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21. März 2015 | M.Sc. Met. Stefan Bach

Verwirrender Frühlingsanfang

In der vergangenen Nacht um 23:45 Uhr MEZ - also gerade noch so am 20. März 2015 - war es so weit: Aus astronomischer Sicht hat bei uns auf der Nordhalbkugel der Frühling begonnen.


Dass der meteorologische Frühling bereits am 1. März begann, wird
angesichts der sehr milden Witterung der letzten Tage wohl niemand in
Zweifel stellen. Dass wir Meteorologen den Frühlingsanfang auf den 1.
März datieren, hat keine vorhersagetechnischen, sondern
ausschließlich statistische Gründe. In der Klimastatistik werden
immer drei komplette Monate zusammengefasst, sodass auf diese Weise
zum Beispiel Monats- oder Jahreszeitenmittelwerte einfacher erstellt
und besser verglichen werden können.

Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, den Frühling zu definieren,
nämlich über den Entwicklungsstand der Pflanzen (Phänologie). Aus
dieser Sichtweise unterteilt sich der Frühling in Mitteleuropa in
drei Phasen: Vorfrühling, Erstfrühling und Vollfrühling. Deren
Eintritt wird über das Auftreten bestimmter Entwicklungsschritte von
Pflanzen bestimmt. So hat der Vorfrühling mit dem Beginn der Blüte
von Hasel und Schneeglöckchen schon fast überall in Deutschland
Einzug gehalten. Mancherorts wurde sogar bereits die Blüte der
Forsythie und somit der Erstfrühling beobachtet. Der Vollfrühling
beginnt hingegen meist erst Ende April mit der Apfelblüte. Dabei
beginnen die Phasen teils inhomogen über Deutschland verteilt. Der
phänologische Frühlingsbeginn "wandert" mit etwa 30 bis 40 Kilometern
pro Tag von Südwest nach Nordost. Auch in der Höhe wandert er mit
zirka 30 Metern pro Tag langsam die Berge hinauf, wobei er an den
Südhängen früher als an den Nordhängen beobachtet werden kann.
Insbesondere spielen aber auch kleinräumige Klimaverhältnisse eine
Rolle. So beginnen die einzelnen Frühlingsphasen in geschützten Lagen
der großen Städte oft wesentlich eher als in freien Lagen auf dem
Land. Den aktuellen Stand der phänologischen Entwicklung können Sie
übrigens unter http://www.dwd.de/phaenologie verfolgen.

Ein Frühlingsbote: Schneeglöckchen
Ein Frühlingsbote: Schneeglöckchen


Nun aber zurück zum astronomischen Frühlingsbeginn. An diesem Tag
spricht man von einer der beiden Tag-und-Nacht-Gleichen im Jahr (die
andere ist zu Herbstbeginn). Schaut man aber in so manchem Kalender
nach, wird man feststellen, dass die Zeit von Sonnenaufgang bis
Sonnenuntergang ebenso wie die Zeit von Sonnenuntergang bis
Sonnenaufgang bereits am vergangenen Mittwoch (18. März) zwölf
Stunden betrug. Dieser scheinbare Widerspruch lässt sich damit
begründen, dass aufgrund der "großen" optischen Dicke der Atmosphäre
bei Sonnenauf- und -untergang das Licht der Sonne um 0,6 Grad
abgelenkt wird. Dadurch erscheint uns die Sonne höher als sie
tatsächlich steht und wir sehen die Sonne schon ca. vier Minuten eher
als rein über die Astronomie möglich. Auch abends verlängert sich so
der "Tag" um die gleiche Zeit. Zudem bezieht sich der Begriff der
Tag-und-Nacht-Gleiche aus streng astronomischer Sicht auf den
Mittelpunkt der Sonnenscheibe und nicht auf die oberste Kante.

