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07. Februar 2015 | Dipl.-Met. Johanna Anger

Stürmisches Europa

Am vergangenen Donnerstag und am gestrigen Freitag wehte uns ein eisiger und lebhafter Nordostwind um die Nase, der vor allem in den höheren Lagen der Mittelgebirge und der Alpen Sturmstärke erreichte. Auf dem Feldberg im Schwarzwald traten sogar Orkanböen auf.


Hervorgerufen wurde diese starke Nordostströmung durch große
Luftdruckgegensätze zwischen einem kräftigen Tiefdruckgebiet, welches
sich über nahezu den gesamten Mittelmeerraum erstreckt und einem
ebenso kräftigen Hochdruckgebiet mit Schwerpunkt westlich von Irland,
das bis in das östliche Mitteleuropa reicht. Es wies in den letzten
beiden Tagen einen Druck von 1035 hPa auf und wird sich am heutigen
Samstag noch weiter verstärken. Das Tief hatte bereits am Donnerstag
mit einem Kerndruck von 990 hPa den Höhepunkt seiner Entwicklung
erreicht. Das bedeutet, dass zwischen Irland und Oberitalien ein
Luftdruckgefälle von 45 hPa bestand.

Die Atmosphäre versucht nun, solche Gegensätze auszugleichen, indem
sie einen Luftmassentransport vom hohen zum tiefen Druck in Gang
setzt. Eine wichtige Rolle spielen dabei lokale Windsysteme. Dazu
gehört beispielsweise die Bise, ein kalter Nordostwind im Schweizer
Mittelland und im westlichen Alpenvorland. Dabei entsteht zwischen
dem Alpenbogen und dem Jura eine Art Kanalisierung der Luftströmung
und somit eine Verstärkung des Windes, wobei sich die hohen
Windgeschwindigkeiten bis zum Genfer See auswirken. So meldete
beispielsweise die Station Saint-Prex am Genfer See am vergangenen
Donnerstag Spitzenböen bis 83 km/h. Am gestrigen Freitag wurde an der
Station Mathod im Schweizer Kanton Waadt mit 89 km/h die höchste
Windgeschwindigkeit gemessen. Noch stärker war der Wind mit 127 km/h
auf dem Juragipfel La Dôle (1669 m). Auch am Bodensee war die Bise
gestern noch zu spüren, in Steckborn wurden Böen um 75 km/h, in
Schaffhausen am Rhein sogar bis 89 km/h registriert.

Nicht weniger stürmisch ging es zur gleichen Zeit im Mittelmeerraum
zu. Entlang der Küsten des westlichen und zentralen Mittelmeers
wurden vielerorts Böen zwischen 70 und 90 km/h registriert. Selbst
die südtunesische Stadt Tataouine meldete Sturmböen um 75 km/h. Durch
den starken Wind wurde Saharastaub aufgewirbelt und auf der Süd- bzw.
Ostseite des Tiefs weit über das Meer hinweg verfrachtet. Diese
Staubfahnen waren zeitweise sogar in den Satellitenbildern zu sehen.

(oben: Sichtbares Satellitenbild mit einer leicht gelblichen Trübung. Unten: Modifiziertes Satellitenbild mit einer violetten Einfärbung
(oben: Sichtbares Satellitenbild mit einer leicht gelblichen Trübung. Unten: Modifiziertes Satellitenbild mit einer violetten Einfärbung


Die stärksten Winde im Küstenbereich des Mittelmeers gab es in den
vergangenen beiden Tagen entlang des Rhônetals von Südfrankreich bis
in den Löwengolf hinein. Dort hatte sich der Mistral, ein böiger
Nordwind ausgeprägt. Die Luft, die von Frankreich her zum Mittelmeer
strömt, muss durch die enge Pforte zwischen Zentralmassiv und Alpen
und es entsteht ähnlich wie bei der Bise ein Düseneffekt. Die Böen
erreichten teilweise Orkanstärke, so zum Beispiel am Donnerstag an
der französischen Station Cap Bear mit 174 km/h. Aber auch am
Flughafen der Stadt Istres wurden noch schwere Sturmböen bis 93 km/h
gemeldet. Durch den kräftigen Wind türmten sich die Wellen vor der
französischen Mittelmeerküste auf offener See in den letzten beiden
Tagen teilweise bis zu 7 Meter hoch auf.

Mittlerweile hat sich das Mittelmeertief deutlich abgeschwächt. Es
weist derzeit einen Kerndruck von etwa 1015 hPa auf. Somit ist im
Tagesverlauf im gesamten Mittelmeerraum, aber auch im Süden
Deutschlands mit einer deutlichen Windabschwächung zu rechnen.
Anders sieht es derzeit in Fennoskandien aus. Dort befindet sich über
dem äußersten Norden ein Orkantief mit einem Kerndruck von 965 hPa.
Somit hat sich zwischen dem Hoch über den Britischen Inseln und dem
Orkantief ein kräftiger Druckgegensatz aufgebaut. Dabei kommt es dort
am heutigen Samstag verbreitet zu Sturmböen. Insbesondere entlang der
norwegischen Küste, aber auch in den skandinavischen Gebirgen treten
Orkanböen mit Geschwindigkeiten teils über 150 km/h auf.

Die Auswirkungen dieses Orkantiefs werden heute auch an den deutschen
Küsten von Ost- und Nordsee sowie im Bergland durch eine Windzunahme
zu spüren sein. Die Windentwicklung in Deutschland wird
voraussichtlich in der kommenden Nacht zum Sonntag ihren Höhepunkt
erreichen, meist kommt es dabei zu stürmischen Böen an der Küste, in
exponierten Lagen und im Bergland zu Sturmböen. Das Orkantief wird
sich am morgigen Sonntag weiter ostwärts verlagern. In Verbindung mit
einem weiteren Orkantief wird der stürmische und teils orkanartige
Wind im Norden Europas aber weiter erhalten bleiben.




© Deutscher Wetterdienst

Bild: DWD

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