warm aus. Im südlichen Afrika
fiel vor allem der Mai entsprechend der El-Niño-Prognosen deutlich zu
warm aus. Auch der Juni und Juli zeigen, abgesehen von den
Küstengebieten überdurchschnittliche Temperaturen. In Südostasien
zeigen vor allem der Juni und Juli deutliche positive
Temperaturabweichungen bezüglich des vieljährigen Mittels.

Ob und in welcher Größenordnung sich das derzeitige El-Niño-Ereignis
auf das Wetter in Deutschland auswirkt und beispielsweise die nun
schon länger anhaltende Hitze in der Mitte und im Süden des Landes
beeinflusst, ist noch nicht untersucht. Weltweit gesehen mehren sich
nach Aussagen der JPL-Forscherin Nieves sowie der US-amerikanischen
Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA die Anzeichen, dass das derzeitige
sehr starke El-Niño-Ereignis einen neuen globalen Wärmerekord bringen
könnte, nachdem bereits 2014 das bislang wärmste Jahr seit
Aufzeichnungsbeginn war. Entsprechend der NOAA war zumindest der Juni
mit durchschnittlich 16,33 Grad schon der heißeste Juni seit Beginn
der Wetteraufzeichnungen vor 136 Jahren.


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