Früher konnte man in der Schule lernen, dass der Frühlingsanfang
üblicherweise auf den 21. März fällt. Betrachtet man aber das
aktuelle Jahr und auch die zurückliegenden Jahre, lag der Zeitpunkt
der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche stets am 20. März. Aber warum ist
das so?
Nun, die Ursache ist darin zu finden, dass das Jahr nicht exakt 365
Tage hat, sondern im Mittel 365 Tage 5 Stunden 49 Minuten und 1
Sekunde. Das heißt also, dass jeder Frühlingsanfang auf eine um knapp
sechs Stunden spätere Uhrzeit fällt als der vorhergehende.
(Schwankungen um den Mittelwert herum werden dabei unter anderem
durch von anderen Planteten beeinflusste Erdbahnstörungen
verursacht.) Nach vier Jahren hätte sich also der Frühlingsanfang um
knapp 24 Stunden nach hinten verschoben. Der julianische Kalender
führte - wie bereits zuvor schon einmal ein ägyptischer Kalender -
einen Schalttag alle vier Jahre ein. Dieser Schalttag (heutzutage der
29. Februar) hat aber eine Überkompensierung zur Folge, da man um 24
Stunden korrigiert, aber der Frühlingsanfang nur ca. 23 Stunden 16
Minuten (4 mal 5 Stunden 49 Minuten) "wandert". Das bewirkt, dass der
Frühlingsanfang nach einem Schaltjahrzyklus von vier Jahren im Mittel
um etwa 44 Minuten zu früheren Zeitpunkten hin verschoben wird. Mit
dem gregorianischen Kalender wird diese Überkompensation
ausgeglichen, indem in drei von vier Hunderterjahren kein Schalttag
eingeschoben wird. So war das Jahr 2000 ein Schaltjahr, 2100 bis 2300
sind jedoch keine.

Da jeder Schalttag eine Überkompensation bewirkt, die erst durch die
Schaltregel für Hunderterjahre wieder korrigiert wird, läuft eine
merkliche Verfrühung des Frühlingsanfangs (und natürlich auch der
anderen Jahreszeitenanfänge) auf. Blickt man in die Historie und in
die Zukunft, so kann man dies gut nachvollziehen: Zum Ende des 19.
Jahrhunderts fiel der Frühlingsanfang stets auf den 20. März
(Mitteleuropäischer Zeit). Durch das Auslassen des Schalttages im
Jahr 1900 rutschte die astronomische Tag-und-Nacht-Gleiche nun bis
einschließlich 1915 immer auf den 21. März. In der Folge fing der
Frühling mal am 20., mal am 21. März an, wobei mit fortschreitenden
Jahren der 20. März wieder überhand bekam. Im Jahr 2011 begann der
Frühling zum letzten Mal in diesem Jahrhundert am 21. März und
beginnt seither stets am 20. März. Im Jahr 2048 wird der
Frühlingsanfang erstmals (um 23:34 Uhr MEZ) und dann immer öfter auf
den 19. März fallen. Gegen Ende des 21. Jahrhunderts werden der 19.
und 20. März etwa gleich häufig vorkommen. Wegen des im Jahre 2100
ausfallenden Schalttages (siehe oben) wird der Frühlingsanfang zu
Beginn des 22. Jahrhunderts wieder zwischen dem 20. und 21. März
pendeln.
Eine ansprechende und gut verständliche Grafik zu diesem Thema finden
Sie nebenstehend.

Zum Vergrößern bitte klicken
Zum Vergrößern bitte klicken


Übrigens: Für die Berechnung des Osterdatums wird immer der 21. März
verwendet. Der Ostersonntag liegt dann am ersten Sonntag nach dem
ersten Vollmond im Frühling. Diese Art der Berechnung kann manchmal
dazu führen, dass Ostern astronomisch gesehen zum falschen Zeitpunkt
gefeiert wird (sog. Osterparadoxie). Das ist das nächste Mal im Jahr
2019 der Fall. An dieser Stelle würden Ausführungen dazu aber zu weit
führen.


